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       # taz.de -- Rechte Politikerin Inger Støjberg: Ein seltenes Amtsvergehensverfahren
       
       > Vor fünf Jahren machte sie als dänische Ministerin Stimmung gegen
       > Migrant*innen. Jetzt muss sich Støjberg rechtlich verantworten.
       
   IMG Bild: Journalist*innen nannten die ehemalige Ministerin Inger Støjberg den Donald Trump Dänemarks
       
       Stockholm taz | Sie spielten nicht auf die ähnliche Haarfarbe an, als
       dänische Medien im Sommer 2016 anfingen, Inger Støjberg als „Dänemarks
       Donald Trump“ zu bezeichnen. Ihre Rolle als Provokateurin und
       Scharfmacherin konnte der Migrationsministerin seinerzeit niemand streitig
       machen. Und es war einige Monate bevor der Trump-Vergleich erstmals
       auftauchte, [1][als Støjberg den Erlass verkündete, der ihr nun fünf Jahre
       später ein Amtsvergehensverfahren eingebracht hat.]
       
       Am Dienstag machte eine Mehrheit von 141 gegen 30 Abgeordneten des
       Parlaments in Kopenhagen den Weg frei für ein solches „Rigsret“-Verfahren,
       das es seit 1849 erst fünfmal, davon in den letzten 110 Jahren nur ein
       einziges Mal gegeben hat. Dieses Reichsgericht droht in Dänemark
       Staatsoberhäuptern und MinisterInnen, die in ihrem Amt gegen geltendes
       Recht verstoßen haben.
       
       Das tat Støjberg nach Überzeugung einer im Januar 2020 eingesetzten
       Kommission mit ihrem „Kinderbräute“-Erlass vom 10. Februar 2016. Sie
       ordnete darin die Trennung aller nach Dänemark geflüchteten Paare mit
       minderjährigen Partnern an. Von ihrem Partner getrennt wurden daraufhin 23
       Frauen, darunter fünf schwangere, vier die mehrere Kinder hatten, einige
       die krank waren. Einzelne Frauen versuchten sich nach solcher
       Zwangstrennung, bei der es teilweise zum Polizeieinsatz gekommen war, das
       Leben zu nehmen. Støjberg rechtfertigte das Vorgehen: Es sollten doch nur
       Frauen geschützt werden, die womöglich zwangsverheiratet worden seien.
       
       ## Scharfe Kritik nun auch von Parteikollegen
       
       Ein untaugliches und „eindeutig illegales“ Mittel sei das gewesen,
       konstatierte ein sechs Bände und 3.400 Seiten umfassender
       Untersuchungsbericht: Nur eine Einzelfallprüfung wäre zulässig gewesen.
       Støjberg sei von JuristInnen aus ihrem Ministerium auch wiederholt auf die
       Gesetzwidrigkeit hingewiesen worden.
       
       Eine naheliegende Vermutung für das Handeln der Hardlinerin: Støjberg
       wollte den Geschmack ihrer WählerInnen bedienen. Ähnlich wie mit der Feier
       der unter ihrer Regie erfolgten fünfzigsten Verschärfung des
       Ausländerrechts im Frühjahr 2017 mit einer Marzipantorte, auf der die
       dänische Flagge und die Zahl 50 prangte und Støjberg glücklich in die
       Kameras lächelte: „So was muss doch gefeiert werden.“ Die Liste ihrer
       populistischen Initiativen ist lang: Vom „Schmuckgesetz“, mit dem syrische
       Flüchtlinge gefilzt wurden, [2][um mit eventuellen Habseligkeiten ihren
       Aufenthalt zu bezahlen] und das ein Schuss in den Ofen war [3][bis zum Plan
       eines Internierungslagers für abgewiesene Asylsuchende auf einer
       virenverseuchten Insel].
       
       Als „Zynikerin der Macht“ charakterisierte ihr Ex-Parteifreund Jens Rhode
       die aus der Kommunikationsbranche kommende, erstmals 2001 für die
       rechtsliberale Venstre ins Parlament gewählte 47-Jährige, die in den Jahren
       2009 bis 2019 in mehreren Kabinetten Ministerin war: „Für mich scheint sie
       berauscht vom Beifall, den sie für ihren offenen Fremdenhass bekommt.“ Vor
       dem Reichsgericht aus 15 RichterInnen und 15 ParlamentarierInnen droht ihr
       bei einer Verurteilung eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren. Das
       Verfahren soll nach der parlamentarischen Sommerpause beginnen.
       
       2 Feb 2021
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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