# taz.de -- Rechter Internetversand Midgård gehackt: Nazi-CDs ins Ministerium bestellt
> Hacker haben Bestelllisten eines rechtsextremen Versandes veröffentlicht.
> Auch ein Mitarbeiter des niedersächsischen Umweltministeriums ist darauf.
IMG Bild: Kann man bei Midgård bestellen: CDs der Rechtsrocker Gegenschlag und der NS-Blackmetaller Fyrdung
Hamburg taz | Das Angebot des Internetversandes ist breit – zugleich aber
auch eng gefasst. Bei Midgård kann die CD „Weisse Wölfe – Die
faschistischen 4“ bestellt werden, oder Hoodies mit der Aufschrift „Defend
Europe – My Land – My Brothers – My Heritage“. Oder Baseballschläger mit
der Aufschrift „Tolerant Today – Dead Tomorrow“. Seit Jahren liefert der
rechtsextreme Szeneversand aus Schweden das gesamte Rechtsrock-,
Modemarken- und Merchandising-Programm, das die Szene wünscht.
Auch Oliver P., Mitarbeiter im niedersächsischen Umweltministerium,
bestellte bei dem Versand aus Alingsås. „Sicherlich“ habe er bei dem
Versand „mal bestellt“, bestätigt P. der taz. Rechtsextrem sei er aber
nicht.
In den vergangenen Tagen wurde der Versand von Martin Flennfors und Martin
Engelin gehackt. Rund 20.000 Bestellungen [1][stellte ein
antifaschistisches schwedisches Hacker-Kollektiv online]. Das
Kundenregister umfasst die Jahre 2017 bis 2022. Die Kunden bestellten aus
ganz Europa. Seit 1994 besteht Midgård, an die 2.700 Produkte will der Shop
nach eigenen Angaben im Programm haben. So auch das Buch des
Holocaust-Leugners Thies Christophersen, „Ich war in Auschwitz“, und
Hitlers „Mein Kampf“.
## Betreiber sind bei der „Nordischen Widerstandsbewegung“
Die Betreiber von Midgård wollen aber nicht bloß Geld mit Rechtsrock-Fans
machen. Sie gehören selbst zur Szene. Engelin sei ein „prominentes
Mitglied“ der [2][„Nordischen Widerstandsbewegung“] („Nordic Resistance
Movement – NRM“) schreibt das Hacker-Kollektiv, dass ab 2017 schon
Kundendaten von weiteren rechtsextremen Versandhändlern veröffentlichte.
[3][Das NRM soll in Schweden mehrere Hundert Mitglieder haben], antwortete
die Bundesregierung 2022 auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der
Linken.
Die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ in Deutschland unterhält
langjährige Kontakte zu NRM. Sie beteiligen sich gegenseitig an
Aufmärschen. Weitere Angaben zu bundesdeutschen Kontakten möchte die
Bundesregierung nicht machen, auch um die „Arbeitsweise“ des
Verfassungsschutzes zu schützen. Kurz: V-Leute dürften gedeckt werden.
Den gehackten Daten ist zu entnehmen, dass Oliver P. von 2018 bis 2022 19
Bestellungen aufgegeben hat. Als Adresse gab er auch die seiner
Arbeitsstelle im Ministerium an. Per Post kam etwa eine CD von Erich Kemper
mit dem Lied „Wir wollen klare Beweise (Auschwitz-Lüge)“ und eine von der
Gruppe „Tätervolk“ mit dem Stück „In brauner Uniform“.
Einzelne Kontakte zum Rechtsrockmilieu streitet P. gegenüber der taz nicht
ab. Sie lägen aber weit zurück, behauptet der 54-Jährige, der auch selbst
Musiker ist. Ende der 1980er-Jahre sei er aus „musikalischen Gründen“ auch
[4][mit dem Rechtsrock-Musiker Daniel Giese] befreundet gewesen. Er habe
damals zwei Metal-Fanklubs geleitet, führt er aus.
Giese spielte zu der Zeit in einer Metalband namens „Saccara“, welche
später zur Rechtsrockband wurde. Oliver P. pflegte Briefkontakt mit ihm.
Giese – bekannter als „Gigi“ – veröffentlichte mit den „Braunen
Stadtmusikanten“ 2010 den Song „Döner-Killer“, der vor der Selbstenttarnung
des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) dessen Mordserie musikalisch
feierte.
## Name auf der Grußliste
P. räumt gegenüber der taz ein, dass sich sein Name auf zwei der ersten
Saccara-Alben auf der Grußliste befand. Einige der Alben seien als Bootleg
in Vinylform, teils als limitierte Picture Disc wiederveröffentlicht
worden. Das Layout entspräche „1:1 den Originalpressungen, inklusive der
Grußlisten“, schreibt P., und weiter: „Und da war es für mich klar, dass
ich diese Scheiben haben muss. Wann hat man seinen Namen schon auf ’ner
Picture Disc?“
Kontakt zu Giese und einem weiteren Rechtsrocker will P. seit zwanzig
Jahren nicht mehr haben. [5][Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs] sieht
das kritisch: „Wenn seine gesammelten Bestellungen vor allem auf
‚Freundschaften‘ beruhen, dann ist er offenbar mit Köpfen der ‚Crème de la
Crème‘ der internationalen Rechtsrock-Szene befreundet“. P. betont: „Meine
Gesinnung ist alles andere als rechts“ und führt mit an: „Meine beste
Freundin ist eine argentinische Transaktivistin, mein kompletter
Freundeskreis besteht aus Menschen der Hannoverschen Gothic Szene.“
In einem „Naziladen“ bestellt zu haben, sei ihm „natürlich nicht verborgen“
geblieben. Doch Midgård sei „einfach immer der Versand gewesen, der schnell
und unkompliziert“ lieferte. Den einzigen Vorwurf, den er glaubt, sich
machen zu müssen, sei, dass es ihm „manchmal so gleichgültig“ sei, wo er
etwas bestelle: „Das ist so wie beim Essen. Schlechtes Gewissen bei jeder
Currywurst, aber das Fleisch ist eben schwach.“
Hindrichs betont indes, diese Bestellungen „lediglich mit
‚Gleichgültigkeit‘ abzutun“, sei „schon dreist“. Diese Gleichgültigkeit
löst nun Nachfragen beim niedersächsischen Umweltministerium aus. Eine
„schnelle und zugleich umfassende Aufklärung“ habe schon begonnen, sagt ein
stellvertretender Pressesprecher des Ministeriums.
7 Dec 2023
## LINKS
DIR [1] https://midgard.antifa.se/register/
DIR [2] /Rechte-Gewalt-in-Schweden/!5377943
DIR [3] https://dserver.bundestag.de/btd/20/011/2001165.pdf
DIR [4] /Volksverhetzende-Musik/!5969119
DIR [5] /programm/2019/HeimatEuropa/de/speakers/1242.html
## AUTOREN
DIR Andreas Speit
DIR Andrea Röpke
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