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       # taz.de -- Rollback ins fossile Zeitalter: Die neue Gas-Ministerin
       
       > Weniger Wasserstoff, Kritik am Klimaziel, ein Trick, um Erneuerbare
       > abzuwürgen: Legt Wirtschaftsministerin Katherina Reiche die Axt an die
       > Energiewende?
       
   IMG Bild: Ministerin Katherina Reiche beim Wirtschaftstag 2025
       
       Berlin taz | „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“, ein Buch des
       Journalisten Franz Alt, gilt als Ökoklassiker, weil es zeigt, wie die
       Energiewende Jobs und Wohlstand sichern kann. [1][Katherina Reiche] hält
       den Slogan für „bekloppt wie simpel. So was kann man sich wirklich nur
       ausdenken, wenn man von Energie nix versteht“, sagte sie bei einer
       Veranstaltung des Bundesverbands der Deutschen Industrie.
       
       Deutschland habe deshalb ein „völlig überzogenes Erneuerbaren-Ziel“ und
       viel zu hohe Netzentgelte. Auch an der gesetzlich fixierten deutschen
       Klimaneutralität bis 2045 [2][mäkelte die erst im Mai ins Amt gekommene
       Bundeswirtschaftsministerin herum]: Das Pariser Klimaabkommen fordere nur
       2050, eine Harmonisierung wäre gut: „Ich weiß nicht, ob sich das jemand
       wirklich durchgerechnet hat.“
       
       Droht der deutschen Klimapolitik unter der CDU-Politikerin ein fossiles
       Rollback – trotz fortschreitender Erderhitzung? „Noch circa drei Wochen und
       Katherina Reiche schwenkt eine Kettensäge vorm Windrad“, schreibt dazu die
       Klimaaktivistin Carla Reemtsma auf X. Viele erinnern an Reiches vorherigen
       Job: Die Brandenburgerin war Chefin der Eon-Tochter Westenergie,
       verantwortlich für 38.000 Kilometer Gasnetz. „Vor einigen Tagen war sie
       noch Gas-Managerin. Jetzt ist sie Gas-Ministerin“, ätzt
       Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch.
       
       Katherina Reiche schießt dabei sogar gegen den Koalitionsvertrag. Auch
       der hatte unter Klimaschützer*innen nicht für Begeisterungsstürme
       gesorgt – aber er bekannte sich sehr wohl zur Klimaneutralität bis 2045.
       Auch in anderen Botschaften Reiches klingt durch: Sie will noch weniger
       Klimaschutz als Schwarz-Rot ohnehin plant.
       
       Kurz nach Amtsantritt hatte sie angekündigt, bald „mindestens 20 Gigawatt
       Gaskraftwerke“ ausschreiben zu wollen. Dabei spricht der Koalitionsvertrag
       nur von „bis zu 20 Gigawatt“ Gaskraftwerken, die als Backup für die
       wetterabhängige Versorgung mit dem Strom Erneuerbarer dienen sollen. Kurze
       Zeit später sprach auch Reiche [3][nicht mehr von über 20 Gigawatt aus Gas]
       – wollte aber nicht mehr vorschreiben, dass die Anlagen auf Wasserstoff
       umrüstbar sein müssen. Den kann man auf Ökostrombasis herstellen. Der Markt
       für den „grünen Wasserstoff“ kommt aber nicht in Gang. Das dürfte sich
       ändern, wenn die Nachfrage abgewürgt wird.
       
       ## Auf eine soziale Energiewende legt Reiche keinen Wert
       
       Dabei soll laut Koalitionsvertrag der Ausbau der grünen
       Wasserstoffwirtschaft kommen. Stattdessen nun drastische Einschnitte:
       Expert*innen kritisieren, dass das Budget für den Einsatz von grünem
       Wasserstoff auf ein Drittel schrumpft und die Mittel für industrielle
       Dekarbonisierung von 24,5 auf unter 2 Milliarden Euro sinken sollen. So
       steht es im Etatentwurf des Bunds für 2025. Und: Die Regierung will künftig
       die Gasspeicherumlage aus ihrem Klima- und Transformationsfonds (KTF)
       finanzieren. Damit vernachlässige sie die „dringend notwendigen
       Investitionen in ein zukunftsfähiges und resilientes Energiesystem“, ärgert
       sich die Chefin des Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae.
       
       Auch auf eine soziale Ausgestaltung der Energiewende legt Reiche offenbar
       wenig Wert: „Unternehmen und Verbraucher in Deutschland sollen dauerhaft um
       mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde“ entlastet werden, lautete ein
       zentrales Koalitionsversprechen. Nun erhalten nur Industrie und
       Landwirtschaft eine [4][Senkung der Stromsteuer.] Geringere Netzentgelte?
       Nicht mehr geplant. „Hier trifft Koalitionsvertrag auf finanzielle
       Möglichkeit und Wirklichkeit“, stellte Reiche dazu trocken fest.
       
       Nun will die Ressortchefin offenbar den Zubau erneuerbarer Energien mit
       einem Trick drosseln: Dazu will sie in einem Monitoringbericht zum
       Strombedarf die Datengrundlage überprüfen lassen, auf der der Ausbau von
       Wind- und Solaranlagen beruht – und hat dafür das Energiewirtschaftliche
       Institut an der Universität zu Köln (EWI) angeheuert. Entsprechende
       Medienberichte bestätigte das Wirtschaftsministerium der taz auf Anfrage.
       
       Im Beirat vom Förderverein des EWI sitzen zum Beispiel Vertreter*innen
       von Eon und Reiches vorherigem Arbeitgeber Westenergie. Hauptauftragnehmer
       ist das Beratungsunternehmen BET, das aber mit dem EWI zusammen an der
       Studie arbeiten will. Der Clou: BET hat einen Rahmenvertrag mit dem
       Wirtschaftsministerium und durfte den Zuschlag deshalb ohne vorherige
       Ausschreibung bekommen.
       
       27 Jun 2025
       
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