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       # taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Feminismus als T-Shirt
       
       > „UnReal“ erzählt schön gruselig vom Reality-TV-Wahnsinn. Leider wurde die
       > dritte Staffel der Amazon-Serie auf 2018 verschoben.
       
   IMG Bild: Aus jeder Kandidatin wird das Schlechteste – und damit Beste für die Show – herausgeholt
       
       Mist, jetzt wurde die Ausstrahlung der neuen, der dritten Staffel „UnReal“
       (auf Amazon) gerade auf 2018 verschoben. Dabei halte ich’s kaum noch aus.
       Schließlich ist man ja nicht alle Tage mehr so stark angefixt wie früher,
       als einen fast jeder horizontale Erzählbogen aus dem Häuschen jagte.
       
       In „UnReal“ geht es um unsere Realität, nämlich um Reality-TV. Die an der
       Grenze zwischen bipolarer und Borderline-Störung herumstolpernde
       Redakteurin einer „Bachelor“-Dating-Show, Rachel (Shiri Appleby), deren
       „This is how a feminist looks like“-T-Shirt-Aufdruck die heuchlerische,
       einem klischierten Prinzessinnentraum entsprungene Märchenkulisse ihrer
       Umgebung Lügen straft, stellt sich – krankheitstypisch – als enorm
       manipulativ heraus.
       
       An ihrer Seite wütet dazu die Producerin und Show-Erfinderin Quinn
       (Constance Zimmer), deren Sarkasmus tatsächlich, nach Jahrzehnten der
       gelebten und inszenierten Fernsehkritik, noch neue Dimensionen erreicht:
       „Jetzt hat sie sogar mich gekränkt“, murmelt in der ersten Staffel
       irgendwann ein weißer Kameramann angesichts der sexistischen,
       rassistischen, menschenverachtenden Bonmots, die aus Quinn herausspritzen.
       
       In der ersten Staffel mussten Rachel und ihre Kolleg*innen die
       Kandidatinnen mit den gewünschten Stereotypen belegen: „I need a villain, I
       need a bitch“, schreit Quinn, wenn vor den allzeit bereiten und überall
       verstecken Kameras mal wieder zu viel Süßholz geraspelt wird.
       
       ## „Beef“ der Abziehbilder
       
       Und bringt ihre Redakteur*innen dazu, aus jeder das Schlechteste – und
       damit Beste für die Show – herauszuholen: Die latent drogenabhängige
       Alleinerziehende (Quinn: „Arme ausgetrocknete Single Mum!“) wird zurück in
       die Sucht geführt, die schwarzen Kandidatinnen („nicht weiter als bis zur
       dritten Runde!“) werden vom schwarzen Redakteur angehalten, Abziehbilder
       von wütenden Südstaatenfrauen zu spielen und „beef“ mit der weißen
       Favoritin anzufangen.
       
       Mittendrin kämpft Rachel mit ihrem Gewissen, mit ihren Gefühlen (zum
       Exfreund und dem doch gar nicht so dummen neuen Bachelor) und ihrer
       Krankheit.
       
       In der zweiten Staffel wird sie auch folgerichtig davon eingeholt: So
       leicht lässt sich die Skrupellosigkeit, die von Rachel verlangt wird, dann
       doch nicht mit dem wackeligen Seelenzustand vereinbaren. Und Rachels Idee,
       zum ersten Mal einen schwarzen Bachelor in die Show zu schicken, stößt
       lebensecht auf tiefsitzende Rassismen, mündet in eine Zweiteilung der Show
       und später in eine Katastrophe.
       
       ## Mord. Totschlag. Was noch?!
       
       „UnReal“ verkörpert als „Film im Film“-Genre gleich zwei Fernsehformate –
       inhaltlich die „Dating-Reality Show“ und strukturell die klassische
       horizontale Dramaserie. Dass in der dritten Staffel, nachdem schon in der
       zweiten Mord und Totschlag passierten, eigentlich nicht mehr so viel kommen
       kann, macht mich umso neugieriger: Was will Showrunner Sarah Shapiro, auf
       deren Erfahrung als ehemalige Dating-Show-Redakteurin ihre bittere
       Abrechnung beruht, sich denn jetzt, bitte schön, noch ausdenken?!
       
       Aber solange die Welt voll ist von grundlegenden Ungerechtigkeiten, hat
       eine Frau wie Shapiro auch etwas zu erzählen. Und das wird schon noch eine
       Weile so weitergehen.
       
       13 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
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