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       # taz.de -- Scholz' Prag-Rede zur Europapolitik: Keine Antwort auf die Krise
       
       > Bundeskanzler Olaf Scholz hat lediglich sattsam bekannte Probleme der EU
       > angesprochen. Fragen zu stellen ist gut, aber gesucht werden Lösungen.
       
   IMG Bild: Kanzler Olaf Scholz während seiner Rede an der Karls-Universität in Prag
       
       Europäische Antworten auf die Zeitenwende: Das hat Bundeskanzler Olaf
       Scholz bei seiner Grundsatzrede an der Prager Karls-Universität gefordert.
       Leider ist der SPD-Politiker diese Antworten selbst schuldig geblieben.
       Scholz hat zwar viel Richtiges gesagt. Ja, die EU muss unabhängiger werden
       – nicht nur von Gas aus Russland, sondern auch von Waffen aus den USA. Ja,
       wir brauchen Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik. Ja, das Vetorecht
       ist ein Anachronismus.
       
       Doch wie er diese Ziele erreichen will, hat Scholz nicht verraten. Über die
       Abschaffung des Vetorechts diskutiert Brüssel schon seit Jahren. Bisher hat
       niemand eine Lösung gefunden – denn gegen die Abschaffung können die
       EU-Staaten selbst ein Veto einlegen. Das ist kafkaesk – und ruft nach
       neuen, kreativen Ideen. Diese Ideen sucht man bei Scholz vergebens. Er
       wiederholt sattsam bekannte Wünsche zur EU-Reform, die schon den deutschen
       Ratsvorsitz 2020 beschäftigt haben, zeigt jedoch keine Lösungen auf.
       
       Unklar bleibt auch, was die Zeitenwende für Europa bedeuten soll. Der
       Kanzler sicherte der [1][Ukraine zwar dauerhafte Hilfe zu. Er erklärte sich
       auch bereit, „besondere Verantwortung beim Aufbau der ukrainischen
       Artillerie“] zu übernehmen. Doch angesichts der bisherigen Zögerlichkeit
       ist dieser Vorschlag wenig überzeugend. Aus der Defensive kommt Scholz
       damit nicht. Und die Bürger von seiner Europapolitik überzeugen kann er so
       auch nicht.
       
       Die Menschen in der EU haben ganz andere Sorgen. Sie wollen nicht wissen,
       wie die EU in 10 oder 20 Jahren mit 30 oder 36 Mitgliedern funktionieren
       kann. Sie wollen stattdessen Antworten auf die Frage, wann der Krieg in
       Europa endlich endet – und was die EU tut, damit wir einigermaßen heil
       durch den Winter kommen.
       
       ## Scholz ist nicht der Einzige, der sich schwertut
       
       Wie verhindern wir, dass sich der Krieg auf andere Länder ausweitet? Wie
       stellen wir sicher, dass Europa am Ende nicht zu den Verlierern zählt? Was
       tun Deutschland und die EU, um [2][die Energiekrise zu bewältigen] und die
       Gefahr einer Rezession abzuwenden?
       
       Das sind die Fragen, vor denen die Europapolitik heute steht. Aber dazu hat
       Scholz wenig gesagt. Sein Vortrag wirkte wie eine reichlich verspätete
       Antwort auf die berühmte Sorbonne-Rede von Emmanuel Macron aus dem Jahre
       2017 – nur ohne die visionäre Kraft des französischen Präsidenten.
       
       Scholz ist allerdings nicht der Einzige, der sich schwertut. In Brüssel tut
       man so, als könne die [3][EU weitermachen wie vor dem Krieg, nur mit mehr
       Waffen und härteren Sanktionen]. Das ist ein großer Irrtum. Die
       Friedensunion EU ist in einer existenziellen Krise; Scholz und die meisten
       EU-Politiker haben es nur noch nicht gemerkt.
       
       29 Aug 2022
       
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   DIR Eric Bonse
       
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