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       # taz.de -- Samy Deluxe über Testosteron: „Ich trage nicht immer rosa Socken“
       
       > Der Rapper Samy Deluxe über sein neues Album „Männlich“, Machotum, und
       > den Zusammenhang von Narzissmus und Depressionen.
       
   IMG Bild: „Gemessen an meiner Messlatte bin ich der Beste“: Samy Sorge
       
       taz: Samy Deluxe, in Ihren Liedern betonen Sie gern, dass Sie der
       „Allerallerbeste“ sind. Sind Sie narzisstisch veranlagt? 
       
       Samy Deluxe: Narzisstisch veranlagt reimt sich auf rassistischer Anschlag.
       Ja, auf jeden Fall. Narzissmus ist im Rap selbstverständlich. Ich erwarte
       bei jedem Rapper, dass er mindestens ein Mal in seiner Karriere klarstellt,
       dass er sich als den Besten dieser Kunstform empfindet. Gemessen an meiner
       Messlatte bin ich der Beste. Das hat auch viel mit Spaß zu tun, weil einige
       meiner Texte aus dem Freestyle entstehen. Aber es gibt eben nicht nur eine
       Messlatte. Alles, was mich zum Weinen oder Lachen bringt, was ehrlich und
       persönlich ist, ist natürlich auch das Beste.
       
       Sobald Sie sich über Ihre großen Erfolge freuen könnten, werden Sie
       melancholisch. Hängen Narzissmus und Depression Ihrer Meinung nach
       zusammen? 
       
       Ich glaube, ja. Es gibt diese Art von Menschen, und zu denen gehöre ich.
       Ich mag mein Leben, aber wenn ich wirklich darüber nachdenke, was Leben
       bedeutet, dann ist ziemlich viel davon scheiße. Allein der Fakt, dass wir
       uns alle darauf vorbereiten müssen, dass unsere Eltern sterben. Das Leben
       ist mit so vielen unglaublichen Scheißfaktoren gefüllt, und wenn man dann
       noch in der Öffentlichkeit so einen Job wie ich hat, der Leidenschaft, aber
       gleichzeitig auch Abhängigkeit bedeutet, zieht das schon runter.
       
       Was genau zieht Sie runter? 
       
       Wenn ich keine Musik machen kann und ich wie letztens eine Woche bei meinem
       Sohn in den Staaten war und plötzlich Zeit für mich hatte. Es ist kein
       Studio da, das mich ablenkt, und da frage ich mich schon, ob die Leute mich
       überhaupt noch mögen. Ich habe nie etwas gemacht, das für mich komplett
       unerfolgreich war, aber kurz vor dem Release eines neuen Albums wird mir
       immer bewusst, dass mein Leben schon an der Musik hängt.
       
       Als Rapper versuche ich mich immer an der Plattitüde, dass es noch Hoffnung
       gibt. Ich bin ja der Beweis dafür, dass man so leben kann, wie es Spaß
       macht, aber ich habe dennoch einen großen Hang zur Melancholie. Auch wenn
       ich oft feststelle, dass meine Probleme Luxusprobleme sind. Ich kämpfe
       immer mit der Frage, was ich eigentlich will. Und wenn ich das bekomme, was
       ich will, dann bin ich oft nicht zufrieden. Das geht ewig so weiter.
       
       Sie stehen öffentlich dazu, dass Sie zum Psychologen gehen und meinen,
       jeder Mensch habe eine Therapie nötig. Warum? 
       
       Therapie kann alles bedeuten. Wenn ich wie heute einen puren Interviewtag
       habe, versuche ich, mich nicht davon stressen zu lassen. Die Einstellung
       dazu ist dann, dass ich noch mal über mich reflektieren kann, wenn Menschen
       mir Fragen stellen. Die Therapie für jeden ist, an seiner Einstellung zu
       arbeiten.
       
       Wie erhellen Sie sich den Tag, wenn es Ihnen gerade nicht so gut geht? 
       
       Ich texte und beschäftige mich so mit mir. Wenn ich traurig bin, mache ich
       dann manchmal einen derbe fröhlichen Song. Musik macht mich tatsächlich am
       glücklichsten. Ich hatte auch Zeiten, in denen ich sehr viel eingekauft
       habe. Damals war der Messwert eines Tages, was ich an Besitz akquiriert
       habe. Heutzutage stelle ich mir vielmehr die Frage, was ich selbst kreiert
       habe. Und dann schreibe ich, unzensiert.
       
       In meinem eigenen Studio, das ich mir 2010 in Hamburg gekauft habe, kann
       ich mich selbst ungestört und ohne Publikum aufnehmen. Da habe ich gelernt,
       dass ich so viel mehr in mir drin habe, als ich es unter anderen
       Rahmenumständen zeigen konnte. Es gibt sonst immer eine Hemmschwelle, wenn
       andere Leute auch mit im Studio sind.
       
       Gleichzeitig stellen Sie sich öffentlich im Fernsehen dar. Bis vor Kurzem
       hatten Sie die Sendung „Männlich Deluxe“, bei der Sie im Bootcamp und beim
       Motocrossrennen waren, um herauszufinden, was Männlichkeit bedeutet. Sind
       Sie dahintergekommen? 
       
