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       # taz.de -- Schärferes Zweckentfremdungsverbot: Wie knackt man Airbnb?
       
       > Ferienwohnungen lassen die Mietpreise in der Nachbarschaft steigen.
       > Berlins Bausenator will die Regulierung verschärfen – und stößt auf
       > Kritik.
       
   IMG Bild: Hinweis auf Airbnb: Schlüsselbox (knackbar in 10.000 Versuchen)
       
       Berlin taz | Ferienwohnungen lassen die Mietpreise ihrer Nachbarschaften
       steigen. Das beweist nun eine [1][Studie des Deutschen
       Wirtschaftsforschungsinstituts (DIW)]. Durch jede zusätzliche
       Airbnb-Wohnung erhöhen sich demnach die Mieten im Umfeld um
       durchschnittlich 13 Cent je Quadratmeter. Nach Bezirken unterteilt ist der
       Effekt höchst unterschiedlich: Während im teuren Mitte, wo besonders viele
       Ferienwohnungen zu finden sind, der Anstieg 8 Cent beträgt, sind es im
       vergleichsweise günstigen und Airbnb-armen Lichtenberg ganze 46 Cent.
       Durchschnittlich verteuert sich so eine 100 qm große Wohnung um 156 Euro im
       Jahr.
       
       2020 waren laut DIW monatlich rund 10.000 Wohnungen vollständig zur
       Vermietung inseriert, ein Anteil von 0,5 Prozent auf dem Berliner
       Wohnungsmarkt. Nimmt man die Wohnungen hinzu, in denen einzelne Räume
       vermietet werden, sind es 25.000 Wohnungen oder 1,2 Prozent. Der Anteil an
       Wohnungen, die von Mieterhöhungen betroffen sind, ist entsprechend deutlich
       höher.
       
       Den Effekt beschreiben die Forscher wie folgt: „Werden durch die
       ausschließliche Kurzzeitvermietung Wohnungen dem Markt entzogen, dann führt
       dies zu verschärfter Knappheit und damit auch zu steigenden Mieten. Je
       größer das Angebot der dauerhaften Kurzzeitvermietungen, desto stärker die
       Auswirkungen auf das Mietniveau.“ Hinzu komme, dass Mieter*innen, die
       einzelne Zimmer über Airbnb anzumieten bereit sind, höhere Mieten zahlen.
       
       Berlin versucht das Problem der Ferienwohnungsvermietung seit 2014 mit dem
       [2][Zweckentfremdungsverbotsgesetz] zu regulieren. [3][2018 wurde es
       zuletzt verschärft]. Seitdem unterliegt das Vermieten einer
       Genehmigungspflicht, die nur erteilt werden soll, wenn der Zweck des
       Wohnens dadurch nicht infrage gestellt wird – und ist damit zumindest
       faktisch verboten. Genehmigte Ferienwohnungen erhalten eine
       Registriernummer, die in den Anzeigen angegeben werden muss. Nicht von
       dieser Regulierung betroffen sind Gewerberäume, auch Zweitwohnungen dürfen
       bis zu 90 Tage im Jahr vermietet werden.
       
       Sowohl die Einführung als auch die Novellierung des Gesetzes zeigten laut
       den DIW-Forschern Wirkung. Die Angebote an Airbnb-Wohnungen seien
       zurückgegangen. Weil einige Wohnungen zurück auf den regulären
       Wohnungsmarkt kamen, seien Angebotsmieten gesunken.
       
       ## Problem nicht gelöst
       
       Dennoch ist das Angebot an Ferienwohnungen heute nicht geringer als vor der
       gesetzlichen Regulierung, die negativen Auswirkungen bestehen fort. Nun hat
       die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Senator Sebastian Scheel
       (Linke) eine erneute Überarbeitung des Gesetzes vorgelegt. Die stößt jedoch
       bei den Fachpolitiker*innen der Regierungskoalition auf geballte
       Kritik.
       
