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       # taz.de -- SPD-Politiker Volker Härtig: Ein sauschlechter Vermieter
       
       > Volker Härtig ist so etwas wie Berlins oberster Mieterschützer. Als
       > Vermieter aber lässt er Mieter und Voreigentümerin im Stich – und erhöht
       > Mieten.
       
   IMG Bild: Mieterschreck Volker Härtig
       
       Eberswalde taz | Vom Hauptbahnhof Eberswalde sind es fünf Kilometer
       westwärts, vorbei an stillgelegten Fabriken und Bushaltestellen, die
       Kranwerk oder Eisenspalterei heißen, bis in den Ortsteil Finow. In dem
       eingemeindeten Dörfchen ist von dem Verfall der Industrieanlagen nichts
       mehr zu sehen, statt Grau und Braun dominieren hier Pastelltöne, in denen
       viele der Häuser gestrichen sind. So auch die dreistöckige Stadtvilla – in
       Zartrosa.
       
       Das schmucklose, aber tadellos erhaltene Haus gehörte viele Jahre lang
       einer privaten Eigentümerin, die hier einst selbst wohnte und sich zuletzt
       aus der Ferne um den Erhalt des Gebäudes und um ihre Mieter*innen
       kümmerte. Drei Parteien teilen sich das Haus, eine vierte Mieterin wohnt in
       einem einstöckigen Flachbau im Garten dahinter. Spricht man mit ihnen über
       ihre ehemalige Vermieterin – in diesem Text soll sie Sonja Grabow heißen –,
       fallen Sätze wie: „Alles, was Frau Grabow sagt, stimmt.“ Auf die Frau, die
       das Haus Ende 2019 für etwa 400.000 Euro verkaufte, lassen sie nichts
       kommen.
       
       Im Gespräch über den neuen Vermieter wird der Ton plötzlich rauer: „Zu dem
       kann ick ja nüscht sajen“, so eine der Mieter*innen, schließlich sei dieser
       weder erreichbar, noch habe er sich bislang bei ihnen blicken lassen. „Der
       kriegt jetzt ein Einschreiben, dann hört er von meinem Anwalt“, sagt ein
       anderer. Namentlich möchte keiner von ihnen genannt werden, wer weiß,
       welche Probleme das verursache. Auch die ehemalige Eigentümerin will ihren
       richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Am Telefon sagt sie der taz:
       „Ich hatte gehofft, jemanden zu finden, der das Haus genauso wertschätzt
       wie ich. An diesen skrupellosen Menschen würde ich es nie mehr verkaufen.“
       
       Grabows Groll gilt [1][Volker Härtig], einem SPD-Politiker, der seit
       Jahresbeginn qua Amt so etwas wie Berlins oberster
       Mieter*innenschützer ist. Als neuer [2][Vorstand der
       Wohnraumversorgung Berlin] obliegt es ihm, über die Erfüllung des
       Sozialauftrags der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu wachen. Eine
       Fehlbesetzung sei Härtig, da waren sich viele Mieterinitiativen sicher, als
       die Entscheidung von Finanzsenator Kollatz (SPD) für Härtig bekannt wurde.
       [3][„Diese Personalie werten wir als einen Angriff auf die soziale
       Mietenpolitik“], hieß es in einem offenen Brief Mitte Dezember. Härtig
       stehe „für die Abkehr von Partizipation und sozialer Wohnungspolitik“.
       
       ## „Der tut absolut nichts“
       
       In Finow wissen die Mieter*innen nicht viel über Härtigs Amt und den
       Streit um ihn. Sie wissen nur, dass er „Politiker“ ist. So wie sie es
       sagen, meinen sie damit: So einem könne man nicht trauen. Aber auch: Am
       Ende sitzt der immer am längeren Hebel. Ihre Erfahrung mit Härtig als
       Vermieter lässt sich nach 16 Monaten auf einen Satz herunterbrechen: „Der
       tut absolut nichts.“
       
       Härtig habe sich weder vorgestellt, noch sei er erreichbar. Auf Mails
       reagiere er nicht, Anrufe nehme er nur beim ersten Versuch entgegen; nicht
       mehr, wenn ihm die Nummer schon bekannt sei. Die Mieten allerdings, die
       habe er erhöht. 40 Euro müssen die Mieter*innen seit Jahresbeginn mehr
       zahlen.
       
