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       # taz.de -- SPD-BSW-Koalition in Brandenburg: Gut, dass es die Bayern gibt
       
       > Die rot-lila Koalitionspartner geben sich zur ersten Bilanz entspannt.
       > Das ging nur, weil es im Bundesrat auf Brandenburgs Stimmen nicht ankam.
       
   IMG Bild: So nah wie bei Wahl und Ernennung im November soll das Verhältnis von Woidke (SPD) und Crumbach (BSW) auch 100 Tage später sein
       
       Da saßen sie wie zwei wackere Arbeiter im Weinberg des Herrn, denen die
       Journalisten irgendwie nur die Zeit stehlen, noch mehr Gutes für
       Brandenburg zu tun. Er habe vor der Pressekonferenz zur 100-Tage-Bilanz von
       SPD und BSW gar nicht gewusst, was er da sagen solle, war da in dieser
       Woche von Finanzminister und BSW-Landeschef Robert Crumbach zu hören.
       „Außer: Wir arbeiten halt.“ Und Dietmar Woidke, der Ministerpräsident und
       brandenburgische SPD-Chef, sagte von sich und seinem Nebenmann: „Wir zwei
       gehören eher zur Generation Handwerker statt Mundwerker.“
       
       Alles paletti also nach knapp dreieinhalb Monaten rot-lila Zusammenarbeit,
       seit jenem Tag Mitte Dezember, als Woidke, wenn auch erst im zweiten
       Wahlgang, im Landtag erneut zum Ministerpräsidenten gewählt wurde und
       danach die bundesweit ersten BSW-Kabinettsmitglieder ernannte? Das
       zumindest ist die Botschaft, die Woidke und Crumbach rüberbringen wollten.
       
       Dass die CDU das, was SPD und BSW selbst „geräuschloses Regieren“ nennen,
       als „Friedhofsruhe“ bezeichnet – die beiden scheint es nicht wirklich zu
       stören. Woidke stellte es so dar, als ob sich da eher im Stillen eine aus
       der Not geborene Beziehung erst richtig entwickeln würde: Das BSW hatte
       sich vor der Wahl eigentlich auf eine Oppositionsrolle eingestellt,
       [1][doch dann fehlte im 88-köpfigen Brandenburger Landtag ein einziges
       Mandat zu einer SPD-CDU-Koalition].
       
       „Eines kann man feststellen: Eine große Begeisterung gab es damals nicht
       füreinander“, blickte Woidke vor den Journalisten zurück. Nun aber hat er
       Stunden vor der auf Dienstag vorgezogenen 100-Tage-Bilanz in der Sitzung
       der BSW-Fraktion vorbeigeschaut. „Ich habe mich da nochmal ganz persönlich
       bedankt.“
       
       ## „Klare Differenzen“ in der Außenpolitik
       
       Das alles hätte mutmaßlich ganz, ganz anders ausgesehen, wenn nicht tags
       zuvor [2][aus Bayern von der dortigen Koalition aus CSU und Freien Wählern
       die Nachricht gekommen wäre], dass man im Bundesrat an diesem Freitag für
       die noch fehlenden Stimmen zur Zwei-Drittel-Mehrheit für die viel
       diskutierten Sondervermögen sorgen werde. Denn bei aller Nähe und
       gemeinsamen Arbeitsamkeit mochte auch Woidke nicht verhehlen, dass es
       „klare Differenzen“ in der Außenpolitik gibt – das BSW lehnt die
       Aufweichung der Schuldenbremse für mehr Verteidigungsausgaben ab. Für die
       CDU-Fraktion stellt das BSW deshalb „eine Gefahr für unsere nationale
       Sicherheit“ dar.
       
       Ob Woidke, der in diesen Tagen seinen Vor-Vorgänger Manfred Stolpe als
       dienstältesten Ministerpräsidenten des Landes ablöst, ohne diese Zusage
       auch ganz entspannt davon gesprochen hätte, die Koalition habe für einen
       solchen Fall „feste Vereinbarungen“? Das bezog sich darauf, dass der
       Koalitionsvertrag für den Fall unterschiedlicher Haltungen auf Seite 66
       [3][eine Enthaltung im Bundesrat vorsieht] – wie dann am Freitag auch
       geschehen.
       
       In der Vorgängerregierung mit CDU und Grünen hatte Woidke sich zwei Mal
       nicht an solche Vorgaben gehalten. Im November 2024 [4][entließ er sogar
       kurz vor einer Abstimmung im Bundesrat die damalige Grünen-Ministerin
       Ursula Nonnemacher], damit die seiner Haltung nicht widersprechen konnte.
       
       Gut möglich also, dass Woidke aus übergeordneten Gründen für das Land
       Brandenburg mit „Ja“ gestimmt und wie auch immer verhindert, dass Crumbach
       oder ein anderer BSW-Vertreter im Bundesrat dieses Votum durch Widerspruch
       ungültig gemacht hätte. Das wäre zwangsläufig das Ende der Koalition
       gewesen – und die SPD hätte auf einen Parteienwechsler aus den Reihen des
       BSW hoffen müssen, um dann mit der CDU und einem Sitz Mehrheit im Landtag
       weiter regieren zu können.
       
       Dieser Kelch, [5][um mal biblisch zu werden], ist nun eben an Woidke und
       der SPD vorübergegangen. Und weil es die Ausnahme ist, dass sich eine
       Landeskoalition mit außenpolitischen Fragen beschäftigen muss, dürfte in
       dieser Hinsicht eine Zeitlang kein Konflikt dräuen. Ob das allerdings so
       lange gilt, wie es sich BSW-Chef Crumbach vorstellt, ist fraglich. Der war
       sich bei der 100-Tage-Bilanz „sicher, dass wir auch die nächsten fünf Jahre
       gemeinsam bewerkstelligen.“
       
       21 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /BSW-nach-der-Brandenburg-Wahl/!6035450
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/finanzpaket-bayern-bundesrat-100.html
   DIR [3] https://spd-brandenburg.de/wp-content/uploads/sites/111/2024/12/20241210_Koalitionsvertrag_SPD_BSW_Endstand_unterzeichnet.pdf
   DIR [4] /Zoff-um-Krankenhausreform-in-Brandenburg/!6050931
   DIR [5] https://www.vivat.de/magazin/bibel/redewendungen/der-kelch-geht-an-jemandem-vorueber/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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