URI: 
       # taz.de -- Regierung bricht Versprechen: Stromsteuer sinkt nur für die Industrie
       
       > Die Bundesregierung wollte die Stromsteuer für alle Unternehmen und
       > Privatleute deutlich drosseln. Jetzt bricht sie dieses Versprechen.
       
   IMG Bild: Würde gerne die deutschen Klimaziele aufweichen: Katherina Reiche (CDU)
       
       Berlin/Bonn taz | Verbraucherschützer:innen und die Opposition im
       Bundestag sind empört: Die Bundesregierung will anders als versprochen die
       Stromsteuer für Privathaushalte, Handwerk und Dienstleister nicht senken.
       Stattdessen sollen die Abgaben nur für die Industrie und die Landwirtschaft
       gesenkt werden. Das hat Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche am
       Dienstag beim Jahreskongress des Bundesverbands der deutschen Industrie
       (BDI) angekündigt.
       
       Federführend bei der Stromsteuer ist nach Angaben des
       CDU-Wirtschaftsministeriums allerdings das von Lars Klingbeil (SPD)
       geführte Finanzministerium. Das Finanzministerium hätte keine weiteren
       Spielräume für eine Entlastung der Verbraucher:innen gesehen, hieß es
       aus Regierungskreisen.
       
       Die Strompreise sind im europäischen Vergleich in Deutschland hoch. Das
       belastet vor allem energieintensive Unternehmen und ist auch ein Grund für
       die anhaltende Wirtschaftsflaute in Deutschland. Verbraucher:innen
       leiden ebenfalls unter den hohen Kosten. [1][Nach Angaben des Freiburger
       Öko-Instituts können 10 Prozent der deutschen Haushalte nicht ausreichend
       heizen oder werden durch Energiekosten stark belastet]. Auch auf die
       klimagerechte Wärme- und Verkehrswende haben die hohen Kosten Auswirkungen.
       Den schleppenden Absatz von E-Autos oder Wärmepumpen als Alternative zu
       fossilen Heizungen führen Branchenkenner:innen unter anderem auf den
       hohen Strompreis zurück. Denn er hält Verbraucher:innen von einem
       Umstieg ab.
       
       Union und SPD haben niedrigere Energiekosten für alle versprochen. In ihrem
       Koalitionsvertrag haben sie dazu unter anderem [2][die Senkung der
       Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß] vereinbart, und zwar sowohl für
       Unternehmen als auch für Privathaushalte. Jetzt sollen nur noch Industrie
       und Landwirtschaft entlastet werden – Verbraucher:innen, Handwerk und
       Dienstleister nicht. Bei der Entlastung für Industrie und Landwirtschaft
       gehe es um 3 Milliarden Euro, sagte Reiche am Mittwoch bei der Befragung
       der Bundesregierung im Bundestag. Privathaushalte und andere Verbrauchende
       würden von der weiterhin geplanten Senkung der Netzentgelte und der
       Befreiung von der Gasspeicherumlage profitieren, sagte sie. Unabhängig von
       der Stromsteuer will die Regierung großen Unternehmen auch noch mit einem
       speziellen subventionierten Industriestrompreis helfen, für den die EU am
       Mittwoch den Weg frei gemacht hat.
       
       ## Kritik von Verbraucherschützern
       
       Sollte die Bundesregierung die Stromsteuer für Privathaushalte nicht
       senken, wäre der Vertrauensverlust immens, sagte Ramona Pop, Chefin des
       Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). „Die Entlastung der Menschen bei
       den Energiepreisen war eines der zentralen Wahlversprechen der
       Koalitionsparteien“, sagte sie. „Vor diesem Hintergrund ist es
       inakzeptabel, dass Verbraucher:innen bei der Senkung der Stromsteuer
       leer ausgehen sollen.“
       
       Auch die Grünen und die Linkspartei kritisieren die ausbleibende
       Entlastung. „Frau Reiche fällt durch die Absage der Stromsteuersenkung
       Millionen von Menschen, die auf moderne klimafreundliche Wärmepumpen und
       Elektroautos setzen, in den Rücken“, sagte die Vizevorsitzende der grünen
       Bundestagsfraktion, Julia Verlinden. „Um von Reiches Lobbypolitik zu
       profitieren, muss man anscheinend ein fossiler Konzern sein.“
       
       Die Linksfraktion hält es „für skandalös“, dass die „einzige wirksame
       Entlastung für Verbraucher“ aus dem Koalitionsvertrag doch nicht komme,
       sagte deren energiepolitischer Sprecher Jörg Cezanne. „Die noch junge
       Bundesregierung verspielt damit das Vertrauen der Menschen, die die Union
       und SPD beim Wort genommen haben und spürbare Erleichterungen bei den
       Lebenshaltungskosten erwarten.“
       
       ## Zweifel an deutschem Klimaziel
       
       Bei ihrem Auftritt vor Industrievertreter:innen am Dienstag hatte
       Reiche auch Zweifel an dem Ziel angemeldet, Deutschland bis 2045
       klimaneutral zu machen. Deutschland müsse in Bezug auf s[3][eine
       Klimaziele] flexibler werden, forderte sie. Das EU-Ziel für
       Klimaneutralität sei 2050. „Ich glaube, eine Harmonisierung mit
       internationalen Zielen täte gut.“ Das im Koalitionsvertrag von Union und
       SPD festgehaltene Ziel für 2045 wolle sie aber nicht infrage stellen.
       
