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       # taz.de -- Science-Fiction-Serie „Spides“: Popcorn-Spaß und Grusel
       
       > Mit „Spides“ gibt es endlich wieder eine Science-Fiction-Serie aus
       > Deutschland. Das ist selten. Leider kann die Serie ihre Identität nicht
       > finden.
       
   IMG Bild: Coole Optik. Und was hält die Serie sonst noch bereit?
       
       Wer die deutsche Serienlandschaft betrachtet, könnte zu dem Schluss kommen,
       dass es hierzulande nur drei Genres gibt: Den klassischen „Von Tatort bis
       Cobra 11“-Krimi, das todernst-traurige ZDF-Drama oder die
       Historiengeschichte, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg oder der DDR
       auseinandersetzt. Zum Glück hat sich der enge Korridor deutscher
       Unterhaltung in den vergangenen Jahren ein kleines Stück geöffnet. Da sind
       zum Beispiel die [1][Sci-Fi-Serie „Dark“], der Finanzthriller „Bad Banks“
       oder das Gangster-Epos „4 Blocks“. Mit der Serie „Spides“ wagt sich nun
       auch der Fernsehsender Syfy ins Mystery-Territorium.
       
       Die Produktionen des Nischensenders sind oft trashig und ungelenk erzählt.
       „Spides“ ist da ein wenig klüger. Die Serie schafft es eine geerdete
       Handlung zu präsentieren; die vereinzelten Action-Elemente sind nicht
       hoffnungslos überfrachtet, sondern unterhalten.
       
       Im Zentrum der Serie steht Nora (Rosabell Laurenti Sellers, [2][„Game of
       Thrones“]) Marathonläuferin und Partyliebhaberin. Im Underground-Club
       „Rapture“ probiert sie die hippe Mode-Droge „Blis“ aus. Doch statt nach der
       durchgefeierten Nacht mit einem Kater und Übelkeit zu erwachen, findet sie
       sich erst ein paar Tage später im Krankenhaus wieder. An das, was passiert
       ist, kann sie sich nicht erinnern. „Vertrau niemandem hier!“, flüstert Nora
       ihr Arzt (Lion-Russell Baumann) zu. Dann beginnt die Paranoia-Handlung so
       richtig.
       
       Nora bleibt nicht das einzige Opfer der Droge. Immer mehr Jugendliche
       verschwinden, ebenso Besucher*innen des Rapture-Clubs, und andere
       Konsument*innen von Blis. Ein aufbrausender Cop mit tragischer
       Vergangenheit (Falk Hentschel) und seine etwas jüngere, aber umso
       elanvolleren Partnerin ([3][Florence Kasumba], „Marvel“, „Tatort“)
       ermitteln.
       
       ## International besetzt
       
       „Spides“ entwickelt zwei Erzählstränge, lässt zum einen Protagonistin Nora
       Mysterien lösen und verfolgt parallel die Ermittlungsarbeit der beiden
       Ermittler*innen. Vieles davon wirkt zwar oftmals klischeehaft, die
       vereinzelt eingestreuten Gruselszenen sind aber nicht ganz ohne. Für eine
       deutsche Serie ist das schon ein Erfolg.
       
       Obwohl, so ganz deutsch ist „Spides“ dann doch nicht. Zwar spielt die
       Handlung im bewusst kosmopolitisch inszenierten Berlin, die Serie ist aber
       auf ein weltweites Publikum ausgelegt. Der Cast wurde international besetzt
       und die Dialoge sind in englischer Sprache. „Spides“ könnte in New York
       oder Seattle spielen, würden da nicht exzessiv Berliner Klischees
       dargestellt werden: Es sind natürlich Techno-Partys, die gefeiert werden,
       immer sind viele Drogen im Spiel.
       
       Jede Figur versprüht Hipster-Vibes, von der im alternativen Café
       arbeitenden Protagonistin bis hin zum Dutt tragenden Polizisten. Und
       natürlich wird auch das vermeintlich dreckig-arme, aber dafür natürlich
       total echte Berlin(-Kreuzberg) dem klinisch-kalten und wohlhabenden
       Bürgertum gegenübergestellt.
       
       Ein großes Problem hat „Spides“ leider: Es kann seine Identität nicht
       finden und bedient sich lieber bei anderen Science-Fiction-Werken.
       Einflüsse enthält es da von erfolgreichen Serien wie „Dark“, „Orphan
       Black“, „Matrix“ und „Stranger Things“. In den besten Momenten der Serie
       merkt man, dass die Lieblingsfilme der Macher wohl etwas zwischen „Sie
       leben“ und „Invasion der Körperfresser“ sind. Dabei haben sie sich leider,
       anders als die Vorbilder, nicht getraut etwas Relevantes zu erzählen.
       
       ## Gewaltspitzen und Opernmusik
       
       Es gibt da diese Momente, in denen „Spides“ zeigt, dass es auch mehr hätte
       sein können. Am Ende fehlte dazu wohl leider der Mut. Wenn das Polizei-Duo
       brutal Konsument*innen der Droge befragt, ist das für Zuschauer*innen zwar
       schwer auszuhalten. Solche Gewaltspitzen sind es aber, die die Serie
       interessant machen – nur tauchen sie viel zu selten auf. Lieber greifen die
       Autor*innen auf Tausend Mal gesehene Klischees zurück. Beispielsweise ist
       der Antagonist der Serie ein grauer Mann in einem ebenfalls grauen Anzug.
       Als er zum ersten Mal auftaucht, ertönt Opernmusik. Da verpufft jegliche
       Spannung.
       
       Science-Fiction aus Deutschland ist selten – und noch seltener wirklich
       gut. „Spides“ ist unterhaltsam, keine Frage. Am Ende bleibt es Popcorn-Spaß
       – es gibt Schlimmeres.
       
       18 Mar 2020
       
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