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       # taz.de -- Science-Fiction-Film „Interstellar“: Hilfe aus dem Wurmloch
       
       > Mit großen Bildern und dezentem Humor: Filmemacher Christopher Nolan
       > sucht nach einer Zukunft für die Menschheit in anderen Galaxien.
       
   IMG Bild: Unwirtliche Welten.
       
       Da haben wir den Salat. Genauer gesagt mangelt es stark an Blattpflanzen
       und überhaupt an Nahrung. Für die Menschheit sind die Aussichten auf der
       Erde ziemlich eingetrübt, eine Kulturpflanze nach der anderen stirbt, als
       letzte Lebensgrundlage bleibt vorerst der Mais. Doch auch der Sauerstoff
       wird knapp, ständig weht Staub heran, Stürme nehmen zu, ganz wie es die
       Klimaforscher immer vorhergesagt haben.
       
       Mit „Interstellar“ entwirft Christopher Nolan ein apokalyptisches
       Science-Fiction-Szenario rund um die Frage, was die Menschen tun, wenn der
       Planet Erde eines Tages unbewohnbar werden sollte. Die Gesellschaft der USA
       trägt Züge einer Agrardiktatur – Cooper, ein ehemaliger Pilot und
       Ingenieur, mit melancholischer Entschlossenheit gespielt von Matthew
       McConaughey, arbeitet als Farmer, und auch seinem Sohn Tom blüht dasselbe
       Schicksal, obwohl er gern studieren würde.
       
       Tochter Murphy eckt derweil in der Schule an, weil sie alte Bücher über die
       Mondlandung von „Apollo 11“ im Jahr 1969 mit zum Unterricht bringt. In den
       aktuellen Schulbüchern wird dieser Durchbruch in der Raumfahrt hingegen als
       Propaganda dargestellt, mit der die Sowjetunion in einen Wettlauf gelockt
       und wirtschaftlich ruiniert werden sollte. Diese „Korrektur“ will
       verschleiern, dass Menschen jemals Geld für so unnütze Projekte
       verschwendet haben.
       
       Doch wie Cooper bald herausfindet, ist die Raumfahrt keinesfalls am Ende.
       Dank geheimnisvoller Signale, die Murphy über aus dem Regal herausfallende
       Bücher oder Muster im Staub auf dem Zimmerfußboden empfängt, werden Vater
       und Tochter zu einem geheimen Nasa-Forschungslabor geführt, wo unter der
       Leitung des Physikers Dr. Brand (Michael Caine) an der Rettung der
       Menschheit gearbeitet wird.
       
       ## Ein endloses Meer
       
       Ziel ist eine andere Galaxie, zu erreichen über ein Wurmloch in der Nähe
       des Saturns. Cooper soll mit einem Forscherteam dorthin fliegen, um
       potenzielle neue Heimatorte für die Menschheit zu erkunden. Falls eine
       Rückkehr unmöglich sein sollte, gibt es reichlich menschliches Erbmaterial
       an Bord, um im neuen Zuhause noch einmal von vorn anzufangen.
       
       „Interstellar“ wartet mit großartigen Bildern aus dem bekannten und dem
       bisher unbekannten Teil des Universums auf. So landet die kleine
       Expedition, zu der auch Dr. Brands Tocher Amelia (Anne Hathaway) gehört, am
       anderen Ende des Wurmlochs auf einem der ersten Heimat-Kandidaten, den
       zuvor schon ein früheres Team angeflogen hatte. Die Oberfläche des Planeten
       bildet ein endloses Meer, das in regelmäßigen Abständen gebirgshohe Wellen
       anbranden lässt. Ästhetisch beeindruckend, erweist sich das Wasserspektakel
       für das Team bald als destruktive Naturgewalt.
       
       In einer der erhabensten Szenen sieht man den Saturn samt Ringen, friedlich
       und abweisend zugleich, dem sich das Raumschiff als winzig kleiner Fleck
       nähert. Komponist Hans Zimmer, der das Weltrettungspathos des Films gern
       mit dramatisch insistierenden Orchester- oder Orgeltönen verdringlicht,
       hält sich in dieser Einstellung vorbildlich zurück, lässt gerade mal ein
       paar schüchterne Klaviertöne erklingen, die von der ehrfurchtgebietenden
       Einsamkeit des Universums erzählen.
       
       ## Immer wieder Nahaufnahme
       
       Überhaupt verneigt sich Christopher Nolan in „Interstellar“ ausgiebig vor
       Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“, von der rotierenden
       kreisförmigen Raumstation „Endurance“ bis zum farbenfrohen Flug in andere
       Dimensionen: Der Film verhandelt dabei eine Reihe physikalischer Topoi wie
       schwarze Löcher und nackte Singularitäten, die nicht nur in den Gesprächen
       der Wissenschaftler in Erscheinung treten, sondern auch aufwendig ins Bild
       gesetzt werden – als heftig gekrümmter Lavastrom, als galaktischer
       Schneesturm oder als unendliche Wiederholung desselben Orts auf
       verschiedenen Zeitebenen gleichzeitig: Cooper, der sich wagemutig in ein
       schwarzes Loch stürzt, kann dort mit wenigen Schritten durch die Zeit
       reisen.
       
       Neben Astro-Computereffekten zeigt die Kamera von Hoyte van Hoytema aber
       vor allem die Gesichter der Protagonisten in Nahaufnahme, wie um
       hervorzuheben, dass vom Schicksal dieser und zukünftiger Menschen erzählt
       wird. Die Intimität dieser Einstellungen passt zudem zur unterschwelligen
       Botschaft des Films, geht es am Ende doch um den Zusammenhalt der
       Kleinfamilie: Für das Gelingen des Vorhabens wird Coopers Tochter Murphy
       eine entscheidende Rolle spielen.
       
       Dass einem die fast dreistündige Odyssee durch die Dimensionen nicht lang
       wird, stellt Nolan mit unerwarteten Wendungen und gelegentlicher
       Parallelführung der Ereignisse auf der Erde und im Orbit sicher. Und mit
       dem dezenten Humor der Bordroboter Case und Tars, zwei eleganten
       rechteckigen Kästen in klassischem Braun-Design. Man mag das Happy End, auf
       das dieses Wurmlochfahrtskommando schließlich zusteuert, überflüssig
       finden. Dafür bekommt man eine Familienzusammenführung der ungewöhnlicheren
       Art geboten, deren Einzelheiten an dieser Stelle nicht verraten werden
       sollen.
       
       5 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tim Caspar Boehme
       
       ## TAGS
       
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   DIR Astronomie
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