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       # taz.de -- Rechtsstaat unter Donald Trump: Kampf um die Grenzen der Macht in den USA
       
       > Gerichte haben etliche der Dekrete von US-Präsident Donald Trump
       > vorläufig gestoppt. Sein Vize J.D. Vance bezweifelt, dass sie das
       > überhaupt dürfen.
       
   IMG Bild: Kleine Hände, viele Unterschriften, wenig Rechtsstaat: Donald Trump am Schreibtisch im Weißen Haus
       
       Berlin taz | Drei Wochen nach Donald Trumps erneuter Amtseinführung
       befindet sich die von ihm geführte US-Regierung in einem Kampf mit den
       Gerichten des Landes, wie ihn die USA so noch nicht erlebt haben.
       
       Neu ist daran nicht, dass Richter*innen die eine oder andere Verordnung
       eines Präsidenten per einstweiliger Anordnung stoppen und anschließend –
       womöglich in mehreren Instanzen – in der Sache entschieden wird. Neu ist,
       dass die Regierung solche gerichtlichen Verfügungen ignoriert und
       öffentlich anzweifelt, dass Gerichte das überhaupt dürfen.
       
       Jüngstes Beispiel: Der Versuch der Trump-Regierung, per Dekret rund drei
       Billionen Dollar öffentlicher Ausgaben für verschiedene soziale Bereiche
       komplett einzufrieren, wurde genauso [1][von Bundesrichtern vorerst
       gekippt] wie die [2][Auflösung der US-Entwicklungsorganisation USAID] samt
       der Entlassung ihrer Mitarbeiter*innen.
       
       Aber die Zahlungen blieben gestoppt, und am Montag musste Richter John J.
       McConnell Jr. vom Bundesgericht in Rhode Island das Weiße Haus daran
       erinnern, dass er bereits am 29. Januar den Ausgabenstopp für ungültig
       erklärt hatte. Seine Verfügung, schrieb er, sei „klar und unzweideutig“
       gewesen. Erst jetzt klagte die Regierung beim zuständigen Berufungsgericht
       gegen McConnells Entscheidung – was der normale Weg wäre, um ein Vorhaben
       gegen eine untere Instanz durchzubringen.
       
       ## Dekrete können nicht gegen Gesetze verstoßen – oder?
       
       Dabei scheint die Rechtslage eigentlich recht eindeutig: Wenn Ausgaben und
       Programme auf vom Kongress verabschiedeten Gesetzen beruhen, dann ist die
       Regierung dazu verpflichtet, sie umzusetzen und kann sie nicht als
       Exekutive allein stoppen.
       
       Das gilt im Übrigen – Kern eines Rechtsstaats – für alle Gesetze: Sie sind
       bindend. Dekrete kann ein Präsident erlassen und der nächste zurücknehmen.
       Was aber der Kongress verabschiedet hat, kann auch nur der Kongress
       zurücknehmen. Wohl nur deshalb wurde Obamas Gesundheitsreform (Obamacare)
       unter Trump nicht abgeschafft. Und nur deshalb etwa konnte Barack Obama
       zwar seinerzeit die Beziehungen zu Kuba öffnen, das Wirtschaftsembargo aber
       nicht abschaffen: Es ist im Helms-Burton-Act von 1996 gesetzlich geregelt.
       
       Insbesondere Trumps Vizepräsident J.D. Vance allerdings will überhaupt
       nicht einsehen, dass die Exekutive an irgendwelche Regeln gebunden sein
       sollte und Richter deren Einhaltung überprüfen könnten: Es sei „Richtern
       nicht erlaubt, die legitime Macht der Exekutive zu kontrollieren“, schrieb
       Vance am Sonntag auf X.
       
       Harrison Fields, ein Sprecher des Weißen Hauses, ging nicht ganz so weit,
       sagte allerdings: „Jedes Dekret wird die Gerichte überstehen, denn alle
       Handlungen der Trump-Vance-Regierung sind vollständig legal. Jede
       gerichtliche Anfechtung dagegen ist nichts anderes als ein Versuch, den
       Willen des amerikanischen Volkes zu untergraben.“
       
       ## Bislang rund 40 Verfahren gegen Trumps Politik
       
       „Es ist sehr ungewöhnlich, dass sich ein Präsident nicht an eine
       gerichtliche Anordnung hält“, sagt Victoria Nourse vom Georgetown Law
       Center on Congress and Democracy der New York Times. „Es ist Teil eines
       Schemas, in dem Präsident Trump versucht, eine Autorität zu beanspruchen,
       die er nicht hat.“
       
       Angesichts Trump-loyaler republikanischer Mehrheiten in beiden
       Kongresskammern bleibt es derzeit also an den Gerichten, den Präsidenten in
       die Schranken zu weisen. Gegen Trumps Politik der ersten drei Wochen sind
       derzeit bereits rund 40 Gerichtsverfahren anhängig. Kläger*innen sind
       Generalstaatsanwälte demokratisch geführter Bundesstaaten,
       Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften.
       
       Vorläufig von Gerichten geblockt sind bislang neun von [3][Trumps
       Dekreten]: etwa sein Versuch, das im 14. Verfassungszusatz verbriefte Recht
       auf US-Staatsbürgerschaft für in den USA Geborene abzuschaffen, der
       Transfer von weiblichen trans* Häftlingen in Männer-Gefängnisse, der Druck
       auf Bundesangestellte, binnen kürzester Frist freiwillig zu kündigen und
       andere mehr.
       
       Noch nicht entschieden sind mehrere Klagen wegen des Konstrukts und der
       Befugnisse von [4][Elon Musks „Behörde für Regierungseffizienz“], der
       Abschiebeoffensive und der Säuberungsaktionen in der staatlichen
       Verwaltung.
       
       Das ist zwar ungleich viel mehr an Rechtsstreitigkeiten als je eine
       US-Regierung in den ersten paar Tagen ihrer Amtszeit hervorgebracht hat.
       Aber der Ablauf ist eigentlich normal – es sei denn, die Regierung
       ignoriert die Gerichte einfach. Dafür gibt es keinen Präzedenzfall. Es
       droht eine tiefe Verfassungskrise mit ungewissem Ausgang.
       
       11 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
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