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       # taz.de -- Reaktion auf Clintons E-Mail-Affäre: „Bringt sie nach Guantanamo Bay“
       
       > 1.000 neue Mails wurden gefunden. Was drinsteht, weiß keiner. Trumps Fans
       > jubeln präventiv – und treten noch aggressiver gegen Hillary Clinton auf.
       
   IMG Bild: Kurz vor der Wahl: Amerikaner schwanken zwischen Staunen und Wut über die FBI-Entscheidung
       
       Phoenix taz | Elf Tage vor den Wahlen, für die er bereits als Verlierer
       gehandelt worden war, spürt Donald Trump neuen Aufwind. „Dies ist größer
       als der Watergate-Skandal“, ruft er triumphierend am Samstagnachmittag im
       Kongresszentrum in Arizona. Der Präsidentschaftskandidat weiß zwar genauso
       wenig wie der Rest des Landes, ob das FBI neue belastende Informationen
       über Hillary Clinton hat. Aber vor seinen Tausenden von Anhängern gibt er
       sich überzeugt, dass es „sehr, sehr ernst“ sein müsse, wenn Direktor James
       Comey „so etwas“ tut.
       
       „Bringt sie nach Guantanamo Bay“, ruft ein junger Mann im Publikum. Der
       28-jährige Jarrod, der fünf Jahre lang bei den Marines war, trägt ein
       überdimensioniertes Trump-Porträt auf dem T-Shirt und die Nationalfarben
       der USA auf Shorts und Socken. Rund um ihn stehen Leute, auf deren Kappen
       steht, dass sie Amerika wieder groß machen wollen, dass Clinton ins
       Gefängnis gehört oder dass freie Menschen das Recht auf Schusswaffen
       brauchen. Viele skandieren: „Sperrt sie ein.“ Ein paar tragen orangefarbene
       oder schwarz-weiß gestreifte Gefängnisanzüge und halten sich
       Hillary-Clinton-Masken vors Gesicht. Es ist Halloween. Aber es ist zugleich
       eine Hauptbotschaft im republikanischen Präsidentschaftswahlkampf.
       
       Am Abend zuvor hat FBI-Direktor James Comey den US-Kongress darüber
       informiert, dass er die Ermittlungen wegen Clintons E-Mails doch
       weiterführen werde. Sein Büro war durch Zufall auf eine neue Ladung E-Mails
       gestoßen. Das FBI hat bislang nichts darüber gesagt, um welche Art von
       E-Mails es sich handelt, ob sie klassifiziert waren und ob sie von Clinton
       selbst stammten oder von ihrer Mitarbeiterin. Comey will diese E-Mails nun
       prüfen. Und die Erfahrung lehrt, dass ein Ergebnis frühestens zum
       Jahresende, aber keinesfalls bis zum Wahltag am 8. November zu erwarten
       ist.
       
       Die Mitteilung im Endspurt des tumultuarischen Wahlkampfs schlug wie eine
       Bombe ein. Noch im Juli hatte Comey erklärt, es gebe keinen Anlass, Clinton
       juristisch zu belangen. Dafür hatten ihn die Trumpanhänger angefeindet. Die
       sind mit der neuesten Entwicklung wieder sehr zufrieden. Doch der Rest der
       USA schwankt zwischen Staunen und Wut darüber, dass der FBI-Direktor eine
       derartige Mitteilung so kurz vor Präsidentschaftswahlen in die
       Öffentlichkeit geworfen hat.
       
       ## Das Publikum johlt: „Lügenpresse!“
       
       Clinton selbst nennt das Vorgehen „zutiefst beunruhigend“ und verlangt,
       dass der FBI-Direktor seine Informationen auf den Tisch legt. Clintons
       Wahlkampfchef John Podesta reagierte erbost auf Comeys Vorgehen. Das FBI
       habe sich vom Trump-Lager „einschüchtern“ lassen, erklärte Podesta.
       Möglicherweise handele es sich bei den nun aufgetauchten Mails lediglich um
       „Doubletten“ der bereits im Sommer untersuchten.
       
       In Phoenix warnt Trump vor der „korrupten“ und „betrügerischen Hillary“. Zu
       seinen Füßen stehen Tausende, die ihr misstrauen, ganz besonders beim Thema
       Schusswaffen, von denen die meisten Männer und Frauen im Saal mindestens
       eine haben, auch wenn sie sie an diesem Tag wegen der Eingangskontrollen
       des Secret Service, die sorgfältiger sind als an US-Flughäfen, nicht
       mitbringen konnten. „Sie lügt“, sagt Steve, der 20 Jahre als Wärter in
       Florence, dem Gefängnis des Bundesstaates, gearbeitet hat, „sie will uns
       unsere Schusswaffen wegnehmen.“ Trotz seiner 46 Jahre hat er nie zuvor
       gewählt, aber dieses Mal will er für Trump stimmen – wegen „Hillary“ und
       „weil die Demokraten für alles Regeln, Inspektionen und Kontrollen wollen“.
       
       Zur Eröffnung der Wahlkampfveranstaltung schießt ein republikanischer
       Spitzenpolitiker aus Arizona mit einer Plastikkanone Trump-T-Shirts in den
       Saal. Er schießt mehrere Richtung Pressetribüne am Ende des Raums. Dazu
       buht das Publikum genüsslich und johlt. „Lügenpresse“. Später dreht sich
       während Trumps Rede ein junger Mann zu den Journalisten um, und ruft ihnen
       mehrfach zu: „Jew – S – A“ – eine Anspielung darauf, dass die USA und ihre
       Pressevertreter von Juden (englisch: Jew) unterwandert seien. Es ist nicht
       das erste Mal, dass in einer Trump-Rally laute antisemitische Töne fallen.
       
       Trotz der FBI-Bombe denken viele im Saal bereits darüber nach, was sie tun,
       wenn Clinton die Wahl am 8. November gewinnt. „Ich bin froh, dass es
       herauskommt“, sagt eine 26-jährige Air-Force-Reservistin, „aber es kommt zu
       spät. Und die Medien werden es auch dieses Mal wieder unter den Teppich
       kehren.“ Ein Versicherungsagent witzelt, dass er dann nach Deutschland
       ziehen wird: „weil dort Flüchtlinge fürs Nichtstun Geld bekommen“. Ein Koch
       will – mithilfe von Trumps Webseiten – „prüfen, ob die Wahl gefälscht ist“.
       
       Ein Klimaanlageninstallateur will sich auf seinen Landsitz zurückziehen und
       ihn „noch besser befestigen, um mich gegen Angriffe von außen zu
       verteidigen“. Und einer der wenigen dunkelhäutigen Menschen im Saal, ein
       „Mexikaner der dritten Generation“, will nach Texas übersiedeln: „weil die
       starken Konservativen dort sich dann von der Union abspalten werden“.
       
       31 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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