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       # taz.de -- Regionen werben um Batteriefabrik: Peter Altmaier macht Milliarde locker
       
       > Standorte wetteifern um Förderung durch die Bundesregierung für
       > Batterietechnik. In Bolivien und anderswo ist man skeptisch.
       
   IMG Bild: Spannend: Batterien sollen eine Schlüsselfrage der Elektromobilität sein
       
       Was ist das nun, ein Industrieprojekt mit kaum zu überschätzender
       Bedeutung, oder ein Rohrkrepierer? Seit Monaten reist Wirtschaftsminister
       Peter Altmaier (CDU) mit dem Vorhaben einer europäischen Batteriefabrik
       durch die Lande und [1][winkt mit einer Milliarde Euro Fördergeld], das
       Frankreich um 700 Millionen Euro erhöht hat. Noch in dieser Woche soll laut
       Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) der Förderaufruf für das Projekt
       veröffentlicht werden, auf den sich interessierte Konsortien bewerben
       können. Die Bewerbungen würden geprüft, auch auf ihre Übereinstimmung mit
       dem EU-Beihilferecht, dann werde entschieden, sagte ein BMWi-Sprecher. Wo
       eine Zellfabrik entstehe, sei natürlich eine unternehmerische, keine
       politische Entscheidung.
       
       Wie groß das Interesse an Altmaiers Idee wirklich ist, ist schwer
       abzuschätzen. Klar ist, dass das Thema „Zellproduktion“ derzeit viele
       elektrisiert; sowohl in Regionen, die bis jetzt gut vom Bau von Autos mit
       Verbrennungsmotor leben – etwa Baden-Württemberg – als auch in abgehängten
       Gebieten, denen die industrielle Basis größtenteils weggebrochen ist – wie
       in der Lausitz.
       
       Dort, in Cottbus, haben die Brandenburger Grünen am Donnerstag zum großen
       „Batteriegipfel“ geladen. „Was sind die Potenziale und Möglichkeiten, die
       wir hier haben“, fragt Heide Schinowsky, energie- und wirtschaftspolitische
       Sprecherin der Grünen im Brandenburger Landtag, „und was fehlt?“ In der
       Lausitz gebe es ausreichend Platz, es gebe die gut aufgestellte Technische
       Universität Cottbus. Geladen sind unter anderem Experten aus der regionalen
       Wirtschaftsförderung, aus Politik und Wissenschaft. Der Gubener
       Bürgermeister, Fred Mahro, führt an, dass die Region noch immer Zielgebiet
       1 sei, also von der EU besonders gefördert werde; außerdem könne man
       Fachkräfte sowohl auf deutscher wie auf polnischer Seite bieten. „Das sind
       Standortvorteile“, sagt Schinowsky, „aber reichen die?“
       
       Denn Standort einer Zellproduktion – die bislang vor allem in China, Japan
       und Korea stattfindet – zu werden, das können sich nicht nur Akteure in der
       Lausitz vorstellen. Das Autoländle Baden-Württemberg beispielsweise hat
       sich schon mal vom Ankündigen aufs Machen verlegt. Das Projekt
       „DigiBatPro4.0“ etwa liege als förderfähiger Antrag vor, teilt das
       Wirtschaftsministerium aus Stuttgart mit. Zwei Forschungsinstitute – das
       Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg und
       das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA)
       mit Sitz in Stuttgart und Ulm sowie der Batteriekonzern Varta aus Ellwangen
       – haben sich für DigiBatPro4.0 zusammengetan, um eine weitgehend
       digitalisierte Produktion aufzubauen.
       
       ## Baden-Württemberg hält sich für optimal
       
       Eine Fabrik mit lernenden, vernetzten Maschinen halten die Beteiligten auch
       für international wettbewerbsfähig. Das Land Baden-Württemberg und das
       Bundesforschungsministerium wollen die digitale Batteriefabrik laut dem
       Stuttgarter Wirtschaftsministerium mit insgesamt 38 Millionen Euro fördern.
       Auch an Altmaiers Fördermilliarde hat man in Stuttgart großes Interesse.
       „Baden-Württemberg mit seinen Kompetenzen und seinem einmaligen Netzwerk
       halten wir nach wie vor für den optimalen Standort“ für eine solche
       Produktion, heißt es aus dem Landeswirtschaftsministerium, daher werde man
       die Standortvergabe für eine Zellfertigung einbringen. Weil es seitens des
       BMWi bislang noch keine Ausschreibung gebe, könne man noch keine weiteren
       Details nennen.
       
