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       # taz.de -- Robert Habeck über Klimapolitik und Krieg: „Lassen wir das Rumnölen!“
       
       > Die Räumung von Lützerath sei richtig gewesen. Warum er der
       > Klimabewegung trotzdem dankbar ist, sagt Vizekanzler Robert Habeck im
       > taz-Gespräch.
       
   IMG Bild: „Kohle für Stromerzeugung ist eine klimapolitische Sünde“, sagt Robert Habeck
       
       wochentaz: Luisa Neubauer spricht wegen [1][der Räumung von Lützerath] und
       angesichts [2][der LNG-Terminals] von einer Re-Fossilisierung deutscher
       Energiepolitik. Was ist das Gegenargument, Herr Habeck? 
       
       Robert Habeck: Das Gegenargument ist, dass Putin die Gaslieferungen nach
       Deutschland gestoppt hat, wir damit die Hälfte des Gases zur Versorgung
       verloren haben und schmerzhafte Entscheidungen treffen mussten, um eine
       Notlage zu verhindern. Wir haben aktuell 8,8 Gigawatt Kohlekraftwerke mehr
       am Netz als ursprünglich vorgesehen. Den Kohlestrom setzen wir ein, um Gas
       zu sparen. Der klimapolitische Gau wäre, wenn wir nach dem nächsten Winter
       sagen müssten: Wir müssen diese Kohlekraftwerke doch noch länger laufen
       lassen, weil wir uns nicht um eine ausreichende Versorgung mit Gas
       gekümmert haben. Kohle für Stromerzeugung ist eine klimapolitische Sünde.
       Um die nicht weiter zu begehen, brauchen wir derzeit noch Gas.
       
       Man [3][sieht Sie jetzt dauernd bei Einweihungen von LNG-Terminals], wo
       verflüssigtes fossiles Gas gelagert und weiterverteilt wird. Wäre mehr
       persönliche Zurückhaltung nicht angebracht? 
       
       Ohne jemandem zu nahe zu treten: Es spricht ganz schön viel Vergessen aus
       dieser Haltung. Eine Gasmangellage – und mit ihr schwere Schäden für
       Wirtschaft und Gesellschaft – ist eine ernsthafte Gefahr. Das, was wir
       jetzt erreicht haben – Unabhängigkeit von russischem Gas, [4][volle
       Gasspeicher], wieder gesunkene Preise – ist kein selbstverständlicher
       Zustand. Die Gasspeicher sind nur voll, weil wir gehandelt haben. Weil wir
       die Gesetze geschrieben und uns um Ersatz gekümmert haben. Weil wir
       Gasimporteure vor dem Zusammenbruch bewahrt haben. Und weil viel Geld dafür
       ausgegeben haben.
       
       Wie viel Geld? 
       
       Viele Milliarden. Die waren notwendig, um eine tiefe Krise abzuwenden.
       Allein für [5][die Uniper-Rettung] und dann die Übernahme des Konzerns
       haben wir rund 30 Milliarden bereitgestellt. Ob wir das am Ende alles
       brauchen, wissen wir nicht, aber sie als Sicherheit bereitzustellen, war
       nötig. Sonst wären hunderte Stadtwerke in Gefahr geraten und damit die
       Versorgung der Haushalte.
       
       Fühlen Sie sich von Neubauer und der Klimabewegung unverstanden? 
       
       Nein. Wir brauchen Protest. Die Klimabewegung und gerade [6][Fridays for
       Future] haben die Klimapolitik ganz oben auf die Agenda in Deutschland
       gebracht. Das war eine große Leistung. Dafür bin dankbar.
       
       Sie sprechen sehr nett über die Klimabewegung. 
       
       Nett wäre paternalistisch. Es geht mir um das gegenseitige Verständnis der
       unterschiedlichen Rollen. Eine Protestbewegung darf sich auf das Dagegen
       konzentrieren und muss mehr fordern, als der Status quo ist. Sie muss
       kritisieren, antreiben. Und sie muss Aufmerksamkeit schaffen. Das ist
       sinnvoll. Meine Rolle ist eine andere. Da geht es darum, Entscheidungen und
       Gesetze in Regierung und Parlament durchzusetzen, Alternativen zu schaffen,
       ja, auch Kompromisse einzugehen. Und ich muss die Energiesicherheit
       gewährleisten.
       