       Obwohl ich viel über Männlichkeit nachgedacht habe, habe ich mehr die
       Fragestellung gefeiert als die Tatsache, dass ich der Welt jetzt die
       Antwort darauf bieten könnte. Ich mag es einfach, mich an so einem Thema
       entlangzuhangeln. Eigentlich ist ja nur im Klischee etwas männlich oder
       weiblich. Beim Motocrossfahren zum Beispiel habe ich mich extrem männlich
       gefühlt. Die Frau, die uns die Anzüge gegeben hat, erzählte mir dann, dass
       sie schon mit fünf Jahren auf der Piste gefahren sei. Und das meine ich:
       Alles kann in eine andere Relation gerückt werden. Nichts ist so plump, wie
       es scheinen könnte, es liegt immer an der Betrachtungsweise.
       
       Dennoch bedienen Sie auf Ihrem neuen Album „Männlich“ ganz deutlich das
       Klischeebild des Mannes. 
       
       Da rede ich vielmehr allgemein über die Männerrolle und das Machobild, das
       von der Gesellschaft geprägt wird, oder von Mädels, die immer nur mit den
       coolen Typen zusammen sein wollen und mit den netten Jungs Schluss machen.
       In manchen Liedern geht es thematisch tief, und in anderen geht es einfach
       nur ums Angeben, was eher ein männliches Attribut ist als ein weibliches.
       
       In „Verbotene Früchte“ sprechen Sie über die Schwester Ihrer Verlobten, mit
       der Sie fremdgehen wollen. 
       
       Da muss ich auf jeden Fall erwähnen, dass diese Story nicht meine ist. Die
       kommt aus dem Internet, und Patrice, der Reggae-Sänger, hat sie mir
       weitererzählt. Als Mann reizt es mich nicht, darüber zu reden, dass ich
       schon einmal fremdgegangen bin. Es ist nichts, womit ich mich schmücke. Es
       ist eine abgebildete Realität, die bei mir und anderen da ist. Jedes Paar
       muss sich mit der Realität auseinandersetzen, dass es auch immer andere
       Mitbewerber auf dem Markt gibt. Auf beiden Seiten.
       
       Männer denken mit dem „Penis“, wird im gleichnamigen Lied auf der neuen
       Platte behauptet. Darum sehe das Herz nicht weiter als das Auge. Wie
       wichtig ist es, sich als Rapper stereotyp männlich zu präsentieren? 
       
       Im Moment trage ich zum Beispiel Hello-Kitty-Socken. Ich denke: Jeder muss
       das finden, womit er sich wohlfühlt. Ich meine, ich trage nicht immer rosa
       Socken, aber ich fand den Gag im Sinne der Männlichkeit witzig. Ich rede
       natürlich über Klischees und bediene sie, um Punchlines witzig zu machen,
       aber ich denke wenig in Klischees. Vielmehr versuche ich Dinge aufzusaugen,
       als sie direkt zu bewerten. Es gibt heutzutage die Einstellung von
       Menschen, dass sie direkt alles bei Facebook und Youtube kommentieren
       wollen. Ich habe da noch nie etwas kommentiert. Ich gebe nur Kommentare,
       wenn Leute mich danach fragen.
       
       Sie denken nicht in Klischees? Bei dem Lied „Warum“ aus dem Jahre 2004 wird
       die Frau absolut sexualisiert. 
       
       Ich bin nicht so aufgewachsen, dass ich so reden würde, aber als Mann
       stellt man schon fest, dass es einfach megaviele hübsche Frauen gibt. Bei
       „Warum“ hatte ich den Weg als Rapper ein wenig verloren, weil ich davor
       immer der Underdog war, dann wurde ich kurze Zeit später unter Vertrag
       genommen und derbe erfolgreich. Ich bereue das Lied nicht, weil es kein
       vollkommenes Karrieredesaster war, aber zu der Zeit waren der Künstler und
       der Mensch Samy am wenigsten deckungsgleich. Mein Alter Ego Herr Sorge ist
       hingegen sehr deckungsgleich mit mir. Ich könnte durchgehend nur Comedy und
       Satire schauen, weil ich die Betrachtungsweise von der Welt, dass eh alles
       im Arsch ist, liebe. Herr Sorge repräsentiert diese Betrachtungsweise. Da
       will ich den Humor dann rauskitzeln.
       
       Haben Sie denn noch Träume? 
       
       Na ja, ich träum wenig, weil ich halt kiffe. Ich kann mich selten daran
       erinnern, nur bei schlimmen Horrorszenarien. Manchmal wache ich auf und
       merke dann, dass ich was derbe Unangenehmes geträumt habe, gejagt wurde,
       nackt auf der Bühne war oder so. Ich habe irgendwann mal einen sich
       wiederholenden Traum gehabt. Da stand ich auf der Bühne, und der Raum wurde
       immer leerer. Dieses Gefühl war nicht gut, weil man bei einer Show die
       Stimmung immer steigern will. Und ein anderes Mal träume ich, dass ich
       richtig reich wäre. Wenn ich dann aufwache, bin ich enttäuscht.
       
       Aber Sie sind doch reich. 
       
       An Erfahrung. Auf jeden Fall.
       
       20 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lisa Maucher
       
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