# taz.de -- Russisches Staatsfernsehen über Krieg: Die Welt, wie sie ihm gefällt
> Putin rechtfertigt die Explosionen in der Ukraine als „Kampf gegen
> Terrorismus“. Das Staats-TV spricht davon, als gäbe es keine
> Verantwortlichen.
IMG Bild: Russlands Präsident Wladimir Putin im Staatsfernsehen: Als wären russische Bomben ein Wetterphänomen
Moskau taz | Wladimir Putins knapp dreiminütiger Auftritt läuft immer und
immer wieder. In den Nachrichtensendungen des russischen Staats-TV, in den
Talkshows. „Auf Anregung des Verteidigungsministeriums und des Generalstabs
erfolgte heute Morgen ein [1][Massenschlag auf die Ukraine]“, sagt
Russlands Präsident am Montagmittag vor seinem Sicherheitsrat. Es ist seine
menschenverachtende Erklärung der Zerstörung und des Todes im Nachbarland.
Putin verfolgt seine „gesetzten Ziele“.
Er spricht, wie seit Februar bereits, von „hochpräzisen Luft-, See- und
landgestützten Langstreckenwaffen“, die die „Energieinfrastruktur,
militärische Kommandosteuerungen und Kommunikationseinrichtungen“
vernichtet hätten. Und er droht wieder einmal: „Wenn die Terroranschläge
auf dem Territorium Russlands fortgesetzt werden, werden die Antworten hart
sein und in ihrem Ausmaß dem Niveau der Bedrohung für die Russische
Föderation entsprechen.“ Irgendeinen Zweifel daran, so sagt Putin, solle
niemand haben.
Die Falken in seinem Regime feiern. „Lauter gute Nachrichten seit diesem
Morgen“, schreibt etwa Sergei Axjonow, der sich mit dem Titel schmückt,
Gouverneur der Krim zu sein. „Die Russen kommen! Endlich!“, teilt Kirill
Stremussow, Putins Statthalter im besetzten Cherson, in den sozialen
Netzwerken mit. „Ich hoffe ja, dass es keine einmalige Aktion war, sondern
ein neues System der Kampfführung. Weiter so!“, feuert der
Militärberichterstatter der staatlichen Zeitung Komsomolskaja Prawda,
Alexander Koz, in seinem Telegram-Kanal geradezu an.
Putins Vergeltungsschlag für die [2][Zerstörung der Krim-Brücke] am
Samstag, deren Verantwortung dieser beim „Terrorregime in Kiew“ sieht, wie
er sagt, stimmen die russischen Kriegstreiber höchst zufrieden. „Lauf,
Selenski, lauf. Wir haben dich gewarnt, dass wir noch nicht richtig
begonnen hätten“, höhnt der Tschetschenienführer Ramsan Kadyrow, den Putin
erst vor wenigen Tagen zum Generaloberst ernannt hatte.
## Das Staatsfernsehen bleibt zunächst stumm
Der Chef der Partei „Gerechtes Russland“, Sergei Mironow, schreibt: „In der
Ukraine müssen sie in Angst leben. Wir dürfen die Terroristen nicht
betüddeln. Sieben Monate haben wir sie verschont. Das reicht!“ Und Tigran
Keossajan, der Ehemann von Putins Chef-Propagandistin Margarita Simonjan,
sieht durch die jüngste [3][Ernennung des Generals Sergei Surowikin] zum
Chef der russischen Truppen in der Ukraine einen „echten goldenen Herbst
gekommen“. Dem einstigen Syrien-Kommandeur Surowikin warfen russische
Menschenrechtler*innen bereits in Tschetschenien Kriegsverbrechen vor.
Noch in den Morgenstunden, als in Kiew, Odessa und Lwiw Bomben auf Straßen
und Menschen niedergehen, gibt sich das russische Staatsfernsehen stumm.
Kein Wort von „lang erwarteten Antwortschlägen zur Vernichtung des
terroristischen Nazi-Regimes“, wie wenig später auf allen Kanälen zu hören
ist. Die Mittagsnachrichten dann zeigen verwackelte Aufnahmen, brennende
Autos, viel Rauch.
Die Nachrichtensprecherin weist auf Bilder der Zerstörung in der Ukraine
hin – und spricht mittels Passivkonstruktionen; „In Kiew donnerte es“, sagt
sie, oder: „Seit den Morgenstunden kam in der Ukraine etwas angeflogen“,
„Es gab Einschläge hier, Einschläge dort, wirklich ernsthafte Treffer“.
Dass russische Truppen dafür verantwortlich sind, sagt sie nicht. Es
klingt, als seien Kiew und die vielen anderen ukrainischen Städte von
unsichtbaren Außerirdischen überfallen worden. Als seien russische Bomben
eine Art Wetterphänomen, das für verheerende Zerstörungen sorge.
## „Schuld sind wir an all dem nicht“
In einer späteren „Sondersendung“ der Talkshow „Die Zeit wird es zeigen“ im
Ersten Kanal freuen sich die beiden Moderator*innen über die
„beeindruckenden Aufnahmen“ aus der Ukraine. „Wir haben schon oft gesagt,
dass die Terroristen zu vernichten seien, nun hat auch der Präsident ein
Machtwort gesprochen“, sagt der Moderator. Sein Gast, ein „Politologe“,
beschuldigt – ganz in Putin-Manier – den Westen. Die USA könnten lediglich
„zündeln und verraten“, Europa sei das „Schicksal der Ukraine absolut
egal“.
Eine angebliche Journalistin aus Frankreich erklärt, wie europäische
Medienmacher*innen „Pakete von ideologischen Handbüchern“ erhielten
und die Ereignisse in Russland und der Ukraine „nicht wahrheitsgemäß an
ihre gutgläubigen Leser und Zuschauer“ weitergäben. „Die russische Armee
ist stark“, tönt wieder der „Politologe“, die Moderatorin ist ganz seiner
Meinung. „Aber schuld sind wir an all dem nicht.“
10 Oct 2022
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## AUTOREN
DIR Inna Hartwich
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