       [7][Die Kritik an der LNG-Infrastruktur] zielt darauf, dass nach dem Ende
       des Energiemangels sehr viel fossiles Gas genutzt werden könnte, einfach
       weil es zur Verfügung steht – und zwar auf Kosten der Erneuerbaren. 
       
       Die Gefahr sehe ich nicht. Erstens: Unser politisches Handeln zielt ja voll
       auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Schneller und mehr – daran
       arbeiten wir. Wir haben durchgesetzt, dass die Erneuerbaren europaweit im
       überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Zweitens: Der Energiemangel
       geht nur vorbei durch Infrastruktur, die wir bauen. Wir kommen durch diesen
       Winter, weil wir anfangs noch russisches Gas hatten, weil wir jetzt
       LNG-Terminals in Betrieb nehmen und weil wir aus Norwegen und den
       Benelux-Staaten mehr Gas bekommen haben.
       
       Andersrum gilt, dass die Versorgung der südöstlichen Nachbarn auch durch
       Deutschland erfolgt, inklusive eines Teils der Ukraine. Aktuell sind wir
       Transitland, künftig können wir über die schwimmenden Terminals aber auch
       Lieferungen für unsere Nachbarn ermöglichen. Wenn wir nur den nationalen
       Blick haben, machen wir also einen doppelten Fehler. Wir dürfen nicht
       verkennen, dass die anderen Länder uns versorgen, und nicht verkennen, dass
       durch uns auch andere Länder versorgt werden müssen.
       
       Sie sagen es: EU-Länder waren in der Energienot solidarisch mit
       Deutschland, haben aber den Eindruck, dass Deutschland nicht so solidarisch
       ist – etwa wie es sein Gas in der Welt zusammengekauft hat. Ist es naiv,
       dass man das zusammen macht? 
       
       Das geht und das ist vereinbart worden. Richtig ist aber, dass Deutschland
       in der Vergangenheit sehr viele seiner Gaseinkäufe in Russland getätigt
       hat. Deutschland hat [8][Nord Stream 1 und dann auch noch 2] gebaut. Die
       deutsche Energiepolitik hat lange die Warnungen – gerade von Polen und den
       baltischen Ländern – komplett ignoriert. Hauptsache, Gas aus Russland war
       billig.
       
       Die Vorgängerregierungen haben es trotzdem gemacht. 
       
       Ja, und es ist schiefgegangen. Das war ein Grund für die hohen Gaspreise,
       auch in Ländern, die gar kein Gas oder nicht viel aus Russland bekommen
       haben. Dass andere europäische Länder deshalb zornig sind, kann ich
       verstehen.
       
       Was folgt daraus für Sie? 
       
       Ich sehe die Fehler des letzten Jahrzehnts und bin deshalb der Meinung,
       Deutschland muss im Zweifelsfall immer ein Stückchen mehr geben. Es ist
       jetzt unsere Aufgabe, dienend Europa zusammenzuführen.
       
       Gilt dieses Motto „immer ein Stückchen mehr“ auch in der Frage deutscher
       Waffenlieferungen an die Ukraine? [9][Oder ist mit dem Kampfpanzer Leopard
       2 nun Schluss?]
       
       Putin hat mit der europäischen Nachkriegsordnung gebrochen und einen
       souveränen Staat überfallen – hier, in Europa. Ich halte es für notwendig,
       die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen. Putin und sein
       Imperialismus dürfen nicht siegen. Wir haben deshalb die Unterstützung
       immer wieder angepasst und werden sie sicher immer wieder überprüfen. Es
       gilt aber weiter: Deutschland ist keine Kriegspartei und wird es nicht
       werden. Das ist die Grenze.
       
       Grüne und FDP mussten den Kanzler wochenlang drängen. Warum handeln Scholz
       und die SPD immer erst nach langem Zögern? 
       
       Wir haben mit der Lieferung von Kampfpanzern jetzt eine große Entscheidung
       getroffen, die der Ukraine helfen wird. Aber das ist kein Grund zum Jubeln.
       Es ist eine Entscheidung, die man gut abwägen musste. Jede Leichtigkeit ist
       fehl am Platz.
       
       Als Alternative zur militärischen Verteidigung der Ukraine gegen den
       Aggressor Russland werden gern „Verhandlungen“ beschworen. Unter welchen
       Umständen könnte es aus ihrer Sicht dazu kommen? 
       