       Reiches Aussage ist ein weiterer Vorstoß aus dem konservativen Lager, die
       deutschen Klimaziele aufzuweichen. Neben dem früheren BDI-Chef Siegfried
       Russwurm hat sich auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU)
       gegen das Klimaziel 2045 ausgesprochen.
       
       „Die Zieldebatte jetzt neu aufzumachen, ist nicht hilfreich“, kritisiert
       Brigitte Knopf, Direktorin der Denkfabrik Zukunft KlimaSozial und Mitglied
       des Expert:innenrats, der die Bundesregierung in Klimafragen berät. „Es
       führt davon weg, was konkret in den nächsten fünf bis zehn Jahren für den
       Klimaschutz getan werden muss.“
       
       25 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] ttps://www.oeko.de/news/aktuelles/energiearmut-vulnerabilitaet-und-klimaschutz-massnahmen-zur-unterstuetzung-betroffener-haushalte/
   DIR [2] /Strompaket-der-neuen-Regierung/!6081588
   DIR [3] /Klimaschutzziele/!t5014124
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
   DIR Jonas Waack
       
       ## TAGS
       
   DIR Strom
   DIR Energie
   DIR Bundesregierung
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Social-Auswahl
   DIR Stahl
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Lars Klingbeil
   DIR Mütterrente
   DIR Bundesregierung
   DIR wochentaz
   DIR Bücher
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Wirtschaftsministerium
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Krise der Industrie: Deutschland stellt viel weniger Stahl her
       
       Die Produktion des Werkstoffs ist im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum
       Vorjahr eingebrochen. Die Branche fordert Hilfe der Politik.
       
   DIR Haushaltspläne von Schwarz-Rot: Milliarden für Fossile aus dem Klimafonds
       
       Die Bundesregierung will, dass die Gasumlage nicht mehr von Verbrauchern
       bezahlt wird – sondern aus dem Klimatopf. Die Grünen sind empört.
       
   DIR Schwarz-rotes Stromsteuer-Fiasko: Vertrauen im Eiltempo verspielt
       
       Mit der Kehrtwende bei der Stromsteuer haben Merz und Klingbeil großen
       politischen Schaden angerichtet – und konnten ihn nicht mal gut begründen.
       
   DIR Koalition erzielt keine Einigung: Keine Senkung von Stromsteuer für private Verbraucher
       
       Nach stundenlangen Verhandlungen konnte sich die Bundesregierung nicht
       darauf einigen, die Stromkosten für alle zu senken. Bei der Mütterrente gab
       es dagegen eine Einigung.
       
   DIR Schwarz-Rot streitet über Stromsteuer: Erste Belastungsprobe für die Koalition
       
       Die Union will die Abgabe nicht nur für die Industrie, sondern auch für
       Privatverbraucher senken. Klingbeil und Merz verweisen auf die
       Haushaltslage.
       
   DIR Rollback ins fossile Zeitalter: Die neue Gas-Ministerin
       
       Weniger Wasserstoff, Kritik am Klimaziel, ein Trick, um Erneuerbare
       abzuwürgen: Legt Wirtschaftsministerin Katherina Reiche die Axt an die
       Energiewende?
       
   DIR Untersuchung der Stiftung Warentest: E-Book ökologischer als Papier-Buch
       
       Bücher lesen auf Papier oder digital? Für manche ist das eine Kulturfrage.
       Was die Ökobilanz angeht, gibt es nun eine eindeutige Antwort.
       
   DIR Klimaschädliche Subventionen: Milliarden ins Klima-Feuer
       
       Schwarz-Rot will laut Umweltschützern klimaschädliche Maßnahmen mit bis zu
       15 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen. Profitieren würde die Industrie.
       
   DIR Wirtschaftsministerin Katherina Reiche: Energisch, ostdeutsch, konservativ
       
       Ohne Karenzzeit wird die Energiemanagerin Katherina Reiche
       Bundeswirtschaftsministerin. Wohin ihre Politik geht? Zurück zur fossilen
       Energie.
       
   DIR Schwarz-rote Milliarden für Unternehmen: Industriestrompreis steht auf der Kippe
       
       Das Wirtschaftsministerium fürchtet Widerstand aus der EU gegen den
       Industriestrompreis. Die Idee verstößt vielleicht gegen Wettbewerbsregeln.