URI: 
       # taz.de -- „Reform“ des Davis Cup: Das ist das Ende des alten Tennis
       
       > Alles neu im Davis Cup – mit dem Geld eines Fußballstars, der
       > Unterstützung des Weltverbands und gegen den Willen der Spieler und Fans.
       
   IMG Bild: 2014 gewann die Schweiz den Davis Cup
       
       Orlando taz | Es war ein leicht bizarres Bild, als Gerard Piqué am
       Donnerstag vor den Konferenzsälen des Ritz-Carlton in Orlando einigen
       steifen Topfunktionären des Tennis-Weltverbands ITF ausgelassen um den Hals
       fiel. Ganz so, als finde in der Fünf-Sterne-Herberge eine rauschende
       Fußball-Siegesfeier statt.
       
       Piqué, für ein paar Stunden von seinem Arbeitgeber FC Barcelona von den
       eigentlichen Dienstpflichten befreit, umarmte erst ITF-Präsident David
       Haggerty, dann auch die mächtige amerikanische Verbandspräsidentin Katrina
       Adams.
       
       Gefeiert wurde, was vielen in der Tenniswelt schwer aufstößt: die
       Beerdigung des 118 Jahre alten Davis-Cup-Wettbewerbs. Und die Einführung
       einer neuen Konkurrenz, die zwar auch noch den Namen Davis Cup tragen soll,
       aber tatsächlich nichts mit alten Inhalten und Werten gemein hat.
       
       „Ein großer, zukunftsweisender Tag“ sei das, erklärte Haggerty, der seine
       Zweidrittelmehrheit auf dem Tenniskongress vor allem mit verlockenden
       Geldversprechen durchbekommen hatte. Genau genommen mit 3 Milliarden
       Dollar, die von Piqué und einer Investorengruppe namens Kosmos kommen
       sollen, über die nächsten 25 Jahre.
       
       Andere rieben sich allerdings die Augen und fragten sich, was da eigentlich
       genau passiert war: Piqué, noch aktiv im Fußballgeschäft, verbündet sich
       mit einem alles in allem undurchsichtigen Investorentrupp, erklärt der
       Tenniswelt, was im Davis Cup schiefläuft. Bekommt die Unterstützung eines
       um seine Macht ringenden Präsidenten des Tennis-Weltverbands und klammer
       Nationalverbände und darf nun einen neuen Wettbewerb ausrichten, den die
       meisten Profispieler ablehnen.
       
       ## Geld für drei Jahre
       
       „Kosmos ist so transparent, dass es nicht einmal eine Website besitzt“,
       lästerte ein ehemaliger australischer Tennisfunktionär über die neuen
       mächtigen Geldgeber. Tatsächlich stellen sich hier die drängendsten Fragen
       zu dem vermeintlichen Milliardendeal: Wie viel sind die Garantien, die
       Kosmos den Tennischefs gegeben hat, eigentlich wert? Und über welchen
       Zeitraum bestehen diese Garantien überhaupt?
       
       Gesichert seien die Zahlungen tatsächlich nur für drei Jahre, sickerte aus
       Kreisen der Opposition heraus, der Weltverband habe kaum „substanzielle
       Papiere“ zu der neuen Allianz auf den Tisch gelegt. „In fünf Jahren ist das
       Ganze tot, spätestens“, sagte der ehemalige britische Profi und heutige
       TV-Kommentator Mark Petchey.
       
       Nicht wenige erinnert die Liaison der ITF mit Kosmos an den später
       krachend gescheiterten Deal, den die Profispielervereinigung ATP mit der
       Firma ISL um die Jahrhundertwende geschlossen hatte. Doch der sogenannte
       neue Davis Cup braucht nicht einmal an Finanzierungsproblemen zu scheitern,
       er könnte einfach an fehlender Akzeptanz schleichend dahinsiechen.
       
       Schon jetzt haben viele Profis ihre Ablehnung für das geplante Endturnier
       im November deutlich gemacht, darunter auch Deutschlands Nummer eins,
       Alexander Zverev. Zudem könnte sich ein noch schwerwiegenderer Konflikt
       entfalten, wenn nationale Verbände ihre bisher nur klammheimlichen
       Boykottabsicht wahr machen. Wie reagiert dann die ITF? Mit Ausschluss?
       Sogar den einer Grand-Slam-Nation wie Australien?
       
       ## Aufgeheizte Stimmung
       
       Dort jedenfalls ist die Stimmung schwer aufgeheizt gegen den Weltverband
       und seinen Boß Haggerty. „Die ITF hat nun eine große Verantwortung, die
       große Tradition des Davis Cup auch im neuen Format irgendwie zu bewahren“,
       schrieb der Nationalverband Tennis Australia. Der Schauplatz Australien
       könnte indirekt auch Schicksal spielen für den Weltverband ITF und seine
       Alliierten um Piqué. Denn der von der ATP zum Jahresbeginn lancierte World
       Team Cup – der Nachfolger des Düsseldorfer Events – steht in direkter
       Konkurrenz zu dem neuen Teamwettbewerb im November.
       
       Selbst kurz- bis mittelfristig kann nach Ansicht von Sportmarketingexperten
       und Szenebeobachtern nur einer der beiden Wettbewerbe überleben – es liegt
       allerdings auf der Hand, dass die ATP-Veranstaltung zu Jahresbeginn
       deutlich größere Chancen hat als der „andere Davis Cup“, der ans Ende
       einer strapaziösen Saison platziert wurde. „Es ist nicht unwahrscheinlich,
       dass kein einziger Top-Ten-Spieler an dieser Davis-Cup-Endrunde teilnehmen
       wird“, prognostiziert der ungarische Verbandschef Attila Richter.
       
       Derweil schanzten sich Haggerty und seine Parteigänger beim ITF-Treffen
       gleich noch weitreichendere Vollmachten zu, um Veränderungen an Davis Cup
       und Fed Cup vorzunehmen. Die Exekutive kann demnächst ohne lästigen
       Abstimmungskitzel weitere Änderungen durchdrücken. Kein Wunder, dass sich
       immer mehr Experten an Verhältnisse erinnert fühlen, die man vom
       Weltfußballverband Fifa kennt.
       
       17 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Allmeroth
       
       ## TAGS
       
   DIR Davis-Cup
   DIR Tennis
   DIR Tennis
   DIR Tennis
   DIR Novak Djokovic
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Alternativen zur Fußball-WM in Katar: Auch rund, aber klein und gelb
       
       Beim Finaltunier des Davis Cups kommt es auf die Mannschaftsleistung an.
       Das könnte auch Fußballfans gefallen, die die WM boykottieren.
       
   DIR Veränderungen beim Davis Cup: Dicke Geldpakete gegen die Zweifel
       
       Der Tennis-Weltverband will den Davis Cup radikal reformieren. Profis und
       Landesverbände halten nichts davon. Am Donnerstag wird abgestimmt.
       
   DIR Boris Becker über Davis Cup: „Das machen die Topleute nicht mit“
       
       Boris Becker erklärt, warum der Davis Cup in seiner jetzigen Form überholt
       ist und warum Niki Pilic dem deutschen Tennis-Team hilft.