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       # taz.de -- Sanktionen gegen Mali: Wenn es die Falschen trifft
       
       > Internationale Strafmaßnahmen sollen Druck auf Malis Militärregime
       > ausüben. Doch die Folgen bekommt vor allem die Bevölkerung zu spüren.
       
   IMG Bild: Weiterfahrt nur noch mit Fahrrad: Lkws aus der Elfenbeinküste an der geschlossenen Grenze zu Mali
       
       Cotonou taz | In Benins Hafenmetropole Cotonou stehen an diesem
       Samstagmorgen mehrere Lkws der beninischen Armee. In der Kaserne Camp Guezo
       mitten in der Stadt wartet der Konvoi auf die Abfahrt Richtung Norden.
       Beladen sind die Lastwagen mit riesigen Containern, auf denen jeweils ein
       weißer Zettel mit der Aufschrift GAO/Mali klebt. In Gao ist im Rahmen des
       UN-Einsatzes in Mali [1][auch die Bundeswehr stationiert]. Eine Fahrt
       dorthin dauert mehrere Tage und führt über Niger.
       
       Solche Militärkonvois sind fast die einzigen, die noch legal die Grenze
       nach Mali passieren dürfen. Seit gut einem Monat erleidet Mali die
       [2][schwersten Sanktionen] seit der Unabhängigkeit 1960. Damit will die
       [3][Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas)] Druck auf die
       Militärregierung von Assimi Goïta und dessen Premierminister Choguel Maïga
       ausüben.
       
       Die sollen endlich festlegen, wann in Mali Präsident und Parlament [4][neu
       gewählt] werden. Aus Bamako heißt es, dass mittlerweile Gespräche mit
       Ecowas laufen. Spekuliert wird in Berichten über eine Übergangszeit von nur
       noch 18 bis 24 Monate – die Regierung hatte Anfang Januar von bis zu fünf
       Jahren gesprochen. Auch soll Goïta bei den Wahlen nicht antreten dürfen.
       
       Doch solange nichts vereinbart ist, bleiben die Grenzen dicht für alles
       außer Waren des täglichen Bedarfs. Vor allem Händler*innen sind genervt.
       In Senegal hängen an der Grenze seit Wochen Lastwagen fest, die Importwaren
       nach Mali bringen sollen. Mittlerweile ist von 1.350 Lkws die Rede.
       
       ## Baumwolle steckt in Mali fest
       
       „Es muss dringend eine Lösung gefunden werden“, forderte Anfang Februar
       Momar Sourang von der Organisation der Berufskraftfahrer im Senegal
       (CPTRS). Auch im Hafen von Abidjan in der Elfenbeinküste stapeln sich die
       für Mali bestimmten Container. Einen freien Zugang zu einem Hafen hat Mali
       nur noch über Guinea, wo im September 2021 [5][ebenfalls das Militär
       putschte] und das sich nicht an den Sanktionen beteiligt, sowie
       Mauretanien, das nicht zur Ecowas gehört. Doch die Wege durch diese Länder
       sind lang und schwierig.
       
       Umgekehrt kommt die Baumwolle, die gerade überall in Westafrika geerntet
       wird, nicht mehr aus Mali hinaus. Nach Benin ist Mali zweitgrößter Anbauer
       auf dem Kontinent. Das „weiße Gold“ macht bis zu 15 Prozent des
       Bruttoinlandsprodukts aus, doch nur 2 Prozent werden vor Ort in Mali
       verarbeitet. Es ist unklar, was ein langanhaltender Exportstopp für die
       Farmer bedeutet.
       
       „Nicht nur Mali wird sanktioniert, auch Senegal“, kritisiert in Senegals
       Hauptstadt Dakar Wirtschaftswissenschaftler Ndongo Samba Sylla. In seinem
       Land würde wenig produziert, aber viel exportiert. Dakar ist ein wichtiger
       Transithafen. Warenausfuhr nach Mali bringe Senegal jährlich umgerechnet
       rund 724 Millionen Euro, sagt Sylla, mehr als in die ganze EU. „Hier sagen
       Transportunternehmer: Wir haben doch nichts gemacht. Warum werden wir
       bestraft?“
       
       Von den blockierten Lastwagen hört im Dorf Somanikidi Coura am Ufer des
       Senegal-Flusses Sire Soumaré immer wieder. Das Dorf liegt in der Region
       Kayes, die an Senegal grenzt. Die Gegend ist bekannt für Migration: Viele
       Familien schicken seit Generationen Angehörige zum Geldverdienen in andere
       Teile Malis, nach Senegal oder auch nach Europa.
       