       Mit Verlaub, Russland hat die Ukraine angegriffen, mit Panzern, Raketen. Es
       hat Städte und Dörfer besetzt, Männer, Frauen und Kinder werden getötet,
       gefoltert, verschleppt. Die russische Armee zerstört gezielt
       Wasserversorgung und Stromversorgung. Wer eine Alternative zur
       militärischen Verteidigung der Ukraine will, verlangt, dass sie sich von
       Putins Russland niederrennen lässt. Das gesagt: Glauben Sie mir, es vergeht
       kein Tag, an dem ich mir nicht wünsche, dass der Krieg ein Ende hat. Aber
       für Verhandlungen muss die Ukraine in eine militärische Situation kommen,
       die ihr erlaubt, ihre territoriale Integrität wiederherzustellen.
       
       Auf einer Skala von 1 bis 10: Wo steht die Energiewende in Deutschland
       heute? 
       
       Bei vier.
       
       Wo steht Deutschland, wenn die Legislaturperiode zu Ende ist? 
       
       Bei sechs. Acht ist 2030 und 9,5 ist 2040 erreicht. 2045 soll Deutschland
       klimaneutral sein. Die Vorgaben sehen vor, dass wir bis 2040 die
       CO2-Emissionen um 88 Prozent reduziert haben müssen. Die letzten 10 oder 12
       Prozent sind sicherlich die schwersten. Aber die entscheidende Frage ist:
       Schaffen wir 90 und 95 und bleiben nicht bei 40 oder 45 stehen? Damit wären
       die großen Bereiche Verkehr, Gebäude und Energie umgestellt.
       
       Wie kommt die Energiewende jetzt tatsächlich voran, werden wirklich
       plötzlich schnell viele Windräder gebaut? 
       
       Da bin ich zuversichtlich. Mir ist aber noch etwas wichtig, nämlich, dass
       wir bei der Energieeffizienz vorankommen. Energieverbräuche runterbringen
       ist genauso Teil der Energiewende. Das bringt Unternehmen große
       Effizienzgewinne, sprich: wirtschaftliche Vorteile.
       
       Mit der [10][Atom-Entscheidung des Bundeskanzlers] ist ja das
       Energieeffizienzgesetz versprochen worden. Warum ist es noch nicht da? 
       
       Wir haben das Gesetz geschrieben, noch mal überarbeitet, was ich selbst
       wichtig fand, jetzt liegt es in der Ressortabstimmung.
       
       Muss der Kanzler dafür gegenüber der FDP noch ein sogenanntes Machtwort
       sprechen? 
       
       Es ist klar, dass das Gesetz zeitnah kommen muss.
       
       Was heißt zeitnah? 
       
       Von unserer Seite aus sind wir fertig.
       
       Ist die Atomdebatte wirklich erledigt? 
       
       Die Atomdebatte spielt keine Rolle mehr.
       
       Die FDP hat es immer wieder probiert. 
       
       Ende des Winters werden die drei letzten AKWs abgeschaltet. Punkt.
       
       Haben Sie schon Pläne für den 15. April, Mitternacht, wenn die letzten AKWs
       vom Netz gehen sollen? 
       
       Um Mitternacht werde ich hoffentlich schlafen.
       
       [11][Sie behaupten immer, Lützerath sei das „falsche Symbol“] für die
       Forderung nach Klimapolitik, die das Paris-Abkommen einhält. Welches wäre
       denn das richtige? 
       
       Lützerath ist per Gesetz das Ende des Braunkohleabbaus, nicht das Weiter
       so. Welches Symbol das richtige ist – nun, das wird die Klimabewegung
       selbst finden. Es kann nur schiefgehen, wenn ein Energieminister ihr sagen
       würde, wo sie demonstrieren soll.
       
       Nach den Erfahrungen der letzten Wochen: Würden Sie mit Blick auf Lützerath
       etwas anders machen? 
       
       Wir beenden die Braunkohleverstromung im Westen acht Jahre früher als
       vorgesehen. Wir halbieren die Menge des erlaubten Braunkohleabbaus. Wir
       retten fünf Orte und drei bewirtschaftete Höfe. Wir schaffen
       Planungssicherheit, damit in Wasserstoffkraftwerke investiert wird.
       Deshalb: Nein. Die Lösung konnte nur so gefunden werden, wie wir sie
       gefunden haben. Sie war energiepolitisch nötig und klimapolitisch richtig.
       
