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       # taz.de -- Schriftliche MSA-Prüfungen abgesagt: Die Vernunft siegt doch noch
       
       > Schulsenatorin Sandra Scheeres hat nun doch noch die eigentlich
       > unsinnigen MSA-Prüfungen abgesagt. Das ist gut so. Ein Wochenkommentar.
       
   IMG Bild: Gibt ja nicht mal Fotos zu den MSA-Prüfungen!
       
       Berlin taz | Er setze auf Vernunft und Einsicht bei den Menschen, ist in
       diesen Coronawochen immer wieder von Regierungschef Michael Müller zu
       hören, wenn es um Abstandsregeln und Einschränkungen ging. Bei seiner
       SPD-Parteifreundin Sandra Scheeres, in Müllers Senat fürs Bildungsressort
       zuständig, hat das mit der Vernunft lange gedauert: Erst am Mittwoch hat
       sie die schriftlichen Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss, kurz MSA,
       abgesagt. Lange hatte sich die Bildungssenatorin gegen Bitten und
       Forderungen von Eltern, Schülern und Schulleitungen gesträubt, bevor
       Vernunft über Ideologie siegte.
       
       Denn nichts als Ideologie kann es gewesen sein, was Scheeres an den
       MSA-Prüfungen in den 10. Klassen festhalten ließ, die es in den meisten
       Bundesländern nicht gibt. Viele hatten sie bekniet, zumindest bei den
       10.-Klässler-Gymnasiasten die dort weitgehend sinnfreien Prüfungen
       ausfallen zu lassen, die auch in Nicht-Coronazeiten mit immensem Aufwand
       verbunden sind. Sinnfrei, weil nach ganz offiziellen Zahlen der
       Bildungsverwaltung zuletzt 96 Prozent der Gymnasiasten die Prüfung
       bestanden, von 20 Schülern also noch nicht mal einer durchfällt. Dafür aber
       geht viel Zeit für Vorbereitung, Prüfungen und Korrekturen drauf, und auch
       in anderen Jahrgangsstufen fallen dadurch ganze Unterrichtstage aus.
       
       Das vor diesem Hintergrund auch in Coronazeiten durchzuziehen, wäre nicht
       nur unsinnig, sondern auch höchst gefährlich gewesen. Schüler nun ab Montag
       in kleineren Gruppen wegen des dringend nötigen Unterrichts von Angesicht
       zu Angesicht wieder in die Schulen zu holen, ist eine Sache. Es zu tun für
       eine Formalie, die nur der Gleichsetzung von Gymnasium und Sekundarschulen
       dient, hätte Ideologie über Gesundheitsgefahren gesetzt, hätte aus
       politischen Gründen mögliche Infektionen und schwere Erkrankungen, im
       schlimmsten Fall auch Todesfälle in Kauf genommen.
       
       Sich so lange zu sträuben, war zunehmend nicht nachzuvollziehen. Wegen
       Corona als einziges Bundesland die Abiturprüfungen zugunsten eines Abiturs
       allein aus Vornoten abzusagen, wäre falsch, weil mit weitreichenden
       Konsequenzen verbunden gewesen: Berliner Absolventen wären dann
       möglicherweise bei der Studienplatzbewerbung in anderen Bundesländern
       benachteiligt gewesen. Der MSA hingegen als Berliner Besonderheit
       interessiert außerhalb der Landesgrenzen kaum, da war Scheeres nicht unter
       Druck eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz.
       
       Der Verzicht auf die Prüfungen bietet praktisch nur Vorteile: Es fällt kein
       Unterricht aus, Lehrer müssen nichts für die Prüfung wiederholen, brauchen
       keine Zeit aufs Aufsichtführen und Korrigieren verwenden, sondern können
       Neues vermitteln. Und einen MSA-Abschluss gibt es trotzdem, weil jener
       Prüfungsteil bleibt, bei dem bis zu vier Schüler ihren Lehrern eine
       Präsentation vorstellen – aber eben nicht über drei Stunden in einem Raum
       voller Mitprüflinge, wie es bei schriftlichen Tests gewesen wäre.
       
       25 Apr 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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