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       # taz.de -- Schwere Kämpfe im Ostkongo: Es ist Wahlkampf und alle zündeln
       
       > Vor den Wahlen in der DR Kongo steht der Osten an der Schwelle zum
       > regionalen Krieg. Die Krisendiplomatie läuft auf Hochtouren.
       
   IMG Bild: In Bunagana an Kongos Grenze zu Uganda laufen M23-Rebellen an EAC-Soldaten vorbei
       
       Kampala taz | Hochrangige Delegationen aus den USA, Großbritannien und der
       EU reisen nach Kinshasa. Generäle aus den Nachbarländern erörtern in der
       ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma die Sicherheitslage. Und die
       sieben Staatschefs der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) kommen in
       Tansania zum Gipfel zusammen.
       
       Anlass der geschäftigen Diplomatie ist [1][die angespannte Lage im Osten
       der Demokratischen Republik Kongo]. Die Rebellen der M23 (Bewegung des 23.
       März) rücken erneut auf die Provinzhauptstadt Goma vor, Kongos Regierung
       wirft Ruanda vor, dahinterzustecken. Rund um die Millionenstadt stehen
       Eingreiftruppen aus Uganda, Südsudan und Burundi. Vier Wochen vor Kongos
       Wahlen am 20. Dezember ist die Lage so explosiv, dass es nur einen Funken
       braucht, um sie explodieren zu lassen.
       
       Um zu deeskalieren, setzte sich zu Beginn der Woche die
       Geheimdienstkoordinatorin des US-Präsidenten, Avril Haines, in Kongos
       Hauptstadt Kinshasa mit Präsident Felix Tshisekedi zusammen. Dann flog sie
       nach Ruanda und sprach Präsident Paul Kagame. Beide hätten zugesagt,
       „konkrete Schritte zu unternehmen, um die aktuellen Spannungen abzubauen“,
       erklärte das Weiße Haus hinterher. Man begrüße diese „Schritte zur
       Deeskalation“ und „beabsichtigt, diese zu überwachen“.
       
       ## Ruanda hat 2.000 Soldaten im Ostkongo stationiert
       
       Kaum war Haines abgeflogen, veröffentlichte Kongos Armeesprecher General
       Sylvain Ekenge eine Videobotschaft an die Truppe. Darin warnte er alle
       Armeemitglieder „ungeachtet ihres Ranges“ vor „Kontaktpflege“ zu den
       ruandischen Rebellen der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)
       und drohte ihnen mit dem Kriegsgericht. In der FDLR tummeln sich Hutu-Täter
       des [2][Völkermordes an Ruandas Tutsi 1994], Kongos Armee pflegt
       nachweislich enge Kontakte zu ihnen. Dass FDLR-Kämpfer praktisch in Kongos
       Armee integriert seien, hat Kongos Regierung stets bestritten. Nun deutet
       die Videobotschaft darauf hin, dass es wohl doch stimmt.
       
       Laut UN-Ermittlungen unterstützt Ruanda im Gegenzug die kongolesischen
       Tutsi-Rebellen der M23 mit Truppen und Ausrüstung sowie medizinischer
       Versorgung. In westlichen Geheimdienstkreisen wird gemunkelt, dass Ruandas
       Armee fast 2.000 Soldaten im Ostkongo stationiert hat. Mit Ruandas
       Unterstützung wäre die M23 militärisch in der Lage, die Millionenstadt Goma
       einzunehmen: sie liegt direkt an der Grenze zu Ruanda. Dies gelang der M23
       bereits vor elf Jahren: Ihre zehntägige Besetzung Gomas im November 2012
       zwang Kongos Regierung damals an den Verhandlungstisch.
       
       Mit diesem Szenario droht die M23 nun erneut. Vor drei Wochen startete
       Kongos Armee eine Militäroperation gegen die M23 – Präsident Tshisekedi
       braucht einen Erfolg für den Wahlsieg 2023. Um seine marode Armee zu
       verstärken, hat er Söldner aus Rumänien und Bulgarien angeheuert,
       FDLR-Kämpfer und burundische Soldaten und Milizionäre in kongolesische
       Uniformen gesteckt. Gemeinsam mit hastig aufgestellten Bürgerwehren,
       genannt „Wazalendo“ (Patrioten), sollen sie die M23 zurückdrängen.
       
       Aber es ist die M23, die vorrückt. In der Nacht auf Donnerstag eroberte sie
       die Kleinstadt Mweso in den Masisi-Bergen, gut 100 Kilometer nordwestlich
       von Goma. Dort gibt es eines der wenigen Krankenhäuser in dem seit
       Jahrzehnten unsicheren Gebiet. Zugleich näherten sich M23-Kämpfer der Stadt
       Sake rund 30 Kilometer westlich von Goma. Dort, am Ufer des Kivusees,
       kreuzen sich wichtige Handelsstraßen. Seitdem ist Goma erneut fast
       umzingelt.
       
       ## EAC-Truppen stehen zwischen den Fronten
       
       Dies bringt nun die EAC-Truppen in Ostkongo in eine verzwickte Lage. Seit
       über einem Jahr überwachen rund um Goma unter einem EAC-Mandat kenianische,
       ugandische, burundische und südsudanesische Soldaten einen Waffenstillstand
       und eine Pufferzone zwischen den Konfliktparteien. Seit wieder gekämpft
       wird, stehen diese EAC-Truppen zwischen den Fronten. Die Burunder in den
       Masisi-Bergen sind vergangene Woche Hals über Kopf abgezogen. Jetzt muss
       auch Uganda eine Entscheidung treffen: Vor wenigen Tagen mahnte Kongos
       Armeeführung die Ugander, sich auf Kampfhandlungen entlang der Grenze zu
       Uganda einzustellen. Am Donnerstag traf eine hochrangige Armeedelegation
       aus Uganda in Goma ein, um die Lage zu erörtern.
       
       Und am Freitag beginnt der EAC-Staatengipfel im tansanischen Arusha. Es
       steht die Entscheidung an, ob die EAC-Truppen in der Demokratischen
       Republik Kongo das Land noch vor den Wahlen verlassen. Ihr Mandat endet am
       8. Dezember, Kongos Regierung will keine Verlängerung, denn sie sucht die
       militärische Entscheidung gegen die M23. Vor allem Uganda und Kenia pochen
       aber auf Verhandlungen statt Krieg.
       
       Die viel größere [3][UN-Blauhelmmission in Kongo (Monusco)] will ebenfalls
       im Dezember ihren Rückzug einleiten, der sich dann noch lange hinziehen
       dürfte. Einen Abzugsplan für die rund 14.000 Blauhelme unterschrieb die
       Monusco mit Kongos Außenminister Christophe Lutundula am Dienstag in
       Kinshasa. Laut UN handelt es sich um einen „beschleunigten, schrittweisen,
       geordneten und verantwortungsvollen Abzug“. Details wurden nicht bekannt.
       
       23 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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