       Der Entwurf sieht besonders einen Hebel vor, um Umgehungsmöglichkeiten zu
       verhindern: Registriernummern auch für gewerbliche Unterkünfte. Damit wäre
       anders als heute nachvollziehbar, dass jedes Angebot ohne Nummer illegal
       ist. Die wohnungspolitische Expertin der Grünen-Fraktion Katrin
       Schmidberger sagt dennoch: „Die Vollzugdefizite und Lücken des Gesetzes zu
       schließen, ist nicht gelungen.“ Notwendig wäre vielmehr, das „ganze Gesetz
       vom Kopf auf die Füße zu stellen“. An entsprechenden Ideen arbeite sie
       zusammen mit ihren Kolleginnen Katalin Gennburg (Linke) und Iris
       Spranger (SPD) sowie weiterer Expert*innen schon seit geraumer Zeit.
       Dass nun ein fertiges Gesetz vorgelegt wurde, sei „überraschend“.
       
       Zur Ausweitung der Registriernummernpflicht sagt Schmidberger: „Wir wollen
       weniger Ferienwohnungen, nicht welche, die schön durchnummeriert sind.“
       Gennburg nennt die Nummern ein „System, das suggeriert, man würde Kontrolle
       haben“. Tatsächlich könnten die Bezirke dies aber nicht kontrollieren; auch
       könnten Nummern gefälscht werden. Die ganze Idee entspreche der Logik von
       Airbnb, das seinerseits auf ein Online-Verfahren zur Registrierung drängt.
       Gennburg fordert, das grundsätzliche Verbot durchzusetzen, die Beweislast
       umzukehren und Airbnb zu verpflichten, illegale Angebote von seiner
       Webseite zu nehmen.
       
       ## Automatisierte Kontrolle
       
       Im Gesetzentwurf ist von einer „automatisierten Auswertung öffentlich
       zugänglicher Daten“ („Scraping“) die Rede. Seiten wie die von Airbnb sollen
       nicht mehr von Bezirksamtsmitarbeitern, sondern durch den Einsatz von
       Informationstechnologie überprüft werden. Im Text heißt es: „Erst wenn die
       Auswertung erfolgt ist, kann in einem weiteren Schritt der Betreiber der
       Online-Plattform zur Auskunftserteilung im Einzelfall aufgefordert werden.“
       Eine Ordnungswidrigkeit soll es sein, Angebote ohne Registrierungsnummer
       zu veröffentlichen oder nicht zu entfernen.
       
       Für die Fachpolitikerinnen scheitert Scheels Entwurf noch an einem weiteren
       Punkt: Der bisherigen Möglichkeit, Zweitwohnungen bis zu 90 Tage im Jahr zu
       vermieten, werde nichts entgegengesetzt. Ob tatsächlich nur an 90 Tagen
       vermietet werde, sei „nicht zu beweisen“, so Schmidberger. Gennburg
       kritisiert: „Das Geschäftsmodell, eine Zweitwohnung über Airbnb
       kozufinanzieren, wird nicht angetastet.“
       
       Baustaatssekretärin Wenke Christoph (Linke) verteidigte den Entwurf. Man
       wollte sich auf die Registrierungspflicht konzentrieren und damit den
       „Geist des Gesetzes von 2018 stärken“. Sie spricht von einer „deutlichen
       Verschärfung“. In der nächsten Legislaturperiode sei ein „größerer Wurf“
       vorstellbar. Angesichts der Kritik aus den eigenen Reihen ist
       wahrscheinlich, dass der Entwurf nicht unverändert das Abgeordnetenhaus
       passieren wird.
       
       17 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.diw.de/de/diw_01.c.810832.de/publikationen/wochenberichte/2021_07_1/durch_airbnb-vermietungen_steigen_in_berlin_die_mieten.html
   DIR [2] /Zweckentfremdungsverbot/!t5365343
   DIR [3] /Ferienwohnungen-in-Berlin/!5520391
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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