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       # taz.de -- Rechte in Potsdam: Aufmarsch auf dem Exerzierplatz
       
       > Demonstrationen von AfD und Co waren in Potsdam bisher wenig erfolgreich.
       > Anfang Februar versuchen es die Rechtsextremen erneut.
       
   IMG Bild: Gegendemonstranten verhinderten bisher die rechten Demos in Potsdam
       
       Potsdam schien bisher eine Insel zu sein: Islamfeindliche Demonstrationen
       unter dem „-gida“-Label gab es nicht; auch rechtsextreme Parteien waren in
       der brandenburgischen Landeshauptstadt nicht nennenswert aktiv. Doch seit
       einiger Zeit versucht die rechtsextreme Szene verstärkt, hier Anhänger zu
       mobilisieren.
       
       Im Potsdamer Lustgarten, wo früher preußische Könige ihre Soldaten in
       bunten Uniformen exerzieren ließen, wollen Rechtsextreme am Mittwoch um
       18.30 Uhr „gegen die Islamisierung des Abendlandes“ aufmarschieren – in
       Potsdam nennt sich das Pogida. Und das ist noch nicht alles: Für die erste
       Februarwoche sind dort an jedem Tag „Abendspaziergänge“ angemeldet.
       
       Allerdings hat sich Pogida den Lustgarten nicht unbedingt ausgesucht: Ihre
       zwei Demonstrationen in den vergangenen zwei Wochen blieben auf dem
       Startpunkt am Bassinplatz in der Innenstadt hängen. Beim ersten
       gescheiterten Protest am 11. Januar hatte die Polizei zudem die Lage
       unterschätzt, wie sie später selbst einräumte. Es waren zu wenige Beamte im
       Einsatz, um die 100 Rechten von den mehreren hundert Gegendemonstranten zu
       trennen. Hastig musste eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei
       herangeschafft werden, um die Pogida-Demonstranten zum Hauptbahnhof zu
       eskortieren.
       
       Viele der „Spaziergänger“ kommen nicht aus Potsdam selbst. Schon beim
       ersten Demoversuch wurde ein Großteil der Teilnehmer mit zwei Bussen aus
       Berlin von einer Bärgida-Demo angeliefert, die dort stattgefunden hatte.
       Einige sollen zum Spektrum der Neonazi-Hooligans gehören. Der Demo-Anmelder
       Christian Müller hatte bei einer von der NPD gesteuerten Anti-Asyl-Aktion
       in Oranienburg um Unterstützung gegen „die rote SA“ geworben. Tatsächlich
       fanden sich unter den Demonstranten auch bekannte NPD-Kader, etwa ein
       Stadtverordneter aus Nauen. Außerdem waren Transparente NPD-naher
       „Abendspaziergänge“ aus dem Landkreis Oberhavel und von Bärgida zu sehen.
       
       Bei der zweiten Demo in der vergangenen Woche war die Polizei dann mit
       einem massiven Aufgebot präsent. Mehr als 1.000 Beamte aus mehreren
       Bundesländern waren im Einsatz. Die Leitung hatte das brandenburgische
       Polizeipräsidium an sich gezogen. Aus Hamburg wurden Wasserwerfer
       herangeschafft. Gegen die etwa 200 Rechten protestierten nach Stadtangaben
       mehr als 1.500 Potsdamer. Ergebnis: Nach gut einer Stunde brach die Polizei
       die Pogida-Kundgebung ab, weil sie deren Sicherheit nicht mehr
       gewährleisten könne, so die Begründung. Zuvor waren Teilnehmer der
       Pogida-Kundgebung auf die Polizeikette zugelaufen, die sie von den
       Gegendemonstranten trennte.
       
       Zum Protest aufgerufen hatte das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“, ein
       zivilgesellschaftliches Netzwerk unter Schirmherrschaft des
       Oberbürgermeisters Jann Jakobs (SPD). Das Bündnis will sich auch weiteren
       Pogida-Demonstranten in den Weg stellen. „Potsdam ist nicht der Platz, an
       dem sich Rechte tummeln können. Wir sind in der Lage, dem immer mit einer
       breiten Bürgerschaft entgegenzusetzen“, sagte Jakobs.
       
       Tatsächlich ist Potsdam für die Rechtsextremen kein leichtes Pflaster. Der
       letzte Versuch einer Demo der NPD liegt mehr als drei Jahre zurück. Sie kam
       damals wegen Tausender Gegendemonstranten nicht von ihrem Startpunkt am
       Hauptbahnhof los. Bei der Landtagswahl machten 571 Potsdamer ihr Kreuzchen
       bei der NPD. Jahrelang hatte sie nicht mal einen Ortsverband. Doch seit
       Herbst versuchen sich die Rechtsextremen wieder zu organisieren. Auf einer
       neu gestalteten Internetseite greifen sie auch lokale Themen auf und
       versuchen, sich bürgernah zu geben.
       
       Stimmung von rechts macht auch die Brandenburger AfD. Unter Landeschef
       Alexander Gauland fährt sie einen Anti-Asyl-Kurs. Seit den
       Silvesterereignissen von Köln hat die Partei plötzlich Frauenrechte als
       ihr Thema entdeckt. Am Freitag organisierte sie eine Kundgebung mit knapp
       100 Teilnehmern vor dem Landtag: „Anti-Gewalt-Kundgebung für die Rechte der
       Frauen“ hieß das. Die Teilnehmer waren ohnehin gekommen: Anschließend fand
       im Landtag der Neujahrsempfang der Landtagsfraktion statt – unter anderem
       war Thüringens AfD-Chef und Rechtsausleger Björn Höcke zu Gast.
       
       25 Jan 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Zschieck
       
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