URI: 
       # taz.de -- Senat lässt Volksbegehren nicht zu: Werbefrei? Aber nicht in Berlin!
       
       > Der Senat lehnt das Volksbegehren Berlin Werbefrei ab. Nicht mal ihren
       > Gesetzentwurf darf die Initiative nachbessern.
       
   IMG Bild: 32.000 Unterschriften haben nichts genutzt: Der Senat lehnt das Volksbegehren Werbefrei ab
       
       Weihnachtszeit ist Werbungszeit. Der Black Friday geht in den Cyber Monday
       über, und sicher kommt danach eine weitere vermeintlich unschlagbare
       Rabattaktion, die in den Schaufenstern der Geschäfte, auf den digitalen
       Leuchtreklamen an den Straßen, von den Plakaten in den Bushaltestellen den
       potenziellen KonsumentInnen entgegengeschrien wird. Die Initiative Berlin
       Werbefrei wollte diese Flut oft haltloser Verheißungen des Kapitalismus
       stoppen, nicht nur zur Weihnachtszeit.
       
       Doch daraus wird – zumindest vorerst – nichts: Der Senat lehnt laut
       taz-Informationen das Volksbegehren ab, für das in der ersten Stufe
       [1][gut 32.000 BerlinerInnen unterschrieben] hatten. Begründung: Es sei
       materiell-rechtlich unzulässig. Und auch aus politischen Gründen will
       Rot-Rot-Grün das laut Entwurf vorgesehene generelle Verbot von
       kommerzieller Werbung im öffentlichen Raum nicht unterstützen. Am Dienstag
       will der Senat diese Entscheidung öffentlich bekannt geben.
       
       Die rechtliche Prüfung des Entwurfs des Werbefreiheitsgesetzes durch die
       Senatsinnenverwaltung hatte [2][mehr als 16 Monate gedauert] – so lange war
       bisher kein anderes direkt demokratisch eingebrachtes Gesetz geprüft
       worden. Ein Sprecher der Verwaltung hatte das auf taz-Anfrage damit
       begründet, dass „ein komplexes Artikelgesetz zu unterschiedlichen Materien“
       vorgelegt worden sei, für die „jeweils ein unterschiedlicher rechtlicher
       Rahmen gilt“. Alle acht Senatsverwaltungen waren letztlich an der Prüfung
       beteiligt. An der übermäßig langen Dauer gab es Kritik aus der Koalition,
       und selbst der Sprecher der Verwaltung musste zugeben: „Trotz der
       inhaltlichen Komplexität des Volksbegehrens ist die Zeitspanne sehr lang.“
       
       Am Ende steht im Fall von Berlin Werbefrei nun aber nicht wie so häufig bei
       Gesetzentwürfen für Volksentscheide ein Abwägen und Angebot zur
       Überarbeitung, vielmehr kassiert es eine rigorose Absage: Nachbesserungen
       sind nach Einschätzung des Senats nicht möglich, weil der Eingriff in die
       Eigentumsrechte zu stark sei und die Kernpunkte des Gesetzes von den laut
       Prüfung notwendigen Anpassungen zu stark betroffen wären. Nachträgliche
       Veränderungen am Gesetzentwurf dürfen den Wesensgehalt des Entwurfs nicht
       verändern, weil schließlich genau dafür die Menschen unterschrieben haben.
       
       Der Entwurf dreht laut dem Initiativensprecher Fadi El-Ghazi die aktuelle
       Rechtslage um: Bisher sei Werbung in der Öffentlichkeit grundsätzlich
       erlaubt und nur in Ausnahmefällen verboten. Nach dem Willen der Initiative
       wäre sie grundsätzlich verboten und nur in genau definierten Ausnahmen
       erlaubt.
       
       Laut dem Gesetzentwurf hätten so gut wie „alle Werbeanlagen verschwinden“
       müssen: große und kleine Werbevitrinen analoger und digitaler Art,
       Großklebeflächen, Poster an Baugerüsten sowie auf Bussen und U-Bahnen.
       Erlaubt wären [3][lediglich Plakate für Kulturveranstaltungen], das
       beleuchtete Schild über dem Ladeneingang und Werbung an Gebäuden, wenn
       diese unmittelbar der Finanzierung etwa von dessen Sanierung dient.
       
