URI: 
       # taz.de -- Schüsse auf Jacob Blake in Kenosha: Keine Anklage gegen US-Polizisten
       
       > In den USA hat im August ein Polizist dem Schwarzen Jacob Blake sieben
       > mal in den Rücken geschossen. Doch gegen ihn wird keine Anklage erhoben.
       
   IMG Bild: Jacob Blakes Onkel Justin führt den Protestmarsch nach der Entscheidung in Kenosha
       
       Kenosha dpa | Mehr als vier Monate nach Schüssen auf den Afroamerikaner
       [1][Jacob Blake] bei einem Polizeieinsatz in Kenosha wird gegen keinen
       Polizeibeamten Anklage erhoben werden. Das erklärte der zuständige
       Staatsanwalt Michael Graveley am Dienstag mit Blick auf das Recht der
       Beamten auf Selbstverteidigung.
       
       Der weiße Polizist Rusten S. hatte Blake bei einem Einsatz am 23. August
       vergangenen Jahres sieben Mal in den Rücken geschossen. Der damals 29 Jahre
       alte Blake überlebte schwer verletzt und ist seither gelähmt. Die Schüsse
       auf Blake hatten in Kenosha zu Protesten und Ausschreitungen geführt.
       
       Graveley erklärte, nach geltender Rechtslage, insbesondere dem Recht des
       Polizisten auf Selbstverteidigung, wäre eine Verurteilung vor einem Gericht
       sehr unwahrscheinlich gewesen. Der Polizist S. habe bei dem Einsatz
       befürchtet, dass Blake ihn mit einem Messer angreifen würde und habe daher
       geschossen. Die Polizisten seien wegen eines Streits an den Tatort gerufen
       worden und hätten auch gewusst, dass es einen bestehenden Haftbefehl gegen
       Blake gegeben habe.
       
       Blake habe gestanden, dass er ein Messer bei sich geführt habe, sagte
       Graveley. Der Staatsanwalt schilderte zudem, dass Blake sich in den
       Ermittlungen nach dem Vorfall mindestens zwei Mal in Lügen verstrickt habe.
       Er wäre in einem möglichen Prozess daher kein glaubwürdiger Zeuge gewesen,
       sagte Graveley.
       
       ## Präventiver Einsatz der Nationalgarde in Kenosha
       
       Während des Polizeieinsatzes hatten Polizisten zunächst einen Taser gegen
       Blake eingesetzt. Nach Polizeiangaben hatte Blake trotzdem versucht, in ein
       Auto zu steigen – auf dessen Rücksitz sich ein Kind befand – und
       wegzufahren. Blake habe sein Messer in Richtung des Beamten gehalten,
       woraufhin dieser von einer Gefahr ausgegangen sei und geschossen habe,
       sagte Graveley.
       
       Der Anwalt der Familie Blake bestreitet diese Darstellung. Zwar besitze
       Blake ein Messer, es gebe jedoch unter den vielen Videoaufnahmen des
       Vorfalls keine, die Blake mit einem Messer in der Hand zeige.
       
       Ein an dem Fall beteiligter Anwalt Blakes, Ben Crump, bezeichnete die
       Entscheidung der Staatsanwaltschaft als „unglaublich enttäuschend“. „Wir
       finden, dass diese Entscheidung nicht nur Jacob und seine Familie Unrecht
       tut, sondern auch der Gemeinschaft, die protestiert und Gerechtigkeit
       verlangt hat“, erklärte Crump. Die Entscheidung sei die „falsche Botschaft“
       für Polizisten im ganzen Land.
       
       In der Stadt im Bundesstaat Wisconsin waren nach dem Einsatz gegen Blake,
       der auch mit Videos von Passanten dokumentiert worden war, starke Proteste
       ausgebrochen. Es kam auch zu Ausschreitungen. Das politische Klima war zu
       diesem Zeitpunkt ohnehin aufgeheizt, denn nur etwa drei Monate vorher war
       in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota der Afroamerikaner George Floyd bei
       einem brutalen Polizeieinsatz getötet worden. Floyds Tod führte landesweit
       zu anhaltenden Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus.
       
       ## Rechter Schütze Kyle R. plädiert auf nicht schuldig
       
       Der Stadtrat von Kenosha hatte am Montag angesichts befürchteter Proteste
       vorab einer befristeten Notstandserklärung zugestimmt, die nun für acht
       Tage gilt. Gouverneur Tony Evers erklärte, er habe die Entsendung von 500
       Mitgliedern der Nationalgarde nach Kenosha genehmigt. Die Soldaten sollen
       helfen, örtliche Einsatzkräfte zu unterstützen, das Recht zu friedlichen
       Protesten zu gewährleisten sowie die Infrastruktur zu schützen, wie der
       Gouverneur erklärte.
       
