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       # taz.de -- Rauf auf die Kuppel: Hinstellen und lächeln
       
       > Zum Petersdom wegen Michelangelo Buonarotti, dem Größten
       
   IMG Bild: Blick auf Vatikan und Tiber
       
       Allein Rom ist ein Geheimtipp. Da fährst du andauernd nach Italien,
       entdeckst die abgelegensten Ecken des Landes, den Cilento oder ein
       piemontesisches Tal, fährst an den Gardasee und den Bolsena- See, nach
       Florenz, Pisa und Lecco - und vergisst all die Jahre, mal wieder in Rom
       vorbeizuschauen. Und dann stehst du da, auf der Piazza Navona, vor dem
       Kolosseum, am Trevibrunnen und auf der Spanischen Treppe, und schlägst dir
       an die Stirn und sagst dir: Wie konnte ich nur so blöd sein und auf der
       Suche nach Geheimtipps in Italien Rom, die Ewige Stadt, auslassen. Und
       obendrein stellst du fest, dass du hier nicht so sehr Tourist bist wie in
       Sienaflorenzvenedig. In Rom wohnen gut zweieinhalb Millionen Italiener. Da
       kommt es auf ein paar tausend Fremde am Tag nicht an. Die schwimmen mit im
       Strom der Großstadt.
       
       Nun gut, und wenn du schon da bist, dann gehst du zum Vatikan, nicht wegen
       Papst Benedikt dem Sechzehnten, sondern wegen Michelangelo Buonarotti, dem
       Größten. Zum Petersdom. 1547 setzte Michelangelo auf diesen seine Kuppel.
       Als Kind warst du mal oben. Die Aussicht über die Stadt war dir eher egal,
       aber aufregend war das schon, in der doppelwandigen Schale der Kuppel immer
       höher zu steigen, schließlich hinunterzuschauen, in den Innenraum der
       Kirche, wie klein die Menschen dort unten auf dem Marmormosaik auf einmal
       wirkten.
       
       Also auf zum Petersplatz. Ach, und da stehst du dann wieder, auf dem
       schönsten Platz der Welt. Es treibt dir die Tränen in die Augen, wenn du
       nicht aus Stein bist wie die 284 Säulen der Kolonnaden. Vier Reihen von
       Säulen, die schönste Staatsgrenze der Welt, zwischen Vatikanstadt und
       Italien. Gian Lorenzo Bernini gestaltete den ellipsenförmigen Platz in der
       Hochzeit des Barock. Was Bernini mit den Säulen beabsichtigte, funktioniert
       in Vollendung. Sie umarmen den Platz - und den Besucher. Da die
       Peterskirche die Mutter aller Kirchen sei, soll der Portikus, so Bernini,
       "mit offenen Armen mütterlich die Katholiken empfangen, um sie in ihrem
       Glauben zu bestärken, die Häretiker zur Kirche zurückführen und die
       Ungläubigen im wahren Glauben erleuchten". 23.000 Quadratmeter für eine
       Umarmung!
       
       Die Kolonnaden sind symmetrisch zu zwei Brennpunkten. Das klingt abstrakt,
       ist aber vor Ort faszinierend. Man stellt sich auf eine der beiden
       Bodenplatten mit der Inschrift "Centro del Collone". Okay, man muss ein
       bisschen warten, bis die Japaner, die dort lächelnd stehen, sich
       fotografiert haben. Und dann stellt man sich auf die Stelle und schaut zu
       der Säulenreihe: Und nun sieht es aus, als würde die Kolonnade nur aus
       einer Säulenreihe bestehen und nicht aus vier hintereinander.
       Unverständlich? Hinfahren, hinstellen, lächeln.
       
       Einmal spaziere ich nachts über die Piazza San Pietro. Anwohner gehen über
       den nun leeren, in warmem Gelb ausgeleuchteten Platz nach Hause, als sei es
       nur irgendein Platz in der Nachbarschaft, und für Römer ist er das auch.
       Zwei junge Carabinieri patrouillieren lässig. Mit müden Beinen nach einem
       Tag in der Stadt schleppe ich mich über Berninis Meisterwerk - und knicke
       um. Die Polizisten eilen herbei. Signora, alles in Ordnung? Ich humple
       weiter, mich umarmt die vierfache Kolonnade des Petersplatzes. Ja, danke.
       Alles bestens.
       
       13 Mar 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Schaefer
       
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