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       # taz.de -- Schändung islamischer Gräber in Iserlohn: „Ein Angriff auf uns alle“
       
       > In Iserlohn beschädigen Unbekannte 30 muslimische Gräber. Die Politik
       > reagiert bis zur Bundesebene bestürzt. Übergriffe auf Muslime nehmen zu.
       
   IMG Bild: Solidaritätskundgebung auf dem Friedhof Iserlohn nach den Gräberschändungen
       
       Iserlohn/Berlin taz | Auch am Montag ist [1][Aiman Mazyek] noch aufgewühlt.
       „Wir verurteilen diese Schändung der Gräber aufs Schärfste“, sagt der
       Vorsitzende des Zentralrats der Muslime der taz. „Das ist ein Angriff auf
       die Werte unserer Verfassung und auf uns alle.“ Dieser bedürfe einer
       gesamtgesellschaftlichen Antwort, so Mazyek. „Antimuslimischer Rassismus
       geht uns alle an, nur gemeinsam können wir diese menschenverachtenden Taten
       bekämpfen.“
       
       Zuvor waren in der Silvesternacht auf dem muslimischen Teil des
       Hauptfriedhofs in Iserlohn bei Hagen (Nordrhein-Westfalen) laut Polizei 30
       Grabsteine umgeworfen und teils zerstört sowie Dekorationen und Pflanzen
       beschädigt worden. Die Polizei ermittelt wegen Störung der Totenruhe und
       Sachbeschädigung. Sie vermutet ein politisches Motiv, hat den Staatsschutz
       eingeschaltet. Die Täter waren aber auch am Montag noch nicht gefasst, wie
       ein Sprecher der taz sagte. Mögliche Zeug:innen der Tat wurden
       aufgerufen, sich zu melden.
       
       Am Sonntag hatten sich spontan mehr als 300 Menschen auf dem Friedhof
       versammelt, um Solidarität mit der muslimischen Gemeinde zu zeigen.
       Iserlohns Vizebürgermeister Thorsten Schick (CDU) nannte die Schändungen
       „respektlos, feige und ein Schlag ins Gesicht der Trauernden und
       Angehörigen“. Betroffen sei auch das Grab eines Mannes, der vor gut fünf
       Jahren versucht hatte, ein dreijähriges Kind vorm Ertrinken zu retten und
       dabei selbst starb. Alle betroffenen Familien seien Iserlohner. „Wir werden
       das nicht tatenlos hinnehmen.“
       
       ## „Schandtat schwer zu verkraften“
       
       Auch Ayman Alaiz vom städtischen Integrationsrat sagte, es sei „kaum zu
       glauben, dass so etwas in unserer Stadt geschieht“. Für die betroffenen
       Familien sei es „schwer zu verkraften, sich mit so einer Schandtat
       auseinandersetzen“. Aiman Mazyek stellte fest, dass es immerhin „diesmal
       mehr Solidarität als sonst“ gab. „Dafür bedanken wir uns.“
       
       Mitglieder der Bundesregierung zeigten sich bestürzt. „Dieser gewaltbereite
       Illiberalismus bedroht Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit“, sagte
       Justizminister Marco Buschmann (FDP). Landwirtschaftsminister Cem Özdemir
       (Grüne) nannte die Tat „zutiefst abstoßend und nichts anderes als ein
       feiger antimuslimischer Anschlag“. Die Bundesintegrationsbeauftragte Reem
       Alabali-Radovan erklärte, wichtig sei nun die Solidarität mit der
       muslimischen Gemeinde. Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der aus
       Iserlohn kommt, sprach von einem Angriff auf muslimische Mitbürger und
       damit einem „Angriff auf uns alle“.
       
       Ein Einzelfall ist die Tat jedoch nicht. So zählte die Polizei bundesweit
       im vergangenen Jahr allein bis Ende September 447 islamfeindliche
       Straftaten. 378 dieser Taten wurden als rechts motiviert eingestuft, 25
       einer „religiösen Ideologie“ zugeschrieben, 9 einer „ausländischen
       Ideologie“, 25 waren nicht zuzuordnen. Darunter waren Sachbeschädigungen,
       Volksverhetzungen oder Beleidigungen, aber auch Körperverletzungen. Laut
       Polizei kam es dabei zu zwei schwer Verletzten und elf leicht Verletzten.
       
       ## Zahl der Übergriffe steigt
       
       Und erfahrungsgemäß kommen am Jahresende noch etliche Nachmeldungen hinzu.
       Tatsächlich stiegen die Übergriffe zuletzt [2][von Jahr zu Jahr]. Zählte
       das BKA 2018 noch 910 islamfeindliche Angriffe, waren es 2020 bereits
       1.026. Auch die neue Ampelregierung konstatiert in ihrem Koalitionsvertrag
       eine „zunehmende Bedrohung von Musliminnen und Muslimen und ihren
       Einrichtungen“. Dem wolle man mit „umfassendem Schutz, Prävention und
       besserer Unterstützung der Betroffenen“ begegnen.
       
       Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime forderte spezifischere Maßnahmen,
       um Muslimfeindlichkeit zu bekämpfen. Dazu gehörten die Schulung und
       Sensibilisierung von Bediensteten der Polizei und Justiz, um die Straftaten
       [3][besser erfassen und ermitteln zu können]. „Hier gibt es noch
       Nachholbedarf.“ Tatsächlich hatte es bis 2017 gedauert, bis überhaupt
       islamfeindliche Straftaten gesondert erfasst wurden.
       
       Auf der Kundgebung in Iserlohn erinnerte Vizebürgermeister Schick daran,
       dass es bereits vor einem Jahr eine kleinere Grabschändung auf dem Friedhof
       gab – die bis heute nicht aufgeklärt werden konnte. Er hoffe, dass diesmal
       die Täter gefasst würden.
       
       3 Jan 2022
       
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