       Am Dienstag erklärte Evers über Twitter, die Entscheidung im Fall Blake
       zeige, dass in den USA im Kampf gegen Rassismus noch viel getan werden
       müsse, um ein gerechteres und faireres Land zu schaffen. Er forderte die
       Menschen auf, „friedlich und sicher“ zu demonstrieren.
       
       Bei den Ausschreitungen in Kenosha nach den Schüssen auf Blake war es zu
       weiterer Gewalt gekommen: Ein damals 17-jähriger Weißer [2][erschoss laut
       Staatsanwaltschaft zwei Menschen] mit einem Sturmgewehr und verletzte eine
       weitere Person. Der unter anderem [3][wegen Mordes angeklagte Kyle R.]
       plädierte am Dienstag in einer Online-Gerichtsanhörung auf nicht schuldig,
       wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichteten. Er beruft sich auf das
       Recht zur Selbstverteidigung. Die Anklage legt ihm unter anderem Mord in
       zwei Fällen zur Last.
       
       Bei einer Verurteilung könnte R. lebenslange Haft drohen. Der damals
       17-Jährige war nach eigenen Angaben wegen der Proteste nach Kenosha
       gefahren und wollte dort Eigentum vor Plünderungen schützen. R. wurde nach
       seiner Festnahme im benachbarten Bundesstaat Illinois von rechten Kreisen
       zu einem Helden stilisiert. Selbst US-Präsident Donald Trump verteidigte
       ihn im Wahlkampf und suggerierte nach dem Zwischenfall, dieser habe in
       Notwehr gehandelt. Der mutmaßliche Schütze befindet sich gegen Kaution auf
       freiem Fuß.
       
       6 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Polizeigewalt-in-Wisconsin/!5709113
   DIR [2] /Toedliche-Schuesse-in-Wisconsin/!5710254
   DIR [3] /Festnahme-in-US-Stadt-Kenosha/!5710320
       
       ## TAGS
       
   DIR Black Lives Matter
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt USA unter Donald Trump
   DIR USA
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Jacob Blake
   DIR Black Lives Matter
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Black Lives Matter
   DIR Polizeigewalt
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR 2020 in guten Nachrichten
   DIR Schwerpunkt USA unter Donald Trump
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Freispruch für Schützen in Kenosha: Argumente für Nachahmer
       
       Kyle Rittenhouse erschoss zwei Menschen und wurde jetzt freigesprochen. Der
       Prozess wäre eine Chance gewesen, ein Zeichen gegen Selbstjustiz zu setzen.
       
   DIR Prozess um die tödlichen Schüsse von Kenosha: Freispruch für Kyle Rittenhouse
       
       Ein Geschworenengericht erklärte den Teenager am Freitag für unschuldig.
       Rechte feierte das Urteil, Linke und Bürgerrechtler protestierten.
       
   DIR Rittenhouse-Verfahren in den USA: Prozess gegen Todesschützen
       
       2020 folgte Kyle Rittenhouse dem Aufruf einer rechten Miliz gegen
       Antirassismusproteste und erschoss zwei Menschen. Jetzt steht er vor
       Gericht.
       
   DIR Polizeigewalt in Berlin: Polizeieinsatz mit (späten) Folgen
       
       Eine Demonstrantin erleidet bei antifaschistischer Demonstration
       Verletzungen – das ist rund 26 Jahre her. Der Rechtsstreit zieht sich bis
       heute hin.
       
   DIR Verfahren gegen Amy Cooper eingestellt: Gerecht. Aber für wen?
       
       Nach einem rassistischen Telefonanruf werden die Ermittlungen gegen Amy
       Cooper eingestellt. Sie nimmt stattdessen Therapiestunden.
       
   DIR Politischer Aktivismus im US-Sport: Von der versteckten Macht
       
       Rassismus und Diskriminierung sind Alltag in den Ligen. 2020 streikten
       Spitzensportler:innen und setzten Zeichen gegen strukturellen Hass.
       
   DIR Polizeigewalt in Wisconsin: Zwei Tote bei Protesten
       
       Bei Ausschreitungen in der US-Stadt Kenosha sind zwei Menschen ums Leben
       gekommen. Wisconsins Gouverneur Tony Evers rief den Notstand aus.
       
   DIR Polizeigewalt in Wisconsin: Sieben Schüsse in den Rücken
       
       Ein weiterer Vorfall von Polizeigewalt in den USA: Im Bundesstaat Wisconsin
       schießt ein Polizist den Schwarzen Jacob Blake aus nächster Nähe nieder.