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       # taz.de -- Repressives Klima in Hongkong: Haft für Demokratieaktivisten
       
       > Hongkonger Aktivisten wurden für eine nicht genehmigte Demonstration zu
       > Gefängnisstrafen verurteilt. Pekings Kontrolle über die Stadt nimmt
       > weiter zu.
       
   IMG Bild: Die Aktivisten Leung Kwok-hung und Lee Cheuk-yan mit Sicherheitskräften in Hong Kong am Freitag
       
       Berlin taz | Ein Gericht in der chinesischen Sonderverwaltungsregion
       Hongkong hat am Freitag Haftstrafen gegen zehn Aktivist:innen der
       [1][Demokratiebewegung] verhängt, wie Agenturen vermelden. Die Verurteilten
       hatten sich zuvor schuldig bekannt, eine ungenehmigte Demonstration am 1.
       Oktober 2019, dem 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China,
       organisiert zu haben.
       
       An dem Protest, bei dem es teilweise zu Gewalt kam, nahmen vor dem
       Hintergrund befürchteter Einschränkungen der Hongkonger Autonomie und nach
       bereits monatelangen Massenprotesten mehrere zehntausend Menschen teil.
       
       Zu den jetzt Verurteilten gehört der bekannte Medienunternehmer Jimmy Lai.
       Der 72-jährige Multimillionär, der einst aus China geflohen war, ist der
       Verleger des regierungskritischen Boulevardblattes Apple Daily und muss
       jetzt für 14 Monate in Haft.
       
       Er sitzt bereits wegen Aufrufs zu einer anderen Demonstration im Gefängnis.
       Seine Haftstrafe verlängert sich jetzt auf 20 Monate. Doch dürften auf den
       finanzstärksten Unterstützer der Demokratiebewegung noch weitere Strafen
       zukommen.
       
       ## Gedenken an Tiananmen-Massaker wieder verboten
       
       Derzeit wird gegen ihn auch wegen Verstoßes gegen das von Peking im Juni
       2020 verhängte Nationale Sicherheitsgesetz für Hongkong ermittelt. Mit dem
       drakonischen Gesetz, das angebliche subversive, separatistische,
       terroristische oder verschwörerische Aktivitäten im In- und Ausland
       bestraft, ist es Peking gelungen, Hongkongs Massenproteste für mehr
       Demokratie zu unterdrücken.
       
       Neben Lai wurden auch die Ex-Abgeordneten des Stadtparlamentes, Albert Ho,
       Leung Kwok Hung und Lee Cheuk Yan, zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Ho
       ist ein Ex-Vorsitzender der liberalen Demokratischen Partei. Der in
       Hongkong als „Long Hair“ bekannte Leung ist ein stadtbekannter und stets in
       einem Che-Guevara-Shirt bekleideter linker Aktivist, der auf fast jeder
       Demo anzutreffen war.
       
       Lee ist ein bekannter Gewerkschafter und Hauptorganisator des jährlichen
       Gedenkens an das sogenannte Tiananmen-Massaker in Peking, bei dem am 4.
       Juni 1989 Chinas Demokratiebewegung gewaltsam niedergeschlagen wurde. An
       dem jährlichen Gedenken im Hongkonger Victoria Park nahmen bis zum
       erstmaligen Verbot 2020 stets mehrere zehntausend Menschen teil. Auf dem
       chinesischen Festland darf der damaligen Ereignisse nicht gedacht werden.
       
       Auch in der nächsten Woche ist die Hongkonger Gedenkveranstaltung wieder
       verboten worden. Wie im letzten Jahr, wo sich Tausende darüber
       hinwegsetzten, wird das Verbot trotz vergleichsweise niedriger Inzidenz
       auch jetzt wieder mit der Coronapandemie begründet. Es ist zu erwarten,
       dass die Behörden jetzt schärfer durchgreifen werden. Sicher sollen die
       jetzigen Haftstrafen auch abschrecken.
       
       Ein weiterer Angeklagter bekam ebenfalls eine Gefängnisstrafe von 18
       Monaten, drei weitere für 14 Monate, und bei zweien wurden die Strafen zur
       Bewährung ausgesetzt. Manche der Verurteilten sitzen bereits wegen früherer
       Urteile in Haft.
       