       Erwarten Sie eine zunehmende Verhärtung zwischen Aktivismus und Staat? 
       
       Es ist nicht akzeptabel, wie Polizistinnen und Polizisten pauschal
       verunglimpft werden und wie ein Teil der Aktivisten nach einer „Welt ohne
       Polizei“ ruft. Polizistinnen und Polizisten setzen jeden Tag ihre eigene
       Sicherheit für die Sicherheit anderer aufs Spiel. Die Polizei ist Teil
       unseres demokratischen Rechtsstaats. Wenn es Vorwürfe gegen Polizisten
       gibt, werden sie aufgeklärt, wie es [12][Nordrhein-Westfalens Innenminister
       Reul] [13][gesagt hat].
       
       Umgekehrt erwarte ich, dass sich die Klimabewegung glasklar von Gewalt
       distanziert. Ohne Hintertür. Gerade Klimaschutz handelt davon, Freiheit und
       Leben in einer Demokratie zu schützen. Und Gewalt ist kein legitimes Mittel
       der politischen Auseinandersetzung. Diese Frage finde ich viel relevanter
       als die, wie die Klimabewegung und die Grünen klarkommen. Für eine
       Regierungspartei ist es die logische Konsequenz, in einem
       Spannungsverhältnis zu einer Bürgerbewegung zu stehen.
       
       Die Spannung haben Sie aber auch innerhalb der Partei. Grüne Beschlüsse in
       der Regierung, grüner Polizeipräsident setzt sie durch – gegen Grüne Jugend
       im Widerstand? 
       
       Das zeigt nur, wie weit wir gesellschaftlich verankert sind.
       
       Die romantische Illusion gibt es bei manchen immer noch, in der Opposition
       moralisch unantastbar zu bleiben und dabei den größeren Unterschied machen
       zu können? 
       
       Nein. Die Partei will regieren. Das ist ganz anders als in einer Zeit, die
       ich noch eher aus der Halbdistanz beobachtet habe. Damals hieß es: In der
       Regierung muss man so schwierige Entscheidungen treffen. Gehen wir lieber
       raus. Heute heißt es: Geht es nicht schneller? Kann man nicht mehr
       umsetzen? Gibt es nicht machtpolitische Hebel, die wir noch nicht gezogen
       haben? Ich finde das gut.
       
       Einige Grüne finden, Sie sollten in der Regierung mehr Konfrontation wagen,
       härter verhandeln. 
       
       Wenn ich an den Verkehrsbereich und das Klimaschutz-Sofortprogramm denke:
       Weil wir so hart verhandeln, gibt es noch keine Lösung. Das
       Planungsbeschleunigungsgesetz ist im Koalitionsausschuss, weil auf dem
       Verhandlungswege keine Einigung erzielt werden konnte.
       
       [14][Im Koalitionsausschuss gab es bisher keine Einigung mit den
       FDP-Ministern Lindner und Wissing.] Letzterer will in ein
       Planungsbeschleunigungsgesetz auch den Bau von Autobahnen reinnehmen. Sie
       werden nicht klein beigeben? 
       
       Es ist enorm wichtig, bestimmte Dinge schneller zu planen, zu bauen und zu
       genehmigen – bei der Bahn, beim Ersatz von maroden Brücken. Es dauert
       vieles schon sehr lange in Deutschland. Aber was nicht geht, ist, im
       Verkehr, wo wir eine riesige Klimaschutzlücke haben, jetzt erst mal alle
       Autobahnen schneller zu bauen. Und wir müssen priorisieren, allein schon
       wegen der Kapazitäten.
       
       Warum haben die Grünen bei der Regierungsbildung auf das
       Verkehrsministerium verzichtet? 
       
       Wir haben nicht verzichtet, wir haben es nicht bekommen.
       
       Und mehr Druck auf Wissing soll wirklich nicht möglich sein? 
       
       Es liegt nicht am mangelnden Druck. Wir brauchen in der Regierung halt
       Einstimmigkeit. Es gibt keine Kampfabstimmung im Kabinett. Die Dinge werden
       vorher geeint oder sie werden nicht beschlossen. Insofern braucht man
       Beharrlichkeit in der Überzeugungsarbeit. Und man spürt ja, dass sich auch
       gesellschaftlich die Vorstellung, wie Mobilität aussieht, verändert.
       
