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       # taz.de -- Regierung spricht mit Landwirten: Lindner macht Bauern den Hof
       
       > Bei der Bauerndemo in Berlin wird Finanzminister Lindner gnadenlos
       > ausgebuht. Auch ein Gespräch mit den Ampelfraktionen bringt keine
       > Einigung.
       
   IMG Bild: Protest in Berlin am 15. Januar. „Die Geißel unsers Landes“ sind für den Fahrer Olaf Scholz, Robert Habeck und Annalena Baerbock
       
       Wie dialogbereit manche LandwirtInnen wirklich sind, hat sich bei der
       Bauerndemo am Montag in Berlin gezeigt: Von dem Moment an, als er ans
       Rednerpult trat, wurde Bundesfinanzminister Christian Lindner lautstark
       beschimpft und ausgebuht. Sogar nachdem Bauernverbandspräsident Joachim
       Rukwied die Menge aufforderte, „ruhiger zu sein“.
       
       „Zur Demokratie gehört die Diskussion und da gehört das Zuhören dazu“,
       sagte Rukwied, aber das Pfeifen und Hupen stoppte nicht. Lindner musste
       brüllen, um sich einigermaßen Gehör zu verschaffen. Trotzdem war der
       FDP-Politiker einige hundert Meter entfernt von der Bühne am Brandenburger
       Tor kaum zu verstehen.
       
       Einem großen Teil der rund 8.500 TeilnehmerInnen an der Demonstration von
       Landwirtschaft und Transportgewerbe gegen die Sparpläne der Bundesregierung
       war das offensichtlich egal. Sie riefen lieber „Hau ab!“, „Die Ampel muss
       weg“ oder „Lügner“. Selbst als Lindner sich auf Kosten „der Klimakleber“
       bei den Landwirten anbiederte, übertönten sie ihn weiter.
       
       Die Klimaaktivisten hätten [1][das Brandenburger Tor beschmiert], sagte der
       Minister, die Bauern hätten es „geehrt“. Die Medien sollten vor einer
       Unterwanderung der Klimabewegung durch Linksextremisten warnen, verlangte
       Lindner nach den Berichten darüber, dass Rechtsextremisten die
       Bauernproteste nutzten. Besonders laut wurden die Pfiffe, als Lindner auch
       mit dem russischen Angriff auf die Ukraine begründete, weshalb der Bund
       sparen müsse.
       
       ## Vage Versprechungen
       
       Der Finanzminister hatte keine große Chance bei den Landwirten, weil er
       ihnen nicht viel anbot. Ihre zentrale Forderung ist, dass sie weiter einen
       Rabatt bei der Energiesteuer auf Agrardiesel bekommen. „Es soll und es darf
       kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben“, sagte Lindner. „Aber alle
       müssen ihren Beitrag leisten.“
       
       Auch etwa der Flugverkehr werde künftig mit einer neuen Abgabe belastet und
       es werde Kürzungen der Leistungen für Asylsuchende und Bürgergeldempfänger
       geben. Staatshilfen und die Mehrwertsteuerreduzierung für die Gastronomie
       würden enden. Er wies zugleich darauf hin, dass es jährlich 9 Milliarden
       Euro Förderung aus Brüssel und Berlin gebe.
       
       Zudem habe die Bundesregierung die ursprünglich geplante Streichung der
       [2][Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte zurückgenommen] und die Abschaffung
       der Agrardieselsubvention verschoben. „Ihr Protest war also bereits
       erfolgreich“, so Lindner.
       
       Er machte den Bauern vage Versprechungen, gegen zu strenge Umwelt- und
       Tierschutzregeln zu kämpfen. „Wenn der Agrardiesel ausläuft, dann müssen
       Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen“, ergänzte er.
       Lindner lehnte auch Vorschriften ab, wonach Landwirte auf einem Teil ihrer
       Agrarfläche der Natur Vorrang lassen müssen, wenn sie Subventionen bekommen
       wollen. Zu prüfen seien auch Erleichterungen bei der Einkommensteuer, wenn
       Gewinne von Jahr zu Jahr stark schwanken.
       
       ## Rukwied heißt Stimmung an
       
       Bauernchef Rukwied hatte die Stimmung vor Lindners Rede angeheizt, indem er
       sich kompromisslos zeigte. „Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge
       zurück, dann ziehen wir uns zurück“, sagte Rukwied an die Adresse der
       Ampelkoalition. So lange die Sparpläne nicht vom Tisch seien, würden die
       Bauern ihr Demonstrationsrecht weiter in Anspruch nehmen, die wieder mit
       Tausenden von Traktoren nach Berlin-Mitte gekommen waren. Die Regierung
       müsse woanders sparen als beim Mittelstand, den Handwerkern oder Bauern.
       
       Zum anschließenden Austausch mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen
       und FDP im Bundestag kamen die Bauernvertreter:innen zu spät – wegen
       der blockierten Straßen. In puncto Agrardieselsubvention gab es keinerlei
       Annäherung. Einigkeit herrschte aber, dass es darüber hinaus ein größeres
       Paket brauche, um den Landwirt:innen Planungssicherheit und eine
       Zukunftsperspektive zu geben.
       
       Bei dem Gespräch wurde Teilnehmer:innen zufolge auch über eine
       Tierwohlabgabe und über fairere Bedingungen entlang der Lieferkette
       gesprochen. Die Ampelfraktionen wollen zum Donnerstag einen Fahrplan mit
       konkreten Schritten vorlegen. „Es mangelt definitiv nicht an Erkenntnissen,
       sondern an der Umsetzung“, so Theresa Schmidt, Bundesvorsitzende der
       Deutschen Landjugend.
       
       Am Samstag wollen [3][Bauern gemeinsam mit Umweltschützern] in Berlin
       demonstrieren. „Wir erwarten am 20. Januar wie auch in den letzten Jahren
       10.000 Demonstrant*innen“, sagte Inka Lange, Sprecherin des „Wir haben es
       satt“-Bündnisses, am Montag. Es fordert mehr Umwelt- und Tierschutz in der
       Landwirtschaft, aber auch „kostendeckende Erzeuger- und faire Bodenpreise“.
       Mitarbeit: Raoul Spada
       
       15 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Klima-Protestaktion-am-Brandenburger-Tor/!5958071
   DIR [2] /Bauernprotest-gegen-Subventionskuerzungen/!5983909
   DIR [3] https://www.wir-haben-es-satt.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
   DIR Jost Maurin
       
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