       Auch in Nordrhein-Westfalen blickt man begehrlich nach Berlin. Der Erfinder
       des Elektroautos StreetScooter, der Aachener Professor Günther Schuh, ist
       dabei, ein Konsortium zusammenzutrommeln. Mit dabei sind laut
       Medienberichten StreetScooter und der ebenfalls von Schuh gegründete
       E-Auto-Hersteller e.GO Mobile, der Batteriehersteller BMZ sowie das
       Akku-Start-up TerraE. Auch Schuh setzt auf eine digitale Produktion: Um die
       Produktion möglichst kostengünstig darzustellen, sei ein „umfassendes
       Industrie-4.0-Produktionskonzept erforderlich“, sagte er jüngst den
       VDI-Nachrichten.
       
       Auf einen nachhaltigen Rohstoffkreislauf zielt ein drittes Konsortium,
       bestehend aus BMW, dem belgischen Technologiekonzern Umicore und dem
       norwegischen Batterieproduzenten Northvolt. Auf Pilotebene wolle man „die
       besten verfügbaren Leistungs- und Umweltstandards für ein zukünftiges
       geschlossenes Batteriemodell“ entwickeln, teilt eine Sprecherin von Umicore
       mit. Es gehe darum, neue Materialien, umweltfreundliche
       Produktionstechnologien sowie effiziente Systeme zu entwickeln, um
       Batterien zu sammeln und zu recyceln. Im Konsortium gehe man davon aus,
       dass die ersten Ergebnisse des Technologieentwicklungsprogramms in etwa
       drei Jahren industriell umgesetzt werden können. Dieser Ansatz benennt eine
       Lösung für eines der großen Probleme der Batteriefertigung – die
       Rohstoffbeschaffung.
       
       ## Konfliktmaterial und Kinderarbeit
       
       Nach bisherigem Stand der Technik werden vor allem Grafit, Kobalt, Nickel,
       Mangan und Lithium benötigt. Zum Teil ist die Förderung und Produktion
       bedenklich; Kobalt gilt als sogenanntes Konfliktmineral, das zur
       Finanzierung von Bürgerkriegen dient und mitunter mithilfe von Kinderarbeit
       gewonnen wird. Auch Lithium wird von Umwelt- und
       Menschenrechtsorganisationen kritisch beäugt.
       
       Schon jetzt gefährde die Lithiumgewinnung etwa in Bolivien fragile
       Ökosysteme, weil das Grundwasser der sowieso trockenen Gegenden absinke,
       sagt Oscar Campanini von der bolivianischen Entwicklungsorganisation CEDIB.
       Dabei sei die Zivilgesellschaft in Bolivien nicht „gegen die
       Lithiumgewinnung“, sagt Campanini, man brauche den Rohstoff, um eine eigene
       Industrie vor Ort zu entwickeln. „Aber wir fürchten, dass wir wieder nur
       als Rohstofflieferant betrachtet werden“, sagt der Aktivist, „und wir die
       Kontrolle über unser Lithium verlieren“.
       
       Jüngst hatte das baden-württembergische Unternehmen Aci-Systems [2][in
       einem deutsch-bolivianischen Joint Venture] das Recht erworben, das in
       Bolivien gewonnene Lithium-Hydroxid in Europa zu vermarkten. Während die
       Rohstoffgewinnung konkret voranschreite, stehe das Projekt einer
       gemeinsamen Batteriefabrik in Bolivien noch in den Sternen.
       
       Baden-Württemberg, NRW, Bolivien – die Lausitz? Laut Wirtschaftswoche sind
       derzeit an rund 70 Standorten weltweit Gigafabriken zur
       Batteriezellproduktion in Bau.
       
       Über den Standortwettbewerb gerate die wesentliche Frage ins Hintertreffen,
       sagt Achim Brunnengräber. Der Politikwissenschaftler forscht an der FU
       Berlin zu Umweltthemen und hat viel zu einer nachhaltigen
       Rohstoffversorgung von Elektromobilität veröffentlicht. Auch er wird auf
       dem „Batteriegipfel“ in Cottbus sprechen und meint, in der Lausitz könne
       und müsse mehr entstehen als eine Batteriefabrik.
       
       In dem augenblicklich „unruhigen Forschungs- und Produktionsumfeld“, den
       die Batterietechnik biete, seien Milliardeninvestitionen in Zellfabriken
       „womöglich versenkt“, fürchtet Brunnengräber. Für förderungswürdig hält er
       hingegen Forschung in eine Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs. „Ein
       Zentrum für eine neue Mobilitätskultur, mit einem elektrischen öffentlichen
       Verkehr, vernetzten Verkehrsträgern, erneuerbaren Energien“, sagt
       Brunnengräber, „das wäre doch wunderbar.“
       
       21 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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