# taz.de -- Regierungskrise in Buenos Aires: Eine Neue für Argentinien
> Das von Inflation gebeutelte Land bekommt eine Wirtschaftsministerin, die
> Vizepräsidentin Kirchner nahe steht. Die und Präsident Fernández sind
> zerstritten.
IMG Bild: Protest gegen den steigenden Dieselpreis im Juni nahe Rosario
Buenos Aires taz | Argentiniens linksprogressive Regierungsallianz Frente
de Todos (Gemeinsame Front) erhält eine lebensverlängernde Maßnahme:
Nachdem Wirtschaftsminister Martín Guzmán am Samstag überraschend
zurückgetreten war, verkündete die Regierung per Tweet mit Silvina Batakis
die neue Wirtschaftsministerin.
Vorausgegangen waren spannungsgeladene Telefonate zwischen Präsident
Alberto Fernández und Vizepräsidentin Cristina Kirchner. Dass die beiden
überhaupt miteinander sprachen, war der Vermittlung der Vorsitzenden der
Großmütter der Plaza de Mayo, Estela de Carlotto, zu verdanken. Seit
Monaten [1][herrscht Eiszeit] zwischen den beiden.
Kirchner macht Guzmán für das nach ihrer Lesart miserable
Umschuldungsabkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF)
verantwortlich, das unter anderen Einsparungen im Staatshaushalt vorsieht,
um das [2][Defizit bis 2024] auf 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu
reduzieren. Das Abkommen war im März vom Kongress mit den Stimmen der
Opposition angenommen worden, während die Kirchner-hörigen
Parlamentarier*innen dagegen votierten oder sich enthielten.
Seit der Abstimmung verging nahezu keine Woche, in der Kirchner den
Wirtschaftsminister nicht öffentlich abwatschte, während [3][Präsident
Fernández bisher standhaft an Guzmán] festhielt.
## Kürzung staatlicher Subventionen
So richtig angeheizt wurde der Streit durch die geplante Anhebung der
Tarife für Strom und Gas, mit der die staatlichen Subventionen gekürzt und
Einsparungen im Haushalt erreicht werden sollen. Diese belasteten den
Staatshaushalt im vergangenen Jahr mit 12 Milliarden US-Dollar.
Doch während Wirtschaftsminister Guzmán notwendige Vorbereitungen auf den
Weg brachte, verweigerten ihm untergebene, aber politisch Kirchner
nahestehende Staatssekretäre die Umsetzung seiner Vorgaben.
Am Samstag riss Guzmán schließlich der Geduldsfaden. „Ich halte es für
notwendig, dass mein Nachfolger, den vollen Zugriff auf die notwenigen
makroökonomischen Politikinstrumente erhält“, schrieb Guzmán und erklärte
seinen Rücktritt, in dem Moment, als Christina Kirchner live in allen
Nachrichtenkanälen zu sehen war und plötzlich die News von Guzmáns
Rücktritt als Endlosschleife über den unteren Bildrand wanderte.
Nachfolgerin Silvina Batakis war von 2011 bis 2015 Wirtschaftsministerin
der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos Aires und ist der Kirchner-nahen
Organisation La Cámpora verbunden. Mit ihrer Ernennung hat sich Kirchner
auch bei der zukünftigen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik durchgesetzt.
Welche konkreten Änderungen zu erwarten sind und ob die Vorgaben des IWF
auch weiter erfüllt werden, ist noch offen.
## Die Inflation gibt Argentinien den Rest
Das Szenario ist düster. Die steigende Inflation lässt immer mehr Menschen
unter die Armutsgrenze sinken. Für das laufende Jahr wird eine Rate von bis
zu 80 Prozent vorhergesagt. Und während der Peso stetig an Wert verliert,
gehen dem Staat die US-Dollar aus.
Offen ist, wie lange die Frente de Todos noch Bestand hat. Fest steht:
Präsident Fernández hat kaum noch Einfluss auf die Regierung.
4 Jul 2022
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DIR Jürgen Vogt
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