       ## Drohungen gegen Banken
       
       Zur Zeit der Massenproteste 2019 hatte die Hongkonger Regierung von Carrie
       Lam, die von einer pekingtreuen Elite ins Amt gehievt worden war, in den
       Augen vieler Bewohner ihre Legitimität längst verloren. Denn sie war nicht
       bereit, die der Stadt zugesagte Autonomie zu verteidigen, und setzte sich
       nicht für die versprochene Stärkung der Demokratie ein.
       
       Stattdessen hatte Lams Regierung die zunächst friedlichen Proteste gegen
       ein geplantes Auslieferungsgesetz ignoriert, versuchte dann sie zunehmend
       gewaltsam zu unterdrücken und in der Folge juristisch einzuschränken. So
       wurden Demonstrationen nicht mehr genehmigt.
       
       Erst mit Hilfe der Coronapandemie und durch Pekings Aushebelung der
       Autonomie durch das Sicherheitsgesetz gelang es den Regierungen in Peking
       und Hongkong im letzten Jahr weitere Proteste zu unterbinden. Inzwischen
       sind viele Aktivist:innen ins Ausland geflohen, vor allem nach Taiwan.
       Mehr als einhundert sitzen im Gefängnis, unter ihnen auch der international
       bekannte Aktivist [2][Joshua Wong], mehr als 600 wurden bereits verurteilt,
       rund 1.900 weitere warten noch auf ihre Prozesse.
       
       Das Klima in der bis dahin für ihre Liberalität bekannten weltoffenen Stadt
       hat sich seitdem völlig verändert. Die Menschen und die vormals lebendige
       Zivilgesellschaft sind eingeschüchtert. Dies wirkt sich inzwischen auch auf
       die Wirtschaft aus.
       
       ## Wahlgesetz gegen Demokraten
       
       So wurde am Donnerstag bekannt, dass John Lee, Sicherheitschef der
       Regierung, laut Nachrichtenagentur Reuters lokalen Mitarbeiter:innen
       der amerikanischen Citibank und der britischen HSBC in Briefen mit
       Gefängnisstrafen gedroht hatte, falls sie Geschäfte mit den Konten des
       jetzt erneut verurteilten Medienunternehmers Jimmy Lai tätigten.
       
       Die Regierung hatte Lais Konten ohne jeden Gerichtsbeschluss für
       eingefroren erklärt. Der Brief sorgte jetzt in der Finanzszene, für die
       Hongkong zu den wichtigsten Plätzen in Asien zählt, für große Unruhe und
       gilt zugleich als Warnung an die gesamte Wirtschaft, sich aus politisch
       heiklen Geschäften herauszuhalten.
       
       Ebenfalls am Donnerstag hatte Hongkongs Parlament, in dem fast nur noch
       regimetreue Abgeordnete vertreten sind, eine von Peking vorgegebene
       [3][Wahlreform] verabschiedet. Sie gibt Peking eine stärkere Kontrolle
       mittels einer Vorauswahl „patriotischer“ Kandidat:innen und reduziert
       die Zahl direkt gewählter Politiker:innen.
       
       Die Wahlen zum Legitlativrat hätten ursprünglich im letzten September
       stattfinden sollen. Doch nachdem im November 2019 bei den Wahlen zu den
       Distriktversammlungen die prodemokratischen Parteien einen Erdrutschsieg
       errungen hatten, wurden die Wahlen zum Legislativrat mit Verweis auf die
       Gefahren der Coronapandemie [4][verschoben] und seitdem die
       [5][prodemokratischen Abgeordneten aus dem Parlament gedrängt].
       
       Jetzt sind die Wahlen für Dezember unter den neuen Gesetzen angesetzt. Sie
       [6][benachteiligen die Parteien der Demokratiebewegung] noch stärker als
       früher schon. Die Demokratische Partei hat als größte Oppositionspartei
       noch nicht über Boykott oder Teilnahme entschieden.
       
       28 May 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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