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       # taz.de -- Sicherheit im Alpin-Skisport: Das Risiko fährt mit
       
       > Vor dem alpinen Ski-Weltcup-Auftakt am Samstag, gibt es
       > Sicherheitsdebatten. Es geht um neue Maßnahmen. Und um Pisten und
       > Trainingsstandards.
       
   IMG Bild: Schon letzte Saison ein großes Thema: schwere Unfälle, hier Weltklassefahrerin Mikaela Shiffrin
       
       Über den Rettenbachgletscher fegt in diesen Tagen ein Sturm hinweg. Kalt
       ist es geworden. Unten im Tal, in Sölden, aber erst recht oben auf dem
       Berg. Und Neuschnee gibt es auch. Gut möglich, dass es beim alpinen
       Ski-Weltcup-Auftakt am Wochenende nicht nur auf der Rennpiste und darum
       herum weiß ist, sondern auch unten im Ötztal nach einem Hauch von Winter
       aussieht. Nicht nur deshalb ist der wieder frühe Saisonstart kein großes
       Thema wie sonst oft in den vergangenen Jahren. Aber es gab ja auch genügend
       anderen Diskussionsstoff. Und damit ist in erster Linie die Sicherheit
       gemeint.
       
       Begonnen hat es schon in der vergangenen Saison, als sich mit dem
       französischen Top-Abfahrer Cyprien Sarrazin und Mikaela Shiffrin gleich
       zwei Weltklasseathleten [1][bei Stürzen schwer verletzten], dazu kamen ein
       paar Kreuzbandrisse, die im alpinen Rennsport fast schon üblich sind. Da
       hat es unter anderem Rückkehrer Marcel Hirscher und den Deutschen Alexander
       Schmid erwischt. Während der achtmalige Gesamtweltcupsieger aus Österreich
       auf den Start in Sölden verzichtet, plant Schmid am Sonntag beim
       Riesenslalom der Männer sein Comeback.
       
       Aber Statements über längere Pausen oder gar Bilder von Stürzen [2][gehören
       zu der Sportart schon lange] wie der Schnee auf der Skipiste. Am Dienstag
       hat die deutsche Abfahrerin Kira Weidle-Winkelmann ein Video gepostet, wie
       sie beim Training ins Netz geflogen ist. Sie kam mit einem Nasenbeinbruch
       glimpflich davon. Ein paar Stunden später meldete der italienische Verband,
       dass sich die frühere Weltmeisterin Marta Bassino eine Fraktur des
       Scheinbeinkopfes im linken Bein zuzog und somit am Samstag beim
       Riesenslalom nicht starten kann.
       
       Nachdem der Internationale Ski-Weltverband FIS im Sommer ein paar neue
       Sicherheitsregeln angekündigt hatte, regte sich jedoch Widerstand bei
       Athleten und Trainern. Nicht gegen das Tragen von schnittfester
       Unterwäsche, auch nicht unbedingt gegen die Airbag-Pflicht, wenngleich
       Karlheinz Waibel, Bundestrainer Wissenschaft im Deutschen Skiverband,
       findet, dass das nicht „der Kern des Problems“ sei. Ebenso wenig sind das
       für ihn jene Karbon-Schienbeinschoner, die die FIS nun verbietet, weil sie
       die Hebelwirkung verstärken und so eine schnellere Rennlinie ermöglichen.
       Genau diese Einlagen sorgten für Wirbel.
       
       ## Debatten um Schienbeinschoner
       
       Die FIS führte wissenschaftliche Daten an, die „ein erhöhtes Risiko
       bestätigen“. Der deutsche Männer-Cheftrainer Christian Schwaiger entgegnet,
       dass es ja nicht nur um „eine Performanceorientierung“ gehe, sondern dass
       es „auch ein gesundheitliches Thema“ sei. Genauer: um die von den harten
       Skischuhrändern gereizten Schienbeine zu schonen. Gesamtweltcupsieger
       [3][Marco Odermatt] aus der Schweiz hatte viele Jahre mit entzündeten
       Unterschenkeln zu kämpfen, ehe eine orthopädische Karbonschiene Abhilfe
       schaffte. Dass er damit gleichzeitig mit noch mehr um Zug um die Kurve kam,
       hat ihn vermutlich zusätzlich motiviert.
       
       Beim deutschen Abfahrer Luis Vogt haben diese Schienen noch einen anderen
       Vorteil. Der Schaft der Skischuhe sei für den großen Athleten zu kurz, sagt
       Schwaiger. „Aufgrund seiner Hebel braucht er eine Verlängerung, sonst kann
       er den Ski nicht halten.“ Dass die Kritik mittlerweile etwas leiser wurde,
       liegt auch an einem Schlupfloch, das die FIS ließ. Wenn der
       Schienbeinschutz direkt in den Skischuh integriert ist, entspricht er den
       Vorschriften. „Jeder wird versuchen, etwas zu finden“, sagt Schwaiger. Die
       meisten haben schon etwas gefunden. Odermatt sprach zuletzt von einer
       „guten Lösung“, für die sein Skischuhausrüster sorgte.
       
       ## „Ganz sicher wird es nie sein“
       
       Für Waibel sind die neuen Sicherheitsmaßnahmen ohnehin nur Ablenkung.
       Vielmehr müsse man sich Pistenpräparierung und Kurssetzung anschauen. Um
       die Vorgabe Geschwindigkeitskontrolle zu erfüllen, wurden vor allem in den
       schnellen Disziplinen in den vergangenen Jahren mehr Kurven eingebaut. „Um
       diese Anforderungen bestmöglich zu bewältigen“, sagt Waibel, müssen die
       Athleten „aggressives Material“ fahren. Seiner Meinung rühren viele
       Verletzungen vor allem daher. Schwaiger pflichtet Waibel bei. „Wenn die
       Pisten so präpariert und die Kurse so gesteckt sind, dass aggressives
       Material nicht schneller macht, wird es keiner mehr fahren.“
       
       Bei der Aufarbeitung des tödlichen Trainingsunfalls von Matteo Franzoso im
       September in Südamerika spielten die neuen Sicherheitsregeln keine große
       Rolle. Der Italiener rutschte in einer Linkskurve weg, flog durch zwei
       Sicherheitszäune und prallte mit dem Kopf gegen einen Holzpfosten. Athleten
       forderten anschließend, die Standards im Training zu erhöhen. Die seien
       nicht so hoch wie im Rennen, kritisiert Odermatt. Was für Waibel
       illusorisch ist, „weil das die Verbände nicht bezahlen können. Ganz sicher
       wird unser Training nie sein“, weiß Schwaiger. So wie der gesamte alpine
       Skisport.
       
       24 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Elisabeth Schlammerl
       
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