       Die Initiative, die von offizieller Seite bisher nicht über das Ergebnis
       informiert wurde, zeigte sich am Montag enttäuscht: „Nicht mal mehr
       verhandeln will der Senat?“, sagte El-Ghazi. Überrascht sei er allerdings
       nicht – zu wichtig sei wohl die Bedeutung einer Werbefirma wie der Wall AG.
       Die Initiative werde die schriftliche Begründung nun genau prüfen; zudem
       hat sie laut El-Ghazi Ende vergangener Woche einen Antrag auf Akteneinsicht
       der Rechtsprüfung gestellt.
       
       Ganz aufgegeben hat die Initiative aber noch nicht. Der Senat wird den
       Antrag auf die Einleitung des Volksbegehrens nach taz-Informationen dem
       Berliner Verfassungsgerichtshof vorlegen. Dieser muss also abschließend
       entscheiden. „Wir rechnen uns gute Chancen aus, vor Gericht zumindest
       teilweise Recht zu bekommen“, sagte El-Ghazi.
       
       Wie lange diese Prüfung dauert, ist offen. Fraglich ist deswegen auch, ob
       der Zeitplan der Initiative funktioniert. Sie wollte den Volksentscheid
       parallel zu den Wahlen zum Bundestag und zum Berliner Abgeordnetenhaus
       abhalten, also im Herbst 2021. Damit wäre sichergestellt, dass ein
       Entscheid nicht bei der Abstimmung am Quorum scheitert, wonach ein Viertel
       der BerlinerInnen daran teilnehmen muss.
       
       Damit es aber überhaupt zum Volksentscheid kommt, muss die Initiative
       vorher innerhalb von vier Monaten rund 175.000 gültige Unterschriften von
       abstimmungsberechtigten BerlinerInnen sammeln. Eine Aufgabe, für die sie
       noch mal kräftig die Werbetrommel rühren müsste.
       
       2 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Initiative-gegen-Reklame-in-Berlin/!5517656
   DIR [2] /Volksbegehren-Berlin-Werbefrei/!5645238
   DIR [3] /Neues-Volksbegehren-in-Berlin/!5474642
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
       ## TAGS
       
   DIR Berlin Werbefrei
   DIR Direkte Demokratie
   DIR Rot-Rot-Grün
   DIR Volksbegehren
   DIR Berlin Werbefrei
   DIR Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
   DIR Berlin Werbefrei
   DIR Berlin Werbefrei
   DIR Berlin Werbefrei
   DIR Werbung
   DIR Werbung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Volksbegehren Berlin Werbefrei: Werbeverbot, zweiter Anlauf
       
       Das Berliner Verfassungsgericht erklärt die Nicht-Zulassung des
       Volksbegehrens für unzulässig. Die Initiatoren für ein Werbeverbot sind
       wieder am Zug.
       
   DIR Volksentscheide in Berlin: Direkt geht anders
       
       Rot-Rot-Grün feilscht zu lange um Verbesserungen bei der Direkten
       Demokratie – und verliert so Glaubwürdigkeit bei Initiativen und
       Zivilgesellschaft.
       
   DIR Berliner Senat will es nicht werbefrei: Äußerst plakative Abfuhr
       
       Der Senat lehnt das Volksbegehren Berlin Werbefrei rigoros ab.
       
   DIR Volksbegehren Berlin Werbefrei: Rekord im Dauerprüfen
       
       Nach mehr als 16 Monaten hat die Innenverwaltung die Prüfung des
       Volksbegehrens abgeschlossen. Am Dienstag will sich der Senat damit
       beschäftigen.
       
   DIR Prüfung von Volksbegehren: Senat lässt auf sich warten
       
       Seit einem Jahr prüft die Innenverwaltung Anträge auf Volksbegehren –
       bislang ohne Ergebnis. Das verärgert nicht nur Vertreter der Initiativen.
       
   DIR Initiative gegen Reklame in Berlin: Erfolgreiche Werbung in eigener Sache
       
       Die Initiative „Berlin Werbefrei“ sammelt 43.000 Unterschriften und nimmt
       die erste Hürde Richtung Volksentscheid. Auch Linke und Grüne wollen
       Reklame einschränken.
       
   DIR Neues Volksbegehren in Berlin: Werben für ein Ende der Werbung
       
       Was anderswo bereits Wirklichkeit ist, soll auch in Berlin möglich werden:
       viel weniger Werbung im Stadtbild. Ab sofort werden Unterschriften
       gesammelt.