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       # taz.de -- Scholz im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss: Möglicherweise Hände geschüttelt
       
       > Bundeskanzler Olaf Scholz musste zum dritten Mal im Hamburger
       > Cum-Ex-Untersuchungsausschuss aussagen. Der Erkenntnisgewinn war wieder
       > bescheiden.
       
   IMG Bild: Besitzt möglicherweise die geschüttelte Hand: Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag in Hamburg
       
       Hamburg taz | Es ist ein echter Scholz. Auf die Frage, ob es mit seinem
       Amtsvorgänger als Hamburger Bürgermeister, Christoph Ahlhaus (CDU), eine
       Amtsübergabe gegeben habe, sagte der Sozialdemokrat: „Es hat eine
       Amtsübergabe stattgefunden. Ich nehme an, dass wir uns die Hände
       geschüttelt haben, aber selbst das kann ich nicht bestätigen.“ Über die
       kriselnde Landesbank HSH Nordbank habe man sich dabei jedenfalls nicht
       ausgetauscht.
       
       Die Frage wirft auch ein Licht auf die Schwierigkeiten des
       Cum-Ex-Untersuchungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft, relevante
       Erkenntnisse zutage zu fördern. Scholz sagte am Freitag schon zum dritten
       Mal aus. Seine Einlassungen [1][aus den bisherigen Vernehmungen] lassen
       sich mit dem Satz zusammenfassen: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
       
       Wenn er doch etwas wisse, sagte er auch diesmal wieder, dann „im
       Wesentlichen aus öffentlichen Quellen“. Dazu gehört auch der
       Zwischenbericht des Ausschusses. Aus dem gehe eindeutig hervor, dass es im
       Zusammenhang mit dem Verzicht auf Steuernachzahlungen der Warburg-Bank
       „keine politische Einflussnahme“ gegeben habe.
       
       Scholz’ erneuter Auftritt ist noch mal ein Highlight, bevor der Ausschuss
       seinem Ende entgegendümpelt. Seit die Opposition durchgesetzt hat, dass er
       sich auch mit Betrügereien der damaligen HSH Nordbank befasst, hat das
       öffentliche Interesse nachgelassen.
       
       ## Staatsbank betrog den Staat
       
       Denn die frühere Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein ist längst
       privatisiert. Die Eigner-Länder mussten bis zu 12 Milliarden Euro
       zuschießen, damit sich Käufer für das Geldinstitut fanden, das sich mit
       Schiffskrediten verspekuliert hatte.
       
       Das ist ein anderer Schnack als die Hamburger Hautevolee um [2][Christian
       Olearius], Chef der privaten Warburg-Bank, die den Staat mit illegalen
       Cum-Ex-Geschäften um hunderte Millionen geprellt hatte. Und sich, als das
       aufgeflogen war und die Rückzahlung anstand, Hilfe suchend an die Politik
       wandte.
       
       Cum-Ex-Geschäfte sind Mehrfachverkäufe von Aktienpaketen rund um den
       Dividendenstichtag. Für die Steuerbehörden war dadurch nicht klar
       ersichtlich, wer zum Stichtag Eigentümer war und Kapitalertragsteuer
       gezahlt hatte. Diese Steuer ließen sich in der Folge mehrere der
       Kurzzeitbesitzer erstatten, obwohl sie sie gar nicht gezahlt hatten.
       
       Solche Geschäfte hatte auch die HSH Nordbank getätigt, worauf sie die
       Finanzverwaltung in einer Art Selbstanzeige hinwies. Vor der Privatisierung
       hat die Bank die daraus entstandenen Steuerschulden beglichen. Scholz sagte
       am Freitag, er habe damals den externen Bericht einer Anwaltskanzlei zur
       Kenntnis genommen und sich „keine Sorgen mehr gemacht“.
       
       ## Ohne Ehrgeiz geprüft?
       
       Inzwischen weiß man, dass es durchaus noch Anlass zur Sorge gab: Wie der
       Investigativjournalist Oliver Schröm am Donnerstag [3][im Stern
       berichtete], soll die Nordbank neben Cum-Ex- auch umfangreiche, aus
       heutiger Sicht illegale Cum-Cum-Geschäfte abgewickelt haben, mit denen
       ausländische Investoren den deutschen Fiskus um 275 Millionen Euro geprellt
       hätten.
       
       Als die Veröffentlichung der [4][„Panama-Papers“] derartige Praktiken
       enthüllte, hat Scholz selbst 2017 in einem vom Stern zitierten
       E-Mail-Wechsel mit dem damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD)
       angeregt, nachzufragen, ob die Nordbanker „uns etwas zu sagen“ haben.
       Tschentscher gab noch am selben Tag Entwarnung, die Bank habe „keine
       weiteren Themen im Keller“.
       
       Nun steht der Verdacht im Raum, dass die beiden beteiligten Länder die
       Wirtschaftsprüfungsberichte der Bank nicht mit Ehrgeiz geprüft hätten. Denn
       neue Risiken über Hunderte Millionen Euro hätten den Verkauf der Nordbank
       gefährdet. Dann wäre eine ungeordnete Pleite näher gerückt, bei der Hamburg
       und Schleswig-Holstein eine Gewährsträgerhaftung für Kredite in Höhe von
       bis zu 165 Milliarden Euro gedroht hätte – einem Mehrfachen der
       Landeshaushalte.
       
       „Ich hatte nie den Eindruck, dass die Aufklärung verhindert werden oder das
       Geld in der Bank gehalten werden sollte“, sagt Scholz. Es sei immer darum
       gegangen, dass die Länder mit möglichst geringen Verlusten aus der Sache
       herauskämen.
       
       Diesem Ziel hätte der Verzicht auf Steuerforderungen zu diesem Zeitpunkt
       durchaus dienen können.
       
       Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hatte es
       geheißen, Ole von Beust habe das Amt an Olaf Scholz übergeben. Wir haben
       den Fehler korrigiert.
       
       6 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kanzler-im-Cum-Ex-Skandal/!5875725
   DIR [2] /Cum-Ex-Bankier-geht-gegen-Anklaegerin-vor/!6038196
   DIR [3] https://www.stern.de/politik/olaf-scholz-unter-druck-wegen-bislang-unbekannter-cum-cum-geschaefte-35280806.html
   DIR [4] /Prozess-um-die-Panama-Papers/!6020434
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Kahlcke
       
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