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       # taz.de -- Rücknahme von deutschen IS-Kämpfern: „Schwer realisierbar“
       
       > Die Bundesregierung zögert, deutsche IS-Kämpfer aus kurdischen Lagern in
       > Syrien wieder aufzunehmen. Trump droht, sie andernfalls einfach
       > freizulassen.
       
   IMG Bild: Kurz vor einer Niederlage des IS befinden sich noch viele ausländische IS-Kämpfer in Syrien
       
       Berlin taz/dpa | Deutschland will die USA überzeugen, dass die Aufnahme von
       in Syrien gefangen genommenen Kämpfern der Terrormiliz „Islamischer Staat“
       (IS) schwer realisierbar ist. „So einfach, wie man sich das in Amerika
       vorstellt, ist es (…) sicherlich nicht“, sagte Außenminister Heiko Maas
       (SPD) am Montag am Rande eines EU-Treffens.
       
       „Diese Leute können nur dann nach Deutschland kommen, wenn sichergestellt
       ist, dass sie auch unmittelbar in Gewahrsam genommen werden können“, sagte
       Maas. Derzeit sei nicht ersichtlich, wie das gewährleistet werden könne –
       vor allem mit Blick auf die Sicherheitsanforderungen. Deswegen halte er die
       US-Forderungen „aus jetziger Sicht für schwer realisierbar“. Zugleich
       erklärte er jedoch, dass deutsche Staatsbürger grundsätzlich „das Anrecht
       auf Wiedereinreise haben“.
       
       Trump hatte mehrere europäische Staaten am Wochenende [1][aufgefordert],
       ihre „mehr als 800“ in Syrien gefangenen IS-Kämpfer zurückzunehmen und in
       ihren Heimatländern vor Gericht zu stellen. „Das Kalifat steht vor seinem
       Fall“, schrieb der US-Präsident auf Twitter, „die Alternative, dass wir
       gezwungen sein werden, sie freizulassen, ist keine gute.“
       
       Bei den angesprochenen Gefangenen geht es um europäische Dschihadisten, die
       während des Vormarsches der von den USA unterstützten „Demokratischen
       Kräfte Syriens“ (SDF) in den vergangenen zwei Jahren festgenommen wurden
       und nun in Nordsyrien in Gefangenenlagern sitzen.
       
       Die SDF bestehen neben einigen arabischen Verbänden hauptsächlich aus der
       kurdischen YPG. Die Gefangenenlager werden deshalb auch vor allem von der
       YPG betrieben. Neben den Gefängnissen gibt es offene Lager, in denen viele
       Frauen und Kinder von IS-Kämpfern untergebracht sind.
       
       ## Menschliche Schutzschilde
       
       Nach Auffassung Trumps steht die Anti-IS-Koalition in Syrien vor dem Sieg.
       Die letzte IS-Bastion ist ein Dorf am Euphrat nahe der irakischen Grenze,
       das bereits vollständig umzingelt ist und nur deshalb noch nicht gestürmt
       wurde, weil der IS Zivilisten als Schutzschilde missbraucht.
       
       Trump lässt derzeit den Abzug von rund 2.000 US-Soldaten aus Syrien
       vorbereiten. Das bringt die Kurden in eine schwierige Situation. Der
       türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist fest entschlossen, nach dem
       US-Abzug die türkische Armee über die syrische Grenze zu schicken, um die
       YPG aus einer 30 Kilometer breiten Sicherheitszone zu vertreiben. Ein
       Sprecher der YPG hatte schon vor Wochen gedroht, man werde im Fall eines
       türkischen Angriffs die Gefangenenlager auflösen.
       
       Von den IS-Unterstützern, die in kurdischer Haft sitzen, kommen nach
       Angaben der Bundesregierung mehrere Dutzend aus Deutschland. „Derzeit sitzt
       eine größere zweistellige Zahl von Männern, Frauen und Kindern aus
       Deutschland im Gewahrsam von kurdischen Kräften der syrischen Opposition“,
       erklärte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums gegenüber der taz.
       
       Dem Ministerium zufolge sind seit 2013 rund 1.050 Personen aus Deutschland
       in Richtung des Kriegsgebietes in Syrien und dem Irak ausgereist. Rund ein
       Drittel dieser Menschen sei mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt.
       
       ## London blockt, Paris kooperiert
       
       Unterstützung erhielt der US-Präsident in seiner Forderung an die Europäer
       vom Vorsitzenden der Linken-Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch. „Wenn es
       deutsche Staatsbürger sind, dann müssen sie hier nach Deutschland kommen
       und sollten hier auch vor ein Gericht gestellt werden“, sagte er in der
       Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend. „Wir sind ein Rechtsstaat und
       genauso sollten wir agieren.“
       
       In London hält man es indes ähnlich wie die Bundesregierung. Die Regierung
       hat sich ablehnend dazu geäußert, britische IS-Kämpfer wieder ins Land zu
       lassen. In Großbritannien sorgt momentan der Fall einer 19-Jährigen, die
       2015 als 15-Jährige zum IS gegangen war, für Aufregung.
       
       Ihre Eltern hatten die Behörden um eine Rückkehrerlaubnis für die junge
       Frau gebeten, die gerade in Syrien ein Baby bekommen hat. Innenminister
       Sajid Javid lehnt das ab. „Wenn jemand Terrororganisationen im Ausland
       unterstützt hat, werde ich nicht zögern, seine Rückkehr zu verhindern“,
       sagte er.
       
       Einzig Frankreich, das wie die USA Soldaten in Syrien einsetzt, hatte
       bereits vor der jüngsten Forderung Trumps angekündigt, 130 französische
       IS-Kämpfer aus Syrien in Frankreich vor Gericht zu stellen.
       
       18 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/1096980408401625088
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
       ## TAGS
       
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