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       # taz.de -- Schuldenbremse und Sondervermögen: Die Grünen in der Zwickmühle
       
       > Wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung wird
       > es wohl auf die Stimmen der Grünen ankommen. Was fordert die Partei im
       > Gegenzug?
       
   IMG Bild: Felix Banaszak (Bündnis 90/ Die Grünen, Bundesvorsitzender, l) und Franziska Brantner (Bündnis 90/ Die Grünen, Bundesvorsitzende)
       
       Berlin taz | Am Tag nach der [1][Kehrtwende der Union] ist bei den Grünen
       eine Frage schnell beantwortet. Die Gemütslage? Einhellige Empörung! Bei
       Parteichef Felix Banaszak zum Beispiel, der am Politischen Aschermittwoch
       in Landshut spricht und dort in die Rolle des Friedrich Merz schlüpft. „Ich
       habe über Jahre die Unwahrheit gesagt. Das tut mir leid“, müsste der
       CDU-Chef jetzt eigentlich sagen, so der Grünen-Vorsitzende. „Ich wusste es
       besser. Aber ich wollte meinen Wahlsieg nicht gefährden und habe mich
       bewusst entschieden, Sie alle zu täuschen.“
       
       Eine zweite Frage lässt sich dagegen noch nicht eindeutig beantworten: Was
       lassen sich die Grünen ihre Zustimmung zu den schwarz-roten Finanzplänen im
       Bundestag kosten? Wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit für eine
       Verfassungsänderung wird es wohl auf ihre Stimmen ankommen. [2][Dadurch
       steckt die Partei in einer Zwickmühle.]
       
       Einerseits: Kredite in Höhe von Hunderten Milliarden Euro für Investitionen
       in Infrastruktur und die Bundeswehr – das entspricht dem eigenen
       Wahlprogramm der Grünen. Dass es die neuen Kredite nicht ausschließlich in
       Form von zeitlich befristeten Sondervermögen gibt, sondern Union und SPD
       auch gleich noch eine teilweise Reform der Schuldenbremse (fürs Militär und
       die Haushalte der Länder) anstreben – das ist mehr, als in den letzten
       Tagen zu erwarten war.
       
       Andererseits: Eigentlich wollen die Grünen noch mehr, nämlich umfassendere
       Änderungen der Schuldenbremse, höhere Investitionen in sicherheitsrelevante
       Bereiche auch neben dem Militär und einen expliziten Schwerpunkt auf die
       Klimapolitik.
       
       ## Jetzt bloß nicht zu billig verkaufen?
       
       [3][Aus der Opposition heraus werden sie in den nächsten Jahren nicht mehr
       häufig die Gelegenheit bekommen], Bedingungen zu stellen. Und nach der
       Niederlage bei der Bundestagswahl sind in der Partei viele der Ansicht, es
       habe in den Ampeljahren an Durchsetzungskraft gefehlt. Also: Jetzt bloß
       nicht zu billig verkaufen?
       
       Besonders vernehmbar pocht darauf die [4][Grüne Jugend]. Bundessprecher
       Jakob Blasel forderte die Grünen-Spitze am Mittwoch auf, hart zu
       verhandeln. „Den aktuellen Vorschlag halte ich nicht für mehrheitsfähig.“
       Wenn er so bliebe, dürften die Grünen nicht zustimmen.
       
       Die Grüne Jugend fordert eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse und
       dauerhafte Ausnahmen nicht nur für Verteidigung, sondern auch für die
       Bereiche Bildung, soziale Gerechtigkeit, Infrastruktur und Klimaschutz.
       „Friedrich Merz braucht uns, wir brauchen Friedrich Merz nicht“, sagte die
       Co-Vorsitzende Jette Nietzard.
       
       Auch anderen, vor allem aus dem linken Parteiflügel, geht der Vorschlag von
       Union und SPD nicht weit genug. Parteivize Sven Giegold will zwar nicht von
       roten Linien für die anstehenden Verhandlungen sprechen, formuliert aber
       ein „positives Ziel“ für die Gespräche mit Schwarz-Rot: „Bei den Änderungen
       an der Schuldenbremse braucht es eine Klärung für Investitionen aller Art,
       für militärische wie für zivile“, sagte er der taz.
       
       ## Es muss eine schnelle Entscheidung geben
       
       [5][Schwarz-Rot schlägt zwar vor, dass eine Expertenkommission] in den
       kommenden Monaten über eine Reform auch über die Militärausgaben hinaus
       berät. Darauf vertraut Giegold aber nicht: Kein Mensch wisse, ob bei so
       einer Kommission eine Einigung rauskomme.
       
       Und diejenigen, auf die es jetzt vor allem ankommt? Federführend sind in
       den Verhandlungen die Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta
       Haßelmann. Sie sprachen nach einem ersten Gespräch mit Friedrich Merz am
       Mittwoch von einer „anständigen“ Atmosphäre, verrieten keine Details – und
       formulierten stattdessen Fragen für die nächsten Termine in den kommenden
       Tagen.
       
       Unter anderem: Muss es unbedingt eine schnelle Entscheidung mit den
       Mehrheiten des alten Bundestags geben, oder reicht es auch nach der
       Konstituierung des neuen Parlaments? Dann wären auch die Stimmen der Linken
       nötig, und damit wäre eine Reform der Schuldenbremse speziell fürs Militär
       vom Tisch.
       
       In der eigenen Fraktion werden Dröge und Haßelmann als harte
       Verhandlerinnen geschätzt. In der Ampelzeit, heißt es, waren sie oft
       standhafter als andere Spitzengrüne. Auch deshalb sitzen sie jetzt in den
       Gesprächen wieder am Tisch. Auch Annalena Baerbock war jetzt als
       Fraktionschefin im Gespräch, ihr Rückhalt unter den Abgeordneten war nach
       den Regierungsjahren aber begrenzt. Am Mittwochmorgen gab sie schließlich
       bekannt, keine führende Rolle mehr anzustreben. Aus „persönlichen Gründen“,
       schrieb sie an die Fraktion. Sie wolle erst mal mehr Zeit fürs Privatleben
       haben.
       
       5 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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