       Jetzt kriegt die Gesellschaft wieder den Ball zurückgespielt? 
       
       Es ist es ja längst nicht mehr so, dass bei jungen Menschen der Wunsch nach
       dem eigenen Auto ganz oben steht. Carsharing ist nichts Exotisches mehr. In
       der Gesellschaft gibt es Bewegung, politisch arbeiten wir dran.
       
       Von uns Bürgerinnen und Bürger sind Sie ja schwer begeistert. Was wir in
       der Krise für tolle Sachen machen und „dass wir zusammen Großes erreichen
       können, wenn wir uns anstrengen“… 
       
       … Das Land hat im vierten Quartal des letzten Jahres 22 Prozent Energie
       eingespart. Ich weiß von vielen Leuten, die die Heizung runtergedreht, auf
       Komfort verzichtet haben. Natürlich weiß ich auch von sehr vielen, die im
       letzten Herbst gelitten haben, die schiere Existenzangst hatten, vor der
       Höhe der Heiz- und Stromkosten, vor der Pleite ihres Unternehmens. Und
       trotzdem steht die demokratische Mitte, und wir sind hier in Deutschland
       bereit, bis auf wenige Trolle von Putin, die Ukraine weiter zu unterstützen
       und haben nicht vergessen, dass Putin uns diese Gemengelage eingebrockt
       hat. Ich finde, das ist eine große gesellschaftliche Leistung.
       
       Na ja. 
       
       Wenn jemand meint, er kann auch mehr tun: Go for it. Aber insgesamt? Sind
       viele Dinge gut gelaufen.
       
       Ein Grund, warum die große Krise ausbleibt, sind die hohen Temperaturen im
       Winter. Die Erderwärmung sei für die Weltwirtschaft 2023 eine gute Sache,
       sagt der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff. 
       
       So zynisch will ich nicht denken, und es ist auch nicht richtig. Aber es
       wird erkennbar wärmer, global, überall. Die Bilder von Skiliften in den
       Alpen mit grünen Wiesen sind ja ikonisch bitter, und alles spricht dafür,
       dass die Erderwärmung schneller voranschreitet, als es bisher
       wissenschaftlich angenommen wurde. Das ist ein schlimmer Befund. Und ein
       Grund mehr, in der Regierung dagegen anzuarbeiten. Und da komme ich wieder
       zum Anfang: Entscheidend ist Entschlossenheit im Handeln und so etwas
       altmodisches wie Disziplin.
       
       Sie haben gerade den [15][Jahreswirtschaftsbericht für 2023] vorgestellt.
       Die Notwendigkeit von Wachstum zum Erhalt von Wohlstand, Sozialstaat und so
       weiter und die planetarische Zerstörung durch fossiles Wachstum laufen
       weiter nebeneinander her. 
       
       Nein. Wir vollziehen gerade eine Kursänderung. Es geht nicht mehr um ein
       blindes Wachstum. Sondern darum, gezielt Investitionen – private und
       staatliche – in den Aufbau einer grünen Wirtschaft zu lenken. In
       klimafreundliche Innovationen. Wir nennen das transformative
       Angebotspolitik.
       
       Im Moment ist nicht mal ein Tempolimit durchsetzbar. Wie soll in der
       Realität der große Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft vorankommen? 
       
       Als Erstes sollten wir mal das Rumnölen sein lassen, das Lamento, was alles
       nicht geht. Sondern sehen, was alles möglich werden kann. Wir sind
       mittendrin im Umbau. Unternehmen sind bereit, in den Aufbau von
       Wasserstoffkraftwerken zu investieren, in klimafreundliche Produktion,
       überall wird geforscht und getüftelt. Zigtausende bauen Wärmepumpen ein,
       setzen Solaranlagen aufs Dach. Es gibt Dynamik, Deutschland kann was. Das
       ist der Geist, den wir brauchen.
       
       Ein Teil der Wissenschaft sieht den einzigen Weg in eine ordentliche
       Zukunft in weniger Wachstum, Fachausdruck Degrowth. Wir haben mal im
       Organigramm Ihres Ministeriums geschaut: Es gibt keine Degrowth-Abteilung. 
       
       Nein, die gibt es nicht.
       
       Es gibt als Zukunftspfad nur den Green New Deal, also die Hoffnung auf eine
       gelingende Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum? 
       
