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       # taz.de -- Rechtes Politmagazin „Tichys Einblick“: Dreimal „deutsch“ in einem Satz
       
       > Das Heft soll Merkel-Gegner ansprechen, ohne nach Pegida zu klingen. Das
       > misslingt „Tichys Einblick“ – sieht aber nicht übel aus.
       
   IMG Bild: Rechts, aber intellektuell – so will „Tichys Einblick“ wirken
       
       Rechtsextreme Gewalt? Statistisch aufgeblasen. Sexismus in der CDU? Das
       behaupten nur Berliner Mäuschen, die Karriere machen wollen. Und Mutti?
       Mutti muss weg.
       
       Seit letzter Woche steht das neue politische Meinungsmagazin Tichys
       Einblick am Kiosk. Es richtet sich an Liberale und Konservative, die sich
       nicht mehr mit dem Kurs der Groko und der Merkel-CDU identifizieren. Einen
       rechtspopulistischen Einschlag konnte man jedoch nicht vermeiden – sofern
       man das versucht hat.
       
       Tichys Einblick ist ein Blog, das der Ex-Wirtschaftswoche-Chefredakteur und
       BamS-Kolumnist Roland Tichy im Frühjahr 2015 gegründet hat. Eine Handvoll
       StammautorInnen schrieben regelmäßig und – nach Angaben des Magazins –
       unbezahlt. Dazu gehören unter anderem der Ex-FAZ-Herausgeber Hugo
       Müller-Vogg, die Publizistin und Gender-Kritikerin Bettina Röhl sowie der
       ZDF-Journalist Wolfgang Herles.
       
       Nun erscheint zum Blog einmal monatlich ein Printheft. Die erste Ausgabe
       startet mit einer gedruckten Auflage von 70.000 – allerdings sind bislang
       nur ein Bruchteil davon Abos. Das Heft kostet acht Euro, hat knapp hundert
       Seiten und enthält vor allem Beiträge, die bereits auf der Webseite
       erschienen sind. Optisch macht das Produkt was her: viel Weißraum, frische
       Fonts – über das Roland-Tichy-Konterfei als Logo ließe sich aber streiten.
       
       ## Ein bisschen viel Verwirrung
       
       „Verwirrtes Land“ heißt die Ausgabe. Ebenfalls so betitelt sind das
       Editorial und ein vierseitiger Debattenbeitrag von Tichy selbst. Ein
       bisschen viel Verwirrung auf einmal.
       
       Im Editorial arbeitet sich Tichy zunächst an altbekannten Themen ab: Der
       Berliner Flughafen wird nicht fertig. Die Verteidigungsministerin kümmert
       sich lieber um Transgender-SoldatInnen als um funktionierende Waffen. Heiko
       Maas gibt linken Stiftungen zu viel Geld – und der Mittelstand ist in
       Gefahr. Klingt nach einem herkömmlichen konservativen Stoßgebet.
       
       Wenige Seiten später aber wird es schon weniger harmlos. Hier schreibt
       Tichy von „syrischen Schergen“, die ins Land kämen. Und behauptet, Medien
       und Regierung manipulierten den Diskurs, indem sie alle Zuwanderer als
       „Flüchtlinge“ bezeichneten – „damit alle Anspruch zumindest auf Überprüfung
       ihres Anspruchs auf Asyl haben“.
       
       Eine Tatsachenverdrehung, denn das Recht, einen Asylantrag zu stellen,
       besteht unabhängig davon, wie man bezeichnet wird.
       
       ## Worthülsen, Panikmache, Merkel-Bashing
       
       Das Magazin gibt sich intellektuell, besteht allerdings oft aus Worthülsen,
       die um Panikmache und Merkel-Bashing herumdrapiert sind. Vom Beitrag von
       Bettina Röhl bleibt, streicht man die inhaltsleeren Metaphern, nur eine
       Aussage übrig: „Die deutsche Parallelgesellschaft der Deutschen mit
       deutschem Hintergrund in der Minderheit“ werde den Generationenvertrag
       nicht einhalten können.
       
       Zwar deutet nichts darauf hin, dass es zu einer solchen Konstellation
       demnächst kommt. Zwar ist der Generationenvertrag mitnichten erst durch die
       Einwanderung bedroht. Aber dreimal das Wort „deutsch“ in einem Satz zu
       verwenden hat eben etwas Befreiendes.
       
       Ein neues liberal-konservatives Magazin wäre eine Chance, entfremdete
       Konservative abzuholen und sachliche Debatten zu liefern. Stattdessen
       reproduziert Tichys Einblick die alten rechtspopulistischen Muster:
       Probleme (Einwanderung) werden rhetorisch aufgeblasen statt angepackt. Der
       Gegner (Merkel) ist eindeutig – und ein mystisches Gut (Deutschland) ist in
       Gefahr. Das ist nicht besonders originell. Aber immerhin gibt’s das jetzt
       in ansprechendem Design.
       
       Richtigstellung: In einer früheren Version unseres Beitrages hieß es: „Und
       jeder Antrag wird natürlich geprüft – selbst wenn man die Antragstellenden
       als, sagen wir, `Millionenheer von Merkel-Flüchtlingen` bezeichnet, wie
       Müller-Vogg es einige Seiten später tut. In seiner Kolumne, die
       zweideutigerweise `Gegen den Strom` heißt, warnt der Ex-FAZler vor
       `Casablancas am Rhein` und bilanziert: `Innerhalb eines Jahres ist
       Deutschland ein fremdes Land geworden für die, die hier schon vorher
       lebten.`“ 
       
       Da haben wir geirrt: Diese Zitate stammen nicht von Müller-Vogg, sondern
       von Tichy selbst. Unser Fehler tut uns leid. 
       
       Die Redaktion
       
       19 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
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