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       # taz.de -- Schwesig stockt Hilfsfonds auf: Mehr Geld für West-Heimkinder
       
       > Manche früheren Bewohner von Kinderheimen in der BRD wurden so
       > drangsaliert, dass sie dauerhaft leiden. Nun wird der Fonds für sie
       > aufgestockt.
       
   IMG Bild: Ein ehemaliges Heimkind beim Protest für mehr Anerkennung und Entschädigung.
       
       BERLIN taz | Mehrere Tage hintereinander eingesperrt in dunklen, kalten und
       feuchten Kellern. Schläge von ErzieherInnen. Essensentzug. Zwangsarbeit.
       Komplette Lieblosigkeit. Die Erzählungen ehemaliger Heimkinder ähneln sich.
       Egal, ob sie in der DDR oder in der früheren Bundesrepublik gelebt haben.
       
       Viele von ihnen haben bleibende Schäden davongetragen. Sie haben chronische
       Schmerzen, können nicht arbeiten und sind kaum in der Lage, dauerhafte
       Beziehungen aufzubauen. Sie sind isoliert und misstrauisch –ein
       Teufelskreis. Jahrzehntelang haben die früheren Heimkinder dafür gekämpft,
       dass ihr Leid anerkannt wird.
       
       Erst seit 2012 passiert das –mit zwei sogenannten Heimerziehungs-Fonds: Den
       für das Gebiet der alten Bundesrepublik (Fonds „Heimerziehung West“) gibt
       es seit Januar 2012. Den für die frühere DDR seit Juli 2012.
       
       Bund, Länder und Kirchen teilen sich zu je einem Drittel die Mittel für die
       Finanzierung des West-Fonds, 2012 waren das rund 120 Millionen. Den
       Ost-Fonds finanzieren Bund und Länder, zunächst mit 40 Millionen Euro.
       
       Bald stellte sich aber heraus, dass diese Summen nicht reichen, um die
       Schäden der Opfer wenigstens finanziell angemessen zu mildern. Jetzt wird
       der Fonds Heimkinder West um 182 Millionen auf 302 Millionen Euro
       aufgestockt. Das hat das Kabinett am Mittwoch beschlossen. Der Fonds für
       die Heimkinder in der DDR wurde bereits im Februar um rund 200 Millionen
       Euro erhöht.
       
       ## Demütigende Kindheit
       
       800.000 Kinder und Jugendliche lebten von 1949 bis 1975 in westdeutschen
       Heimen. Manche waren noch Babys, als sie dort hingebracht wurden. Mitunter
       erlebten sie eine Kindheit, die einzig aus Prügeln, Zwangsarbeit und
       Demütigungen bestand.
       
       Viele von ihnen wurden so drangsaliert, dass sie sich nicht in der Lage
       fühlten, eine Ausbildung zu absolvieren, und heute teils auf Rollstühle,
       Rollatoren, Spezialmatratzen und andere Hilfsmittel angewiesen sind. Andere
       machen eine Psychotherapie nach der anderen, um einigermaßen mit ihren
       Erinnerungen leben zu können. Die meisten Krankenkassen zahlen irgendwann
       nicht mehr dafür. An dieser Stelle springt der Heimkinder-Fonds ein und
       übernimmt teilweise die Kosten.
       
       Bis 31. Dezember 2014 konnten ehemalige Heimkinder aus dem Altbundesgebiet
       einen Antrag auf Zahlung aus dem Fonds stellen. Bislang haben das laut
       Familienministerium nur rund 20.000 getan. 13.000 von ihnen hätten bereits
       Hilfsleistungen erhalten, maximal 10.000 Euro für Therapien und
       Hilfsmittel. Auch Rentenausgleichszahlungen übernimmt der Fonds. 70 Prozent
       der Mittel würden als Sachleistungen gezahlt, 30 Prozent für
       Rentenansprüche.
       
       „Wir können das Unrecht nicht ungeschehen machen“, sagte Familienministerin
       Manuela Schwesig (SPD): „Aber es ist wichtig, dass die ehemaligen
       Heimkinder, die heute Erwachsene sind und mit den Folgen des erlittenen
       Leids zu kämpfen haben, benötigte Hilfen bekommen.“
       
       ## Läuft bis 2018
       
       Für die Opfer sind die Zahlungen aus den beiden Fonds lediglich eine kleine
       Genugtuung, niemals aber eine Wiedergutmachung. Das werden Opfer nicht müde
       zu beklagen. Das könnten die Fonds aber auch nicht leisten, wie das
       Familienministerium betont. Ein Sprecher legt Wert darauf, dass es sich
       ausschließlich um Hilfsleistungen und nicht um Entschädigungen handelt.
       
       Beide Fonds sollen bis 2018 laufen. Bis dahin sollen alle Opfer, die einen
       Antrag gestellt haben, eine Zahlung bekommen haben, versichert das
       Ministerium. Manche Fälle seien sehr kompliziert, deren Bearbeitung dauere
       etwas länger. Manche Betroffene könnten in dieser Zeit aber auch schon
       gestorben sein.
       
       9 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
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