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       # taz.de -- Rentenreform in Frankreich: Ohne Stimmen von rechts geht nichts
       
       > Frankreichs Regierung hofft auf die Unterstützung der Konservativen für
       > die Rentenreform. Die Gewerkschaften wollen mehr Streikaktionen
       > organisieren.
       
   IMG Bild: Wie lange wird er wohl arbeiten? Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, 45 Jahre alt
       
       Paris taz | In Frankreich hat der Senat die Debatte über eine sehr
       umstrittene Rentenreform begonnen, die das [1][offizielle Rentenalter] auf
       64 Jahre erhöhen und die für eine Vollrente erforderliche Zahl von
       Beitragsjahren schneller als bisher vorgesehen von 42 auf 43 Jahre anheben
       soll. Nachdem in der Nationalversammlung chaotische Diskussionen ohne Votum
       beendet wurden, rechnen Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung nun
       bei dieser zweiten Parlamentsrunde für ihre Vorlage mit der Zustimmung der
       rechten Ratsmehrheit.
       
       Um dies sicherzustellen, wurden noch vor dem Beginn der Senatsdebatte am
       Donnerstag die Änderungswünsche der Partei Les Républicains, die über rund
       40 Prozent der Sitze verfügt, erfüllt. Die konservative Rechte ist seit
       Langem für ein höheres Rentenalter und fordert eine Vereinheitlichung des
       Systems mit der raschen Abschaffung der noch existierenden Sonderkassen
       gewisser Berufskategorien. Zugleich möchten die Konservativen unter dem
       Druck der Öffentlichkeit aber gewisse soziale Ungleichheiten vermeiden.
       
       Nicht nur von den Gewerkschaften und der politischen Linken, sondern auch
       aus rechten Kreisen wurde bemängelt, dass die geplanten Maßnahmen zur
       Finanzierung der öffentlichen Altersrente ungleich härter die Frauen
       treffen würde, die ohnehin meist weniger Rente beziehen, weil sie häufiger
       in Teilzeit tätig waren oder in ihrer beruflichen Karriere mehr
       Beitragslücken aufweisen als die Männer. Eine zusätzliche Diskriminierung
       sei jedoch im Interesse der traditionellen Politik der Geburtenförderung
       nicht wünschenswert.
       
       In der für den Senat überarbeiteten Version der Reform wird jetzt
       versprochen, den Müttern würden auch in Zukunft zusätzliche Quartale
       angerechnet. Wenn sie vorübergehend die Arbeit für die Kinderbetreuung
       aufgegeben hatten, müssten sie sonst noch länger erwerbstätig bleiben, um
       Anspruch auf eine Vollrente zu erhalten.
       
       ## Verzicht auf Kernpunkte komme nicht infrage
       
       Außerdem soll die Reform die Unternehmen verpflichten, einen höheren Anteil
       von „Senioren“ zu beschäftigen. Heute ist es nach 55 Jahren sehr schwer,
       eine Stelle zu finden. Von den 55- bis 64-Jährigen sind in Frankreich 56
       Prozent noch erwerbstätig, in der Gruppe der 60- bis 64-Jährigen sinkt der
       Anteil auf 35 Prozent. Ihnen zu sagen, sie müssten noch etwas länger als
       bisher arbeiten, war für viele ein heuchlerischer Affront. Darum soll es
       mit der Reform attraktiver für Arbeitgeber werden, Menschen über 60
       einzustellen.
       
       Die letzten Korrekturen vor dem Examen im Senat sind auch für die
       öffentliche Meinung gedacht. Sowohl Premierministerin Elisabeth Borne als
       auch ihr Arbeitsminister Olivier Dussopt haben aber betont, dass ein
       Verzicht auf die Kernpunkte überhaupt nicht infrage käme. Für den 7. März
       haben die Gewerkschaften einen neuen [2][Generalstreik] mit landesweiten
       Demonstrationen angekündigt. Bei der Bahn und in anderen öffentlichen
       Diensten sind dieses Mal unbefristete Streiks und Blockaden geplant.
       
       Für [3][Macron], der seit seiner Wiederwahl in den beiden Kammern keine
       eigene Mehrheit mehr hat, geht es in dieser Kontroverse nicht nur um die
       Rentenreform, sondern auch um die Perspektive einer informellen Koalition
       mit den Mitte-Rechts-Parteien. Nach ihrer Unterstützung der Rentenreform,
       so hofft er, sollen sie auch weitere Reformen, beispielsweise das neue
       Migrationsgesetz oder eine von ihm seit 2017 versprochene
       verfassungsrechtliche Revision der Institutionen, mittragen und so de facto
       von der Opposition ins Regierungslager überwechseln.
       
       2 Mar 2023
       
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   DIR Rudolf Balmer
       
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