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       # taz.de -- Segeln im Corona-Jahr 2020: Entspannt in ein seltsames Jahr
       
       > Erik Heil und Thomas Plössel sind in Rio zu Bronze gesegelt. Für Tokio
       > sind sie so gut wie qualifiziert. Jetzt geht es vor allem ums Material.
       
   IMG Bild: Erinnerungen mit Edelmetall: Erik Heil und Thomas Plössel 2016 bei den Spielen in Rio
       
       Der Berliner Steuermann Erik Heil (30), der mit seinem Vorschoter Thomas
       Plössel (32) bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro mit Bronze im
       49er (sprich: fourtyniner) die einzige Medaille für den Deutschen
       Segler-Verband holte, hat die coronabedingte Zeit ohne Regatten nutzen
       können. „Wir haben da eine Luxussituation, da wir schon fast qualifiziert
       sind und noch kurzfristig wieder ins Studium einsteigen und darin
       weiterkommen konnten“, sagt Heil der taz. Für sie sei nicht wie vielleicht
       bei Athletiksportarten eine Welt zusammengebrochen.
       
       Heil und Plössel hatten es nach Rio lockerer angehen lassen, das Segeln in
       anderen Bootsklassen und Formaten probiert und sich stärker um ihre
       berufliche Entwicklung gekümmert. „Deswegen waren wir eigentlich ein
       bisschen raus bis letzten Sommer. Wir hatten in den Semesterferien voll
       trainiert, aber während des Semesters eigentlich überwiegend Pause gehabt“,
       sagt Heil.
       
       Er studiert als Sportsoldat der Bundeswehr in Kiel im 6. Semester Medizin.
       „100 Prozent eingestiegen sind wir eigentlich erst wieder im letzten
       August. Da hatten wir noch drei bis vier Monate bis zur Weltmeisterschaft.“
       Heil räumt ein, dass diese Herangehensweise „anspruchsvoll“ gewesen sei.
       „Aber wir segeln seit 19 Jahren zusammen. Das heißt, wenn wir mal ein
       halbes Jahr nicht auf dem Boot sind, ändert das nichts an unserer Technik
       oder Eingespieltheit“.
       
       Die beiden begannen nicht wie viele in der Einmannjolle Optimist, sondern
       im Zweimannjüngstenboot Teeny – 1991 auf dem Tegeler See in Berlin. Und
       anders als in athletischeren Sportarten, wo es große Leistungskurven gebe,
       ist Segeln laut Heil eher ein Erfahrungssport. „Du musst auch viel über
       dein Material wissen und über Dinge, die du dir über Jahrzehnte angelernt
       hast“, sagt er. Deswegen seien Pausen weniger ein Problem, als wenn sie wie
       in anderen Sportarten körperliche Normen erfüllen müssten.
       
       ## Geheimnis ums Material
       
       „Wir haben ein Talent, schnell wieder zur Performance zurückzufinden“, sagt
       Heil. Das zeigte die WM im Neuseeland im Dezember. Da wurden sie
       Vizeweltmeister. Bei der WM 2020, die nur wenige Wochen später im Februar
       in Australien stattfand, wurden sie Dritte und sammelten genug Punkte für
       die Olympiaqualifikation. Für die fehlt zwar jetzt noch die auf den
       September verschobene und abgespeckte Kieler Woche. Aber Heil und Plössel
       führen quasi uneinholbar und müssen sich keine Sorgen machen.
       
       Die [1][Verschiebung der Spiele auf 2021], von deren Durchführung Heil nur
       zu 50 Prozent ausgeht, sei aber nicht nur für das Studium gut gewesen. „Wir
       hatten noch ein paar Materialtesthemen auf dem Zettel. Dafür hatten wir
       eigentlich zu wenig Zeit. Die haben wir jetzt bekommen und deshalb ist
       unsere Motivation weiterhin gut.“ Welches Material sie testen wollen – Heil
       sieht auch die Kieler Woche eher als Materialtest – möchte er nicht sagen.
       
       Durch die Verschiebung sei es für sie vielleicht noch möglich, das
       Olympiarevier vor Enoshima kennenzulernen. Denn an der Vorregatta dort
       konnten sie wegen Studienverpflichtungen nicht teilnehmen. In den letzten
       Monaten hätten sie gelegentlich gesegelt, aber nicht zusammen. Segeln im
       Team war wochenlang verboten. Allein war es theoretisch möglich, aber die
       Häfen durften dabei nicht benutzt werden.
       
       „Wir konnten nur direkt vom Strand aus ablegen“, sagt Heil. Die Segler
       verschiedener Bootsklassen im Olympiastützpunkt Kiel-Schilksee hätten auf
       Einmannjollen das Foilen geübt. Das ist anspruchsvolles Segeln auf
       Tragflächen und erfordert extremste Bootsbeherrschung. Beim Foilen habe er
       auch Erkenntnisse für den 49er gewonnen. Heil ist froh, dass der Verband
       inzwischen den Wert des interdisziplinären Segelns erkenne.
       
       ## Immer schön „sutsche“ bleiben
       
       In Neuseeland, wo mit den Gewinnern des [2][Americas Cup], Olympiasiegern
       und 49er- Weltmeistern Peter Burling und Blair Tuke die größten
       Konkurrenten sitzen, sei dies längst anerkannt. Burling und Tuke, die so
       etwas wie Nationalhelden sind, würden sich jetzt ganz der Verteidigung des
       Americas Cup widmen und erst kurzfristig zu den Olympischen Spielen wieder
       in den 49er wechseln.
       
       Heil lebt da entschleunigter. „Weil es eine Ungewissheit wegen der Spiele
       gibt, lasse ich das Studium nicht völlig runterfallen“, sagt er. Für seinen
       Vorschoter Plössel mag die Situation anders sein, weil der gerade sein
       Maschinenbaustudium abgeschlossen hat. Doch ohnehin seien sie jetzt nicht
       wieder zu 200 Prozent im Racemodus, sondern noch etwas „sutsche“ unterwegs,
       was auf norddeutsch entspannt heißt.
       
       Sie machten ihre Pflichtthemen, ansonsten gehe das Studium vor, solange
       Olympia unklar sei. „Doch ab Februar würden wir alles liegen lassen und uns
       vorbereiten. Bis dahin sind wir mit unseren Materialthemen durch und können
       uns dann aufs Racen und technische Sachen konzentrieren.“
       
       2 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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