       Die ehemalige Eigentümerin Grabow sagt: „Härtig hätte am Tag nach dem Kauf
       alle Rechte und Pflichten übernehmen müssen. Das hat er aber nicht.“ Er
       habe sich nicht gerührt, die Verträge für Wärmeversorgung, Straßenreinigung
       oder die Gebäudeversicherung zu übernehmen.
       
       Monatelang nach dem Kauf musste Grabow noch immer Rechnungen begleichen,
       erhielt Mahnungen. „Das alles ist ein Riesenproblem und ich stehe da wie
       ein Depp“, sagt Grabow. Die Mieter*innen hätten es ihr zu verdanken,
       dass sie im Winter nicht im Kalten saßen. Weil Härtig den Vertrag mit dem
       Versorgungsunternehmen EWE nicht übernahm, sei sie für das Gas der
       Heizungsanlage im Keller in Vorleistung gegangen. Auch um Wasser und Strom
       habe Härtig sich nicht gekümmert.
       
       ## Lieber nicht selbst ins Grundbuch
       
       Erst Ende April erhielt Grabow die Nachricht, dass der Name Härtig nun
       endlich im Grundbuch stehe. Allerdings nicht jener von Volker Härtig, der
       zwar die Kaufverhandlungen geführt hat, und die Kommunikation über sich
       laufen ließ, sondern der Name seiner Frau. Ein Mieter mutmaßt, die Ehefrau
       sei die „Strohpuppe“, hinter der sich der Politiker Härtig im Problemfall
       verstecken könne.
       
       Die Verzögerung bei der Eintragung ins Grundbuch begründet Grabow damit,
       dass die Härtigs die Grunderwerbssteuer lange nicht gezahlt hätten. Als der
       Eigentümerwechsel dann offiziell beurkundet war, ließ Grabow ihr Konto
       sperren und weigerte sich, weitere Rechnungen zu begleichen. Noch im März
       diesen Jahres musste sie die Miete für die Wasserzähler im Voraus für die
       nächsten Jahre zahlen. „Härtig schuldet mir mehrere tausend Euro. Natürlich
       will ich die zurückhaben“, sagt die ehemalige Vermieterin.
       
       Die Nebenkostenabrechnung für 2019 hätte Härtig bis Ende 2020 erstellen
       müssen. Doch die Mieter*innen warten noch immer. Laut Grabow stünden
       ihnen teils hohe Rückzahlungen zu. Härtig hat laut einer für ihn günstigen
       Klausel im Kaufvertrag bis Juni Zeit, das Geld zu überweisen. Die
       Mieter*innen gehen allerdings davon aus, ihre Forderungen nur mit
       Rechtsbeistand durchsetzen zu können. Zudem sorgen sie sich darum, dass das
       Haus nun nicht mehr versichert sei.
       
       Dem bisherigen Hausmeister hatte Grabow nach ihrem Verkauf gekündigt.
       Inzwischen ist er wieder im Haus tätig, wie die Mieter*innen erzählen.
       Ob Härtig den Mann, wie zuvor Grabow, bei der Minijobagentur und
       Berufsgenossenschaft angemeldet und ihn damit auch versichert habe, hätte
       die taz gern von dem Politiker erfahren – und sich auch gern seine Sicht
       angehört. Auf eine Anfrage hat Härtig jedoch nicht reagiert.
       
       Richtigstellung In einer früheren Version hieß es: „Erst Ende April erhielt
       Grabow die Nachricht, dass der Name Härtig nun endlich im Grundbuch stehe.
       Allerdings nicht jener von Volker Härtig, der zwar als Käufer auftrat und
       alle Kommunikation über sich laufen lässt, sondern der Name seiner Frau.
       Für Grabow war das eine Überraschung, ebenso wie für die Mieter*innen. Von
       Frau Härtig haben sie bis heute nichts gehört.“ Frau Grabow hat uns dazu
       erklärt, dass das falsch ist und dass sie wusste, dass Härtig für die
       Ehefrau die Verhandlungen geführt hat. Wir haben daher diese Stelle im
       Artikel geändert. Die Redaktion
       
       19 Apr 2021
       
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