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       # taz.de -- Schnelligkeit aus der Schule
       
       > Die Sprintschule des Leichathletikvereins ASV Köln will mit
       > Nachwuchsläufern - und Läuferinnen an große Zeiten anknüpfen.
       > Aushängeschild ist ausgerechnet der 30-jährige Ronny Ostwald
       
       AUS KÖLNCHRISTIANE MITATSELIS
       
       Vor fünf Jahren ahnte Ronny Ostwald noch nichts von seiner rasenden
       Zukunft. Der 25-Jährige Brandenburger gehörte dem Bundesgrenzschutz an,
       spielte viel Fußball und betrieb Kraftsport. Aus Spaß nahm er an einem
       internen Leichtathletik-Wettkampf teil, bei dem er die 100 Meter in 11,2
       Sekunden gewann. Eine Kollege empfahl ihm daraufhin, Sprint zu trainieren.
       Er sei begabt und könne locker in die deutsche Sprint-Elite vorstoßen. Der
       Mann behielt Recht. Ronny Ostwald, 30, ist der zurzeit schnellste Mann
       Deutschlands. Und das Reklameschild der Sprintschule des ASV Köln, der er
       seit Januar 2004 angehört.
       
       Bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig gewann der Spätberufene
       in diesem Monat die 100 Meter in 10,22 Sekunden – nur ein Hundertstel
       fehlte zur Olympia-Qualifikation. In der deutschen Staffel wird er in Athen
       aber auf jeden Fall starten, vermutlich als Schlussläufer. „Wenn er einmal
       in Athen läuft, wird er vielleicht auch in der Einzelkonkurrenz starten
       dürfen. Man wird sehen“, sagt Benno Eicker, Cheftrainer der Kölner
       Sprintschule. Überhaupt ist der 41-Jährige stolz auf Ostwalds Erfolg. „Er
       hat sich verbessert. Im letzten Jahr war er noch nicht so schnell.“
       
       Der Sprinter, der in Berlin lebt, trainiert zwar meist in der Hauptstadt
       bei Uwe Hakus. Nur etwa alle drei Wochen kommt er nach Köln. Sein
       Trainingsprogramm ist aber zwischen Hakus und Eicker abgesprochen. „Sein
       Sieg ist sehr wichtig für unser ganzes Sprintprojekt“, meint Eicker, der
       früher selbst ein guter 400-Meter-Läufer war. Zurück in die Vergangenheit –
       so in etwa lautet das Motto der Sprintschule, die vor vier Jahren gegründet
       wurde. Schnell sein hatte einmal Tradition in Köln. Ziel des Projekts ist
       es, an die die Erfolge der 60er Jahre anzuknüpfen. Einer Zeit, in der
       Sprinter wie Manfred Germar und Jutta Heine im ASV-Dress Medaillen, auch
       auf internationalem Terrain, gewannen.
       
       Einmal im Jahr betreibt der Verein eine groß angelegte Talentsichtung: An
       etwa 30 Schulen in Köln und Umgebung werden beim „Sprint-Cup“ gute Läufer
       gesucht. Die 250 Besten nehmen an einer Endausscheidung auf dem ASV-Gelände
       teil. Auf diese Weise gelang es Eicker, eine Sprint-Begabung wie Saskia
       Dick zu rekrutieren – eine 14-Jährige, die die 100 Meter schon in 12,77
       Sekunden läuft. Der Wechsel zur Leichtathletik kam dem Mädchen sehr
       gelegen. Vorher spielte sie einer Jungen-Mannschaft Fußball und wurde immer
       wieder gefoult, da sie den Jungs permanent davon rannte. „Sie ist wirklich
       enorm schnell für ihr Alter“, sagt Eicker, der aber auch erfahrene
       Sprintschüler betreut. Wie den 23-jährigen Jan Moersch, dessen
       100-Meter-Bestzeit bei 10,36 Sekunden liegt. Bei der Deutschen
       Meisterschaft kam er zwar in den Endlauf, verpasste in 10,40 Sekunden
       jedoch knapp die Qualifikation für die deutsche Olympia-Staffel.
       
       Überhaupt sind die Kölner Athleten des 21. Jahrhunderts, bis auf Ostwald,
       noch viele Zehntelsekunden von wirklichen Topzeiten entfernt. Doch das
       stört Eicker nicht, jedenfalls nicht zu sehr. Er sieht die Sprintschule als
       längerfristiges Projekt. Zuversichtlich ist er ganz besonders im Fall von
       Maike Dix (18). Bei der Jugend-Weltmeisterschaft im italienischen Grosetto
       belegte sie in der vergangenen Woche über 200 Meter als beste Europäerin
       den sechsten Rang – in neuer persönlicher Bestzeit von 23,76 Sekunden. „Sie
       kann kämpfen und hat eine enorme Grundschnelligkeit“, meint Eicker.
       
       Die Fortschritte, die Dix unter seiner Anleitung gemacht hat, sind groß.
       Innerhalb von neun Monaten verbesserte die Schülerin aus dem
       niederrheinischen Moers ihre 200 Meter-Zeit um mehr als sechs
       Zehntel-Sekunden. Die Olympia-Norm für Dix‘ Lieblingsstrecke lag diesmal
       bei 22,97, keine deutsche Sprinterin knackte sie. Kann Dix eines Tages so
       schnell laufen? Eicker zögert einen Moment. Dann sagt er: „Ich will nicht
       zuviel versprechen. Aber wenn sie sich weiter so entwickelt. Warum
       eigentlich nicht?“
       
       23 Jul 2004
       
       ## AUTOREN
       
   DIR CHRISTIANE MITATSELIS
       
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