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       # taz.de -- Schuldenreport 2025: 47 Staaten zu „hoch belastet“ mit Schulden
       
       > Viele Länder geben laut Bericht mehr für Zinsen und Tilgung als für
       > Bildung und Gesundheit aus. NGOs fordern Reformen der globalen
       > Finanzarchitektur.
       
   IMG Bild: Nach Schüssen und Tränengas: Demonstrant gegen den neuen Haushaltsplan in Nairobi, Kenia
       
       Berlin taz | Im vergangenen Sommer versammelten sich über Wochen Tausende
       junge Menschen in Kenia, um [1][gegen höhere Steuern zum Beispiel auf
       Lebensmittel zu protestieren]. Nahrungspreise waren ohnehin schon massiv
       teurer geworden. Die kenianische Regierung reagierte mit exzessiver Gewalt.
       Kenia steckt seit Jahrzehnten in einer Schuldenspirale. Zivilorganisationen
       beklagen Korruption und mangelnde Transparenz bei der Aufnahme der Kredite
       – und wofür das Geld verwendet wird. Gleichzeitig gibt es äußere Zwänge:
       Für die hohen Zins- und Tilgungszahlungen bezahlen die Ärmsten.
       
       Kenia gehört zu den 47 Ländern, die laut dem [2][Schuldenreport 2025] mit
       Schulden „hoch belastet“ sind. Sie geben mehr als 15 Prozent ihrer
       Staatseinnahmen für Zins- und Tilgungszahlungen an ausländische Gläubiger
       aus. Der Schuldenreport wird jährlich von der Entwicklungsorganisation
       Misereor und dem zivilgesellschaftlichen Entschuldungsbündnis erlassjahr.de
       herausgegeben.
       
       Auch Pakistan gehört zu den hoch verschuldeten Staaten, lehnt eine
       Umstrukturierung wie Kenia bislang jedoch ab. Länder wie Sri Lanka und
       Suriname haben eine Umschuldung abgeschlossen – und bleiben dennoch hoch
       verschuldet.
       
       „Wir wissen alle, dass wir auf keinem guten Weg sind, die
       UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, sagte Malina Stutz, Referentin bei
       erlassjahr.de bei der Vorstellung des Berichts am Montag in Berlin. Bis
       2030 wollte die Staatengemeinschaft grundlegende Menschenrechte überall auf
       der Welt verwirklichen, also etwa Hunger und extreme Armut beenden oder den
       Zugang zu Bildung und Gesundheit sicherstellen. „Um das zu gewährleisten,
       braucht es einen finanziell handlungsfähigen Staat“, sagte Stutz.
       
       ## Schuldenkrise ist strukturell
       
       Zum einen fehle das Geld, das Staaten für Schuldentilgung ausgeben, bei
       Bildung, Gesundheit oder Klimainvestitionen. Gleichzeitig gingen
       Sparmaßnahmen, die Gläubiger erwarten, zu Lasten der Bevölkerungen. Die
       häufigste Maßnahme seien Abstriche im Sozialsektor, die zweithäufigste
       Lohnkürzungen, erklärte Klaus Schilder, der zu Entwicklungsfinanzierung bei
       Misereor arbeitet.
       
       Der Bericht zeigt: Die globale Schuldenkrise ist strukturell angelegt.
       „Viele Länder haben gar keinen Zugang mehr zum Kapitalmarkt, andere Länder
       bekommen Kredite nur noch zu sehr hohen Zinsen“, sagt Stutz. Problematisch
       ist auch, dass sie die meisten Kredite in ausländischen Währungen erhalten
       – die schwer zu bekommen sind. Verschärft wird das Problem dadurch, dass
       ihre eigene Landeswährung am Kapitalmarkt eine viel schwächere Position
       hat. Die Schulden wachsen also an, wenn ihre Währung abgewertet wird.
       
       Gleichzeitig weist der Bericht auf die Probleme der bestehenden
       Gläubigerforen hin, in denen Schuldenerlasse und Umstrukturierung
       verhandelt werden, dem G20-Rahmenwerk und dem Pariser Club. Hier bestehen
       Machtasymmetrien zwischen den Gläubigern und Schuldnern, sagte Schilder.
       Häufig beteiligen sich private Gläubiger nicht an Schuldenerlassen.
       Verhandlungen sind zäh und langwierig. Und: „Die verhandelten
       Schuldenerlasse reichen oft nicht aus“, so Schilder, sie seien weder sozial
       noch ökonomisch tragbar.
       
       ## Reformen der Finanzarchitektur
       
       All das erfordere dringend [3][Reformen der internationalen
       Finanzarchitektur], erklären die NGOs. „Dieses Jahr ist ein entscheidendes
       Jahr, um einen Richtungswechsel einzuleiten“, meint Schilder. Ende Juni
       findet nach zehn Jahren wieder [4][eine UN-Konferenz zu
       Entwicklungsfinanzierung] statt. Auf der Agenda liegen fairere Bedingungen
       für Entwicklungsländer, um Kredite aufzunehmen und ein Rahmenwerk für
       Staatsinsolvenzen, das in der UN – also von allen Staaten gleichberechtigt
       – verhandelt wird.
       
       Misereor und erlassjahr.de fordern von der Bundesregierung, sich für
       ausreichend umfassende Schuldenerlasse einzusetzen. Private Gläubiger
       müssten gesetzlich verpflichtet werden, sich an Schuldenerlassen zu
       beteiligen. Die Organisationen fordern außerdem seit Jahren ein
       internationales Schuldenregister, damit auch die Zivilgesellschaft in den
       verschuldeten Staaten ihre Regierungen besser zu Verantwortung ziehen kann.
       
       26 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Proteste-gegen-Steuererhoehungen-in-Kenia/!6016399
   DIR [2] https://erlassjahr.de/produkt/schuldenreport-2025/
   DIR [3] /UN-Zukunftsgipfel/!6037509
   DIR [4] /Nachhaltige-Entwicklungsziele-der-UN/!6086543
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Leila van Rinsum
       
       ## TAGS
       
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