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       # taz.de -- Schlechte Bilanz beim Mieterstrom: Mieter warten weiter auf Solarstrom
       
       > Das vor gut einem Jahr verabschiedete Gesetz für Mieterstrom ist bisher
       > ein Flop. Die Bundesregierung bleibt untätig.
       
   IMG Bild: Die Installation von Solaranlagen kommt auf Mehrfamilienhäusern nicht voran
       
       Berlin taz | Vor gut einem Jahr waren die Erwartungen groß. [1][Damals
       beschloss die Bundesregierung,] dass auch Mieter künftig von der
       Energiewende profitieren sollen. Ein neuer Zuschuss sollte es attraktiv
       machen, auf Mehrfamilienhäusern Solaranlagen zu installieren und den Strom
       an die Bewohner zu verkaufen. „Jetzt geht es endlich los mit dem
       Mieterstrom in Deutschlands Metropolen“, jubelte Carsten Körnig, Chef des
       Solarverbands. Auch die Bundesregierung war überaus optimistisch. Sie
       rechnete mit einem so großen Ansturm, dass sie eine Obergrenze von maximal
       500 Megawatt neuer Anlagen pro Jahr ins Gesetz schrieb.
       
       Das wäre nicht nötig gewesen. Tatsächlich errichtet wurden nach Angaben der
       Bundesnetzagentur im ersten Jahr weniger als 4 Megawatt
       Mieterstrom-Solaranlagen – also nicht mal ein Prozent der zulässigen Menge.
       Über die Gründe für das Scheitern sind sich Solarverband, Mieterbund und
       Verbraucherzentrale weitgehend einig: [2][Die neue Regelung ist zu
       kompliziert und wirtschaftlich nicht attraktiv genug], kritisierten sie in
       einer Stellungnahme.
       
       Für Eigenheimbesitzer ist der Betrieb einer kleinen Solaranlage eine
       ziemlich simple Sache: Sie verbrauchen einen Teil des Stroms selbst und
       zahlen dafür keinerlei Abgaben und Umlagen; den Rest speisen sie zu einem
       festen Tarif ins Netz ein. Auf einem Mehrfamilienhaus ist die Sache
       ungleich komplizierter.
       
       [3][Dort muss auch auf den selbst verbrauchten Strom die sogenannte
       EEG-Umlage bezahlt werden], mit der der generelle Ökostrom-Ausbau
       finanziert wird; im Gegenzug erhalten die Betreiber durch das Gesetz nun
       einen Zuschuss, der aber nur die Hälfte bis ein Drittel der EEG-Umlage
       abdeckt. Zudem ist meist ein Dienstleister nötig, der sich um die
       Abrechnung mit den einzelnen Mietparteien kümmert und der jenen Anteil des
       Stroms beschafft, der nicht vom eigenen Dach stammt. Und jeder Bewohner
       kann frei entscheiden, ob er den Solarstrom vom eigenen Dach überhaupt
       nutzen möchte.
       
       ## Große Hürden
       
       „Für die Mieter ist das in vielen Fällen bisher wirtschaftlich nicht
       interessant“, meint Stefan Bentrop vom Deutschen Mieterbund. Zwar muss der
       Strompreis 10 Prozent unter dem Tarif des örtlichen Grundversorgers liegen
       – kann aber trotzdem höher sein als bei anderen, preiswerten Anbietern.
       Umgekehrt meint Christoph Rasch vom Stromanbieter Greenpeace Energy, der
       diverse Mieterstrom-Projekte betreibt, dass viele Anlagen schon jetzt
       wirtschaftlich kaum darstellbar seien. „Die Hürden sind sehr viel größer,
       als wir vor einem Jahr gedacht haben“, sagte er der taz.
       
       Die Verbände fordern darum, die Ungleichbehandlung des Solarstromverbrauchs
       von Eigenheimbesitzern und Mietern komplett gleichzustellen, um den
       Mieterstrom wirtschaftlich attraktiver zu machen. Zugleich sollten
       bürokratische Hürden abgebaut werden – etwa das Verbot, auch Nachbargebäude
       zu beliefern, oder die Gefahr, dass Wohnungsgesellschaften durch das
       Stromgeschäft gewerbesteuerpflichtig werden.
       
       Zumindest diese Forderung findet sich auch im Koalitionsvertrag von Union
       und SPD wieder. Konkrete Pläne, das Gesetz zu ändern, gibt es aber nicht.
       Man beobachte derzeit die Wirkungen, sagte eine Sprecherin der taz; bis
       Ende September ist ein Bericht geplant. Große Fortschritte erwartet Udo
       Sieverding, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale, dabei nicht. „Mein
       Eindruck ist, dass das Wirtschaftsministerium den Mieterstrom gar nicht
       wirklich will“, sagte er der taz.
       
       [4][Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat wiederholt die Sorge
       geäußert], dass Strom für die übrigen Nutzer teurer wird, wenn mehr
       Menschen selbst erzeugte Energie nutzen. Darum hatte die Regierung kürzlich
       auch auf die Aufweichung einer EU-Richtlinie gedrängt, die zunächst alle
       Abgaben auf selbst verbrauchten Strom verbieten sollte. Nun sind dort
       Ausnahmen vorgesehen, sodass Deutschland seine Gesetze voraussichtlich
       nicht anpassen muss.
       
       8 Aug 2018
       
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