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       # taz.de -- Sauna vor dem Bundestag: Schwitzen gegen Vorurteile
       
       > Mit Sweat-In protestieren Aktivist*innen für die Rechte von
       > Transpersonen. Und gegen den „Misstrauensparagrafen“ im
       > Selbstbestimmungsgesetz.
       
   IMG Bild: Mine Pleasure Bouvar (li.) und Lola waren die Ersten in der Sauna
       
       Berlin taz | Es weht ein Hauch von Gemütlichkeit am Freitag vor dem
       Bundestag: Zwischen dick eingepackten Besucher*innengruppen steht
       eine alte, blau angemalte Sauna, deren Rauchschwaden den Geruch von
       verbranntem Holz verbreiten. Zwei Transfrauen kommen heraus und posieren
       vor der Presse. In kleinen Duschzelten ziehen sich bereits die nächsten um,
       nach dem Schwitzen wartet hinter einem Sichtschutz ein Eimer Wasser und
       mehrere Gießkannen zur Erfrischung auf sie. Auch für Verpflegung ist
       gesorgt, es gibt Bananen, Müsliriegel, Wasser und sogar Gesichtsmasken.
       
       Die Sauna vor dem Bundestag ist jedoch nicht etwa als Wellness-Oase für die
       Abgeordneten gedacht. Die sollen hier nicht nur im wörtlichen Sinn ins
       Schwitzen kommen. „Wir wollen Politiker*innen, die Angst haben, uns in der
       Sauna zu begegnen, dorthin einladen, um mit uns ins Gespräch zu kommen“,
       sagt Mine Pleasure Bouvar der taz. Gemeinsam mit ihrer Mitstreiterin Lola
       war sie zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder in einer Schwitzhütte.
       „Wenn es immer so wäre wie heute, würde ich öfter gehen, aber sie wollen
       mich ja ausschließen“, sagt die Transfrau Lola.
       
       Genau darüber wollen sie mit den Abgeordneten reden. Denn laut dem
       aktuellen Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes können Betreiber*innen
       von Frauensaunen [1][Transfrauen den Zutritt verwehren]. Kritik daran kommt
       auch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Erwartungen anderer,
       wie eine Frau oder ein Mann auszusehen habe, dürften kein Grund sein,
       andere zu benachteiligen, heißt es in einer Stellungnahme. Der aktuelle
       Entwurf bestärke daher Vorurteile und schränke die Selbstbestimmung von
       trans-, inter- und nichtbinären Menschen ein statt sie zu stärken.
       
       Dabei sollte das Selbstbestimmungsgesetz die Stigmatisierung und Demütigung
       aus dem Transsexuellengesetz (TSG), das vom Bundesverfassungsgericht schon
       vor 40 Jahren als teilweise verfassungswidrig beurteilt wurde und für
       dessen Abschaffung Aktivist*innen seit vielen Jahren kämpfen,
       eigentlich beenden.
       
       So soll es in Zukunft leichter sein, seinen Geschlechtseintrag und Vornamen
       zu ändern. Statt der bislang vorgeschriebenen Einreichung von zwei
       psychologischen Gutachten, die von Betroffenen als langwierig, teuer und
       entwürdigend kritisiert wurden, soll künftig eine einfache Erklärung beim
       Standesamt ausreichen.
       
       ## Ängste wurden geschürt und Misstrauen gesät
       
       Doch im Laufe des Gesetzgebungsprozesses kamen immer mehr Einschränkungen
       dazu. Horrorszenarien – wie die von Horden von „Männern“, die in
       Frauenschutzräume wie Saunen eindringen – wurden an die Wand gemalt. Und
       immer mehr „Misstrauensparagrafen“ hinzugefügt.
       
       So sollen etwa Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt, Bundespolizei und das
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über den geänderten Eintrag im
       Personenstandsregister informiert werden, damit Straftäter*innen die
       neuen Regeln nicht missbrauchen können, um ihre Identität zu verschleiern.
       
       Paragrafen wie diese seien eine „klirrende Ohrfeige für trans*, inter und
       nicht-binäre Personen“ und führten zu noch mehr Diskriminierungen und
       Ausschlüssen, heißt es in einer [2][Petition eines Bündnisses] aus über 350
       Frauenhäusern, Verbänden und Feminist*innen, das sich für eine
       Überabeitung des Gesetzesentwurfs und eine Streichung der
       Misstrauensparagrafen einsetzt.
       
       „Im Gesetzgebungsprozess wurden Verbände zwar angehört, aber nicht gehört“,
       kritisiert auch Aktivistin Lola am Freitag vor dem Bundestag. „Ihre Kritik
       wurde nicht aufgenommen, stattdessen ist der Entwurf mit jedem Schritt
       schlimmer geworden.“ Noch sei Zeit, die diskriminierenden Passagen in dem
       Entwurf zu streichen.
       
       ## Alternativer Gesetzentwurf
       
       Das Bündnis Selbstbestimmung Selbst Gemacht hat daher einen
       [3][alternativen Gesetzesentwurf] erarbeitet, der unter anderem niedrigere
       Altersgrenzen sowie einen Entschädigungsfonds für Opfer des
       Transsexuellengesetzes vorsieht und über den sie am Freitag mit politisch
       Verantwortlichen in der Sauna sprechen wollen.
       
       „Die Idee ist, gemeinsam zu schwitzen und zu reden“, sagt Mine Pleasure
       Bouvar. So hätten sich Politiker*innen der Linken, der Grünen und der
       SPD angekündigt – wobei die Grünen dann doch keine Zeit hatten und die
       Sozialdemokrat*innen lieber nicht in die Sauna wollten.
       
       Dabei geht es genau darum. „Sie sagen, wir Transfrauen sind eine Gefahr für
       Frauenschutzräume. Wir wollen ihnen zeigen, dass es möglich ist, in der
       Sauna in Frieden mit allen gemeinsam zu schwitzen“, sagt Cleo vom Bündnis,
       bevor sie mit ihrer selbstgemachten Aufgussmischung in der Sauna
       verschwindet.
       
       Mittlerweile haben sich vor dem Sauna-Wagen rund 30 Menschen angesammelt,
       aus Lautsprecherboxen tönt Pop-Musik. „Transrechte sind Menschenrechte“,
       steht auf einem Banner, das an der Sauna angebracht ist. „Es geht um mehr
       als nur die Sauna“, sagt Lola. „Es geht um unsere Selbstbestimmung.“
       
       2 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verzoegerung-von-Selbstbestimmungsgesetz/!5904850
   DIR [2] https://innn.it/jazuselbstbestimmung
   DIR [3] /Selbstbestimmungsgesetz-im-Bundestag/!5973044
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marie Frank
       
       ## TAGS
       
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