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       # taz.de -- Rauschmittel-Abfälle in den Niederlanden: Drogen für den Wald
       
       > Die Niederlande sind ein wichtiger Produzent synthetischer Rauschmittel.
       > Geheime Labore entsorgen ihre chemischen Abfälle regelmäßig in der Natur.
       
   IMG Bild: Leere Kokainfässer in Prinsenbeek, 2020
       
       Amsterdam taz | Die Niederlande laufen Gefahr, ein Narko-Staat zu werden.
       Davor warnte die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema im britischen
       Guardian. Der Rotterdamer Hafen ist eines der [1][globalen Zentren des
       Kokainhandels], die damit verbundenen Bandenkriege bedrohen inzwischen auch
       Angehörige von Gangmitgliedern, AnwältInnen [2][und JournalistInnen].
       
       Weit weniger zur Kenntnis genommen wird ein anderer Aspekt des
       internationalen Drogenmarkts und der niederländischen Rolle darin: als eine
       der wichtigsten Produzentinnen synthetischer Drogen gibt es hierzulande
       zahlreiche versteckte Labore.
       
       Und weil chemische Abfallstoffe eines illegalen Produkts weder unauffällig
       noch legal entsorgt werden können, landen hochgiftige Substanzen in der
       Natur oder abseits von Landstraßen. Das Bild von teils Dutzenden
       Plastikkanistern in einer bewachsenen Böschung taucht regelmäßig in den
       Nachrichten regionaler Medien auf. Um welche Dimension es dabei geht,
       zeigen beispielhaft die ersten zwei Wochen dieses Jahres:
       
       Am 3. Januar und 4. Januar wurden in der Provinz Gelderland insgesamt
       mehrere Dutzend Plastikkanister gefunden, teils in einem Wasserlauf. Die
       genauen Restemengen werden durch die Polizei nicht benannt. Am 6. Januar
       wurden drei 1.000-Liter-Fässer am Rand eines Naturgebiets außerhalb von
       Enschede deponiert, am 7. und 8. Januar Kanister mit Flüssigkeit und eine
       Zentrifuge an zwei Orten in der Provinz Groningen.
       
       Am 9. Januar wurden in Goirle in der [3][Provinz Brabant] zwei Lieferwagen
       mit großen Tonnen und Dutzende Kanister mit Flüssigkeit zurückgelassen.
       Drei Tage später gelangten auf einem Waldweg bei Escharen in derselben
       Provinz Hunderte Liter Chemikalien in den Boden.
       
       ## Die chemischen Abfallstoffe können brennbar, beißend oder giftig sein
       
       Die Frequenz kommt in etwa überein mit jener in der „Nationalen
       Drogen-Standort-Übersicht 2022“. Sie wurde im April von der
       niederländischen Polizei veröffentlicht und ist bis heute die aktuellste
       Erhebung zum Thema. Vermeldet werden 155 Fälle, wovon 153 synthetische
       Drogen betrafen. Auffällig ist, dass diese Zahl 25 Prozent unter der von
       2021 lag, und, so der Report, auf dem niedrigsten Stand seit 2014.
       
       Im gleichen Zeitraum wurden 105 Drogenlabore ausgehoben, ein Fünftel mehr
       als 2021. Der zuständige Polizeichef Willem Woelders vermutet jedoch, dass
       „kriminelle Organisationen den Abfall sammeln und auf andere Weise
       entsorgen“.
       
       Die chemischen Abfallstoffe, welche illegal entsorgt werden, können
       brennbar, beißend oder giftig sein und stellen somit eine direkte Gefahr
       für ihre Umgebung dar. Zudem können sie den Boden verseuchen, was zu
       aufwändigen und teuren Sanierungen führt, und nicht zuletzt ins Grundwasser
       gelangen.
       
       ## 20 Prozent landen in Schutzgebieten
       
       Laut eines Berichts des Ministeriums für öffentliche Gesundheit von 2022
       finden etwa 20 Prozent der Entsorgungen in Schutzgebieten statt, deren
       Grundwasser zu Trinkwasser aufbereitet wird. Der Abfall besteht demnach aus
       „einer Mischung der Ingredienzen wie Lösungsmittel, Säuren und Basen“.
       
       Handelt es sich um Naturgebiete, ist laut einem Bericht des TV-Magazins
       „Nieuwsuur“ vom November oft nicht klar, wer für die Sanierung zuständig
       ist. Lange juristische Prozeduren darüber verschlimmern die Verschmutzung
       zusätzlich, zudem gebe es einen Trend, die Abfallstoffe nicht mehr in
       Kanistern zu deponieren, sondern direkt auszugießen.
       
       In einer Sendung von NPO Radio 1 berichtete der Förster Erik de Jonge von
       einem Fall in der Provinz Brabant, die jahrelang als Schwerpunkt der
       Produktion galt. Der Schaden dort sei „kolossal“, die Sanierung ziehe sich
       wegen immer mehr Bäumen, die gefällt werden müssten, noch lange hin. „Es
       dauert sicher 100 Jahre, bis dort wieder ein richtiger Wald steht.“
       
       19 Feb 2024
       
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       ## AUTOREN
       
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