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       # taz.de -- Rechte Gewalt in Brandenburg und Berlin: Nazis sind brandgefährlich
       
       > In Nauen ist eine geplante Notunterkunft niedergebrannt, die Polizei geht
       > von Brandstiftung aus. Auch in Berlin wird über eine neue Qualität
       > rechter Gewalt diskutiert.
       
   IMG Bild: Das Feuer hatte sich rasant in der geplanten Notunterkunft ausgebreitet
       
       Als die Feuerwehr in der Nacht zu Dienstag um 2.30 Uhr eintraf, war es
       schon zu spät: Das Feuer hatte sich bereits so weit auf die geplante
       Notunterkunft im brandenburgischen Nauen ausgebreitet, dass sich die
       Einsatzkräfte dafür entschieden, das eigentlich als Sporthalle genutzte
       Gebäude kontrolliert niederbrennen zu lassen. Die ersten 100 Flüchtlinge
       sollten hier in den nächsten Tagen einziehen.
       
       Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) gab am Dienstagmittag
       bekannt, dass die Behörden von einem Brandanschlag ausgehen. Ein
       technischer Defekt sei sehr unwahrscheinlich, auch die Tatsache, dass sich
       das Feuer rasant ausgebreitet hatte, spreche für Brandstiftung.
       Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte am Dienstagmorgen an die
       Brandenburger appelliert, „Zeichen der Mitmenschlichkeit“ zu setzen und
       sich vom „braunen Mob“ zu distanzieren. „Derartige Aktionen sind beschämend
       und Deutschlands unwürdig“, so Woidke. Berlins Regierender Bürgermeister
       Michael Müller (SPD) sagte am Dienstag, die Attacke sei „ein
       ungeheuerlicher Vorfall“.
       
       ## Proteste gegen Flüchtlinge
       
       Der Anschlag geschah indes nicht aus dem Nichts: „Das ist der traurige
       Höhepunkt dessen, was wir in den letzten Monaten hier erleben“, sagte die
       brandenburgische Linken-Geschäftsführerin Andrea Johlige, deren Wahlkreis
       in Nauen liegt, gegenüber der taz. Immer wieder habe es Proteste gegen
       Flüchtlinge gegeben, auch ihr Büro sei in den vergangenen Monaten mehrfach
       attackiert worden. Das Ereignis zeuge aber von einer neuen Qualität: „Das
       ist rechter Terror, den man auch so benennen muss.“ Es erfordere in Nauen
       bereits viel Mut, sich für Flüchtlinge zu engagieren – sie hoffe nun, dass
       der Anschlag die Engagierten nicht einschüchtere. „Es geht jetzt um die
       Frage: Will ich in einer Stadt leben, die von Hass zerfressen ist, oder
       will ich das nicht?“, so die Landtagsabgeordnete.
       
       Die NPD hat in Nauen einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung und zwei
       im Kreistag. Außerdem gibt es in der Gegend mit den Freien Kräften
       Neuruppin/Osthavelland eine gut organisierte, aktionistisch orientierte
       Neonaziszene. Der Verein Opferperspektive hatte erst in dieser Woche auf
       einen deutlichen Anstieg rassistischer Gewalt in Brandenburg hingewiesen,
       mit 88 registrierten Gewalttaten – davon 61 Körperverletzungsdelikte – sei
       bereits im Juni das Niveau des Vorjahres erreicht worden.
       
       ## Linie überschritten
       
       Von einer neuen Qualität der Gewalt gegen Flüchtlinge ist auch in Berlin
       die Rede: Nachdem am vergangenen Freitag ein Brandanschlag auf die
       Unterkunft in Marzahn verübt wurde, sorgte am Wochenanfang die Nachricht
       für Empörung, dass am Samstagabend zwei bekannte Rechtsradikale in der
       Ringbahn auf eine vermutlich osteuropäische Familie gepinkelt hatten. Am
       Dienstag übernahm nun der Polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen. Die
       beiden Neonazis hatten die Mutter und ihre beiden Kinder zunächst
       angepöbelt, einer der beiden hatte dann auf die 5 und 15 Jahre alten Kinder
       uriniert, die am Samstagabend in der S41 unterwegs waren.
       
       Fahrgäste hatten die Polizei alarmiert, die stark betrunkenen Täter waren
       kurze Zeit später am S-Bahnhof Frankfurter Allee festgenommen worden, kamen
       jedoch wieder auf freien Fuß – es habe keinen ausreichenden Grund für einen
       Haftbefehl gegeben, so die Polizei. Der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux
       kritisierte das Vorgehen: „Diese Männer nachts frei auf die Straße zu
       lassen, ist mit dem Schutzauftrag des Staates nicht zu vereinen“, so Lux.
       
       „Wenn Rechtsextreme auf Kinder urinieren oder mit brennenden Holzlatten an
       einem Flüchtlingsheim vorbeiziehen, dann sind rote Linien weit
       überschritten“, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU) am Dienstag. Die
       Eskalation der Gewalt sei besorgniserregend: „Wo Gebäude brennen, brennen
       irgendwann auch Menschen, gegen diesen Terror müssen wir uns mit aller
       Macht stellen.“
       
       Die Grünen-Abgeordnete und Rechtsextremismusexpertin Clara Herrmann
       forderte am Dienstag, der Ankündigung Henkels Konsequenzen folgen zu
       lassen. Angesichts der Ereignisse sei es „absurd“, dass bei der Polizei
       keine Personen aus der rechten Szene als Gefährder registriert sind (taz
       berichtete). Außerdem müssten Menschen, die sich für Flüchtlinge
       engagieren, noch viel stärker von Politik und Behörden unterstützt werden.
       Auch der Linken-Fraktionschef Udo Wolf forderte, der Senat müsse
       Beratungsstellen gegen rechts stärken.
       
       25 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malene Gürgen
       
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