       Offiziell sind die Grenzen zwar zu, inoffiziell aber kein Hindernis,
       zumindest zu Fuß oder mit dem Moped. „Wir sind ein Volk. Davon lassen wir
       uns doch nicht abhalten“, betont Soumaré. Im Alltag würden sich die
       Sanktionen bisher noch nicht stark bemerkbar machen. „Die Preise sind
       leicht gestiegen. Ein ständiges Thema ist das aber nicht, weil die Menschen
       mit anderen Dingen beschäftigt sind.“
       
       ## Vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen
       
       Der Senegalese Sylla kritisiert, dass die Sanktionen, denen sich
       mittlerweile auch die EU angeschlossen hat, keine legale Basis hätten:
       Andere Länder würden nicht so bestraft werden. Im Tschad beispielsweise ist
       seit einem knappen Jahr der Sohn des bei Kämpfen getöteten
       Langzeitherrschers Idriss Déby, [6][Mahamat Déby, an der Macht]. Die
       innerfamiliäre Nachfolge widerspricht der Verfassung, doch es gab keine
       internationalen Sanktionen. Tschad ist ein wichtiger [7][Verbündeter im
       Antiterrorkampf] und ein Staat, der Migrant*innen auf dem Weg nach
       Europa aufhalten kann.
       
       „Neokolonial“ nennt Sylla die Sanktionen außerdem. Inländisches
       Geldvermögen würde eingefroren. „Man kann Länder zwar sanktionieren, aber
       einen souveränen Staat nicht von seiner Zentralbank trennen.“ Mali hat
       keine eigene Währung und keine eigene Zentralbank – es teilt sich innerhalb
       der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) den
       westafrikanischen CFA-Franc mit Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste,
       Guinea-Bissau, Niger, Senegal und Togo. Die UEMOA-Zentralbank ist in Dakar.
       
       Im Rahmen der Sanktionen wurde Mali aus dem Zahlungsverkehr der UEMOA
       ausgeschlossen. Bankguthaben im Ausland sind eingefroren, Überweisungen
       nicht mehr möglich, das Land hat keinen Zugriff auf Währungsreserven mehr.
       Es ist unklar, wie lange die Regierung überhaupt noch Gehälter zahlen kann.
       Ende vergangener Woche gab die UEMOA bekannt, dass Mali mittlerweile in
       Höhe von umgerechnet 81 Millionen Euro im Rückstand mit
       Schuldendienstzahlungen sei.
       
       ## Caritas-Hilfen in Gefahr
       
       In Malis Hauptstadt Bamako macht sich das mit ersten Preissteigerungen
       bemerkbar, etwa bei Zucker sowie Kochgas. Erhältlich ist zwar alles, und
       Lebensmittel des täglichen Bedarfs dürfen weiterhin eingeführt werden. Doch
       Händler*innen verteuern die Produkte.
       
       „Die Sanktionen betreffen die Bevölkerung weitaus mehr als die
       Herrschenden“, kritisiert Modibo Mao Makalou scharf. Der Ökonom befürchtet,
       dass bald vieles in einem Land, das sich längst in der Krise befindet,
       nicht mehr funktioniert. In Mali leben nach Schätzungen der Weltbank knapp
       42 Prozent der gut 20 Millionen Einwohner*innen unterhalb der
       Armutsgrenze. Aufgrund von Gewalt und Terror sind innerhalb Malis mehr als
       400.000 Menschen auf der Flucht, über 7,5 Millionen sind auf humanitäre
       Hilfe angewiesen.
       
       Caritas International arbeitet mit Cash-Transfer-Leistungen. Ausgewählte
       Bedürftige erhalten eine direkte Geldüberweisung. „Es stellt sich die
       Frage, ob diese Leistungen sich noch fortführen lassen“, sagt Christian
       Volkmar, Direktor des Caritas-Regionalbüros für Westafrika in Dakar. Sorge
       bereitet ihm auch der Einfuhrstopp von Baumaterial wie Zement und Stahl.
       Damit lassen sich Bauarbeiten nicht mehr fortführen in einem Land, in dem
       die Bevölkerung jährlich um knapp drei Prozent wächst. „Andererseits führt
       das zu verstärkter Arbeitslosigkeit im Bausektor. Das erschwert die
       Situation für die Bevölkerung und uns.“
       
       Modibo Mao Makalou bringt es in Bamako auf den Punkt: „Die Sanktionen sind
       eine Bestrafung der Malier.“
       
       14 Feb 2022
       
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