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       # taz.de -- Russische Athleten bei Olympia 2024: Schande oder Chance
       
       > In Russland wird darüber diskutiert, ob man Sportler zu Olympia nach
       > Paris entsenden soll. Die Bedingungen des IOC gelten vielen als
       > inakzeptabel.
       
   IMG Bild: Treuer Diener seines Präsidenten: Jewgeni Rylow bei Wladimir Putin
       
       Nun steht also fest, unter welchen Bedingungen Sportlerinnen und Sportler
       aus Russland an den Olympischen Sommerspielen im kommenden Jahr in Paris
       teilnehmen dürfen. Nationale Abzeichen dürfen nicht getragen werden, die
       Athletinnen und Athleten dürfen keine Militärs sein, sich nicht für die
       russische Kriegspropaganda einspannen lassen und müssen sich schriftlich
       zum Frieden bekennen. Mannschaften darf Russland gar nicht entsenden. Wer
       diese Kriterien erfüllt und die üblichen Qualifikationen übersteht, kann
       vom Internationalen Olympischen Komitee eine Einladung zu den Spielen
       erhalten.
       
       In der Ukraine gilt diese Entscheidung als Skandal. Außenminister Dmytro
       Kuleba meinte, die Entscheidung des IOC ermutige Russland, seine bewaffnete
       Aggression gegen die Ukrainer fortzusetzen. Und in Russland fühlt man sich
       einmal mehr ungerecht behandelt. [1][Das Russische Olympische Komitee] hat
       zunächst gar nicht auf die Entscheidung der Oberolympier um Thomas Bach
       reagiert. Kein Wunder – die Entscheidung, welche Konsequenzen aus der
       IOC-Entscheidung zu ziehen sind, fällt im Kreml, nicht in der Zentrale des
       russischen Sports.
       
       Klarheit hatte man sich von der Jahrespressekonferenz erhofft, die Wladimir
       Putin in der vergangenen Woche gegeben hat. Der Staatspräsident meinte
       zwar, dass er verstehe, dass alle Athleten, die über Jahre hart trainiert
       haben, sich mit den Besten messen wollen. Er sagte aber auch, dass die
       Vorgaben des IOC so gestaltet seien, dass sie eine Teilnahme der besten
       Russen verhindern würden.
       
       Wenn der Eindruck entstehe, der russische Sport sei am Sterben, dann müsse
       man sich die Teilnahme an den Spielen ganz genau überlegen. Seitdem wird in
       Russland diskutiert, ob russische Sportlerinnen und Sportler nicht besser
       zu Hause bleiben sollten im nächsten Sommer.
       
       ## Überflüssige Weigerung
       
       So gab am Sonntag Rückenschwimmer Jewgeni Rylow, Doppelolympiasieger bei
       den Spielen 2021 in Tokio, im Sportkanal MatchTV eine beinahe schon
       staatstragende Erklärung ab: „Ich weigere mich, zu den Olympischen Spielen
       zu fahren.“ Was wie ein starkes Statement rüberkommen sollte, ist nichts
       weiter als eine sinnlose Ankündigung. Rylow hatte im März 2022 an jener
       kriegsverherrlichenden Propagandashow zum Jahrestag der Annexion der Krim
       im Moskauer Luschniki-Stadion teilgenommen und seine Einladung zu den
       Spielen ohnehin längst verwirkt.
       
       Auch die besten rhythmischen Sportgymnastinnen [2][hatten an der Show unter
       dem Kriegssymbol „Z“ teilgenommen]. Wenn also Verbandschefin Irina Viner
       sagt, dass ihre Gymnastinnen niemals ohne russische Flagge und Hymne
       antreten werden, tut sie das in dem Wissen, dass ihre Sportlerinnen die
       IOC-Kriterien für eine Teilnahme sowieso nicht erfüllen können. Viners
       starke Worte finden dennoch große Verbreitung im Land: „Es wäre eine
       Schande, wenn wir zu Olympia fahren würden.“
       
       Der lautstärkste Kritiker des IOC in Russland ist [3][Umar Kremlew, der
       Chef des Internationalen Boxverbands IBA], der um den Status seines
       Verbands als Mitglied der olympischen Familie kämpft. Für den 41-Jährigen
       ist IOC-Chef Thomas Bach ein korrupter Dieb, der ungeeignet für das Amt
       sei. „Ich möchte, dass der Sport von diesen Hyänen befreit wird“, sagte er.
       Es sei eine Demütigung für einen Sportler, ohne Flagge und Hymne
       aufzutreten.
       
       TV-Kommentator und Putin-Propagandist Jewgeni Gubernjew ist da anderer
       Meinung. Er werde alle unterstützen, die nach Paris fahren, hat er gesagt
       und will sie auch gegen möglichen Hass aus der Heimat in Schutz nehmen. „Es
       gibt keinen Grund, auf die Sesselfurzer zu hören, die so gerne darüber
       reden, wie sehr sie ihr Heimatland lieben“, meint er. Sportlern gehe es
       darum, Leistung zu bringen. Das könnten sie auch als neutrale Athleten.
       
       19 Dec 2023
       
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