       Ein nicht qualifizierter Wachstumsindikator ist blind für die eigentliche
       Realität der Gesellschaft. Das Bruttoinlandsprodukt BIP setzt sich zusammen
       aus allen verkauften Gütern und Dienstleistungen des Landes. Mehr Bildung,
       mehr Bildungsausgaben, mehr Gesundheit, mehr Kultur: Das würde ich als
       gutes Wachstum bezeichnen. Wenn Leute ihr Haus sanieren und damit die
       CO2-Emissionen senken, also Baustoffe verwenden und Handwerker dort
       arbeiten, ist das eine gute Form von Wachstum. Produzieren wir
       Einwegplastik, als gäbe es kein Morgen, und schmeißen das in die Welt, dann
       sind das die falschen Güter. Von Ersteren brauchen wir mehr, von Zweiteren
       weniger.
       
       Und nun die V-Frage: Geht der Wandel ohne Verzicht? 
       
       Die pauschale Frage trifft es nicht. Wir brauchen eine qualitative
       Veränderung. Die Märkte müssen bessere und ökologisch werthaltigere
       Produkte nach vorne bringen. Das ist sozialökologische Transformation.
       Daran arbeiten wir.
       
       Also kein Degrowth in Deutschland? 
       
       Kein Degrowth, aber jede Menge Transformation.
       
       27 Jan 2023
       
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       Nawalny.
       
   DIR Grüne Leoparden-Witze: Lauter kleine Raubkätzchen
       
       Sie tragen Leopardenpulli im Bundestag oder posten Raubkatzen-Bildchen:
       Woher kommt die Tendenz bei Teilen der Grünen, Kampfpanzer zu
       verniedlichen?
       
   DIR Klimabewegung in Russland: Der Kusbass grüßt Lützerath
       
       Russische Kohlegegner:innen haben sich mit dem Klimaprotest in
       Lützerath solidarisiert. Ihr Engagement wird in Russland immer
       gefährlicher.
       
   DIR Hedwig Richter über die Klimakrise: „Ziviler Ungehorsam gehört dazu“
       
       Die Historikerin Hedwig Richter über die Klimabewegung, ihre Professur an
       der Bundeswehr-Uni und die Notwendigkeit von Top-down-Politik.
       
   DIR Co-Chefin des Club of Rome über Europa: „Ich nenne das neokolonial“
       
       Mamphela Ramphele ist die Vorsitzende des Club of Rome. Sie kritisiert,
       dass der Green Deal der Europäer koloniale Strukturen nicht aufbricht.
       
   DIR FDP bremst Windkraft mit Autobahnen: Endlich den Turbo zünden
       
       Der Bund muss den Ländern gegenüber forscher auftreten und einen
       schnelleren Ausbau der Erneuerbaren verlangen. Bayern und die FDP bremsen.
       
   DIR Neuer Kabinettsbeschluss für Erneuerbare: Mehr Tempo für Windkraftausbau
       
       Veränderte Verfahren sollen den Ausbau von Windkraftanlagen in Deutschland
       beschleunigen. Unter anderem fallen Umwelt- und Artenschutzprüfungen weg.
       
   DIR Über Politik und Protest: Passt diese Zeit noch zu uns?
       
       Alle wollen das Klima retten – und verschwenden dabei viel Energie. Hier
       Protestfolklore, dort grüne Realpolitik. Und dazwischen: eine Menge Zank.
       
   DIR Annalena Baerbocks Rede: Ungeschick zur Unzeit
       
       Im Ausland wird die deutsche Außenministerin für ihre Klarheit geschätzt.
       Ihre unglückliche Aussage in Straßburg spielt den Kriegshetzern in die
       Hände.
       
   DIR Annalena Baerbock und der Ukraine-Krieg: Ein Satz schlägt Wellen
       
       Die Bundesaußenministerin sagt in einer Parlamentsbefragung, „wir führen
       einen Krieg mit Russland“. Zwei Tage später sorgt das für Aufsehen.
       
   DIR Bundeskanzler Olaf Scholz zu Lützerath: „Da verläuft für mich die Grenze“
       
       Olaf Scholz verteidigt den Lützerath-Kompromiss und wünscht sich Proteste
       für Windräder. Ein Gespräch über Kampfpanzer und den Spaß am schnellen
       Fahren.