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       # taz.de -- Sexarbeit und Politik: Offener Brief an Kanzlerin Merkel
       
       > Die Koalition will das Prostituiertenschutzgesetz verschärfen. Ein
       > Bündnis aus Frauenverbänden und Beratungsstellen ist dagegen.
       
   IMG Bild: Für Sex mit einer Fremden muss Mann in der Regel bezahlen.
       
       BERLIN taz | Frauenrechtsverbände, Beratungsstellen für SexarbeiterInnen
       und evangelische Einrichtungen wagen im Zuge der Koalitionsverhandlungen
       zur Reform des Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) den großen Aufschlag:
       „Eine Kriminalisierung der Prostitution zur Bekämpfung des Menschenhandels
       wäre kontraproduktiv“, heißt es in einem Offenen Brief, das in seiner Form
       bisher einmalige Bündnis am Mittwoch veröffentlichte. Der Brief richtet
       sich unter anderem an Kanzlerin Angela Merkel.
       
       Hintergrund sind die Pläne der Bundesregierung, das bestehende Gesetz zu
       verschärfen. So sollen unter anderem das Schutzalter für legale
       Prostitution von 18 auf 21 Jahre angehoben werden und
       Gesundheitsuntersuchungen für SexarbeiterInnen Pflicht werden. Darüber
       hinaus wird über eine Meldepflicht für Prostituierte diskutiert.
       
       Das Bündnis, darunter der Deutsche Frauenrat und die Diakonie, wendet sich
       gegen diese Pläne. Es unterstütze zwar das Vorhaben, Prostituierte vor
       Gewalt zu schützen und ihnen eine gute Gesundheitsversorgung zu
       ermöglichen. Doch genau das Gegenteil werde eintreten, wenn das Gesetz
       verschärft würde.
       
       So ließen sich minderjährige SexarbeiterInnen kaum davon abhalten, auf den
       Strich zu gehen, sagte Andrea Hitzke von der Dortmunder
       Mitternachtsmission. „Warum sollten es jene tun, die schon 18 sind?“, sagt
       sie. Die meisten dieser Mädchen und jungen Frauen würden zwar freiwillgi
       auf den Strich gehen, sie seien dazu aber durch ihre soziale Notlage
       gezwungen. Viele hätten keine Ausbildung, keinen Job.
       
       ## Auch der Zuhälter will, dass die Frauen gesund sind
       
       Monika Nürnberger vom Berliner Frauentreff Olga hält Zwangsuntersuchungen
       für absurd. So seien Frauen, die selbstständig und freiwillig Sexdienste
       anbieten, peinlich auf Körper- und Gesundheitspflege bedacht. Aber auch
       Prostituierte, die für einen Zuhälter arbeiten, seien nicht weniger
       geschützt. „Der Zuhälter hat ein Interesse daran, dass die Frau gesund
       ist“, sagte Nürnberger. Die Sozialarbeiterin fürchtet im Falle behördlicher
       Zwangsuntersuchungen eher, dass Zuhälter dann sagen: Da gehst du nicht hin.
       
       Der Deutsche Juristinnenbund (djb), der die Initiative der Verbände
       angeschoben hat, meldet rechtliche Bedenken bei der Meldepflicht an. Die
       Meldepflicht widerspreche dem Datenschutz, meinte djb-Vorsitzende Maria
       Wersig: Würden die persönlichen Daten von Prostiuierten erhoben, würden
       damit auch Daten über sexuelle Praktiken der Betroffenen erfasst. Darüber
       hinaus gehe die Meldepflicht davon aus, dass Prostitution „ein ganz
       normaler Beruf ist“, so Wersig: „Das ist er aber noch nicht.“
       
       Als falsches Signal wiesen die Initatorinnen das Argument zurück, mit einem
       rigderen Prostituiertenschutzgesetz würde der Menschenhandel eingedämmt.
       Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, so der einhellige Tenor.
       Vielmehr würde Menschen hierher geschleust, um vor allem in
       Schlachtfabriken zu arbeiten. Die Zahl der Zwangsprostituierten sei gering,
       das bestätige selbst das Bundeskriminalamt.
       
       Unabhängig davon beschloss das Kabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf,
       der weitere Formen von Menschenhandel unter Strafe stellt. Das Schutzalter
       für minderjährige Opfer von Menschenhandel werde demnach von derzeit 14
       Jahren auf 18 Jahre angehoben. Damit soll verhindert werden, dass Kinder
       nach Deutschland geschleust werden, um hier zu betteln und zu steheln.
       Tätern drohen mindestens sechs Monate Haft. Damit setzt die Bundesregierung
       eine EU-Richtlinie durch. Menschenhandel zum Zwecke der Prostutition ist
       davon unberührt. Der soll mit dem Prostituiertenschutzgesetz erfasst
       werden, das zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt wird.
       
       29 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schmollack
       
       ## TAGS
       
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