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       # taz.de -- Sicherheitsleck in der JVA Burg: Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen
       
       > Nach Recherchen der taz ist ein detaillierter Plan der JVA Burg in die
       > Hände von Gefangenen gelangt. Die Leiterin der Anstalt wurde vorläufig
       > freigestellt.
       
   IMG Bild: Sicher ist in der JVA Burg wohl nur der Weihnachtsstern
       
       Berlin taz | Angeblich ist die Justizvollzugsanstalt Burg eines der
       „sichersten und modernsten Gefängnisse in Europa“. So zumindest steht es in
       einer Werbebroschüre des Justizministeriums Sachsen-Anhalt über die
       Anstalt, die 2009 in der Nähe von Magdeburg neu eröffnet wurde. Das
       Ministerium lobt ein „ausgeklügeltes System technischer Sicherungsanlagen“,
       ein „umfassendes Sicherheitskonzept“ und ein „Höchstmaß an
       Ausbruchsicherheit“.
       
       Doch diese Sicherheit könnte nun erheblich kompromittiert sein. Nach
       Recherchen der taz ist ein sensibler „SEK Übersichtsplan –
       Justizvollzugsanstalt Burg“ in die Hände von Insassen gelangt. Er soll
       bereits seit mindestens Februar 2024 kursieren. Am Freitag wurde die
       Anstaltsleiterin der Justizvollzugsanstalt Burg vorläufig vom Dienst
       freigestellt.
       
       Die taz konnte ein elfseitiges Dokument einsehen und fotografieren, bei dem
       es sich um den Originalplan handeln soll. Abgebildet sind detaillierte
       Lagepläne aller Räume und Etagen der unterschiedlichen Anstaltsgebäude. Auf
       DIN A3 großen Papierbögen mit grünem Rand ist alles verzeichnet:
       Installationskanäle, Abstellkammern, Werkzeuglager, Brennstofflager,
       Schlüssel- und Saferaum, sogar die Orte, wo Waffen- und Munition zu finden
       sind. Auch alle Einstiege, Personalschleusen und Notausgänge sind
       eingezeichnet, teils mit zusätzlichen Informationen. An einem der
       Notausgänge etwa steht: „Gitter aufschließbar!“
       
       Das Papier stammt anscheinend aus der Zeit, als die Anstalt eröffnet wurde.
       „Plan-Freigabe 03/2009“ steht in einem Kasten am rechten unteren Rand eines
       jeden Blattes, sowie die Kontaktdaten eines Ingenieursbüros, das auf
       Arbeits-, Brand- und Umweltschutz spezialisiert ist und
       sicherheitstechnische Beratung anbietet. Gegenüber der taz wollte sich das
       Ingenieurbüro nicht zu dem Übersichtsplan äußern.
       
       ## Einstiege genau verzeichnet
       
       Nach Informationen der taz nutzen Spezialeinsatzkommandos der Polizei
       solche Übersichtspläne taktisch, um Gefahrensituationen wie zum Beispiel
       eine Geiselnahme im Gefängnis unter Kontrolle zu bringen. In einem Bereich
       innerhalb des Gefängnisses können Beamte über Einstiegsschächte zu den
       Gefangenen gelangen. Der Übersichtsplan zeigt genau, wo diese Einstiege zu
       finden sind.
       
       Zugespielt wurden der taz diese Informationen von einer Person, die diesen
       Plan nicht haben sollte. Der Name dieser Person ist der Redaktion bekannt,
       sie möchte nicht öffentlich genannt werden. Die taz hat die Person mehrfach
       gesprochen, es gab Telefonate und ein persönliches Treffen. Auch der Anwalt
       eines ehemaligen Gefangenen bestätigt gegenüber der taz, dass dieser
       Übersichtsplan unter einigen Insassen im Gefängnis kursiert und von dort
       nach außen gedrungen sei.
       
       Wie das Papier in die falschen Hände gelangte, ließ sich für die taz nicht
       eindeutig nachvollziehen. Eine Version, die sich unter den Gefangenen
       erzählt wird, lautet: Ein Gefangener habe den Plan im Altpapier gefunden,
       das er entsorgen sollte. Wer mittlerweile alles den Plan kennt und
       möglicherweise Kopien davon hat, ist unklar. Sicher ist aber: Der Plan
       kursiert bei Unbefugten innerhalb und außerhalb der Anstalt.
       
       Die taz hat das Justizministerium [1][Sachsen-Anhalt] um eine Stellungnahme
       gebeten und zur Klärung auch ein Foto des Übersichtsplanes übermittelt. Ein
       Sprecher des Ministeriums erklärte dazu am Freitag: „Nach Bekanntwerden des
       Fotos ist durch das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes
       Sachsen-Anhalt eine Untersuchung eingeleitet worden, welche gegenwärtig
       andauert.“ Zu sicherheitsrelevanten Fragen und auch zu geplanten Maßnahmen
       im Justizvollzug könne das Justizministerium keine Angaben machen.
       
       ## „Schwerwiegender Vorfall“
       
       Allerdings hat der sicherheitsrelevante Vorfall bereits erste Konsequenzen:
       Laut Ministerium wurde eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Zudem wurde
       die Leitung der Justizvollzugsanstalt Burg am Freitag vorläufig vom Dienst
       freigestellt. „Es ist vorgesehen, eine kommissarische Leitung der
       Justizvollzugsanstalt Burg einzusetzen“, erklärte der Pressesprecher. Aus
       Gründen des Personaldatenschutzes könnten keine weiteren Angaben gemacht
       werden.
       
       Der Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel (Grüne) ist Mitglied im
       Rechtsausschuss von Sachsen-Anhalt: „Die Veröffentlichung einer solchen
       Unterlage ist ein äußerst schwerwiegender und alarmierender
       Sicherheitsvorfall im Justizvollzug von Sachsen-Anhalt“, sagte er der taz.
       „Er wirft gravierende Fragen zur Sicherheit und zum Umgang mit sensiblen
       Informationen in unseren Anstalten auf.“ Striegel fordert umfassende
       Aufklärung durch die Landesregierung. Am Mittwoch wird der Rechtsausschuss
       in Magdeburg tagen. Auch die freigestellte Leiterin müsse dort Auskunft
       geben, wann sie das erste Mal von den Problemen gehört und wer Zugriffe auf
       die entsprechenden Dokumente habe. „Wir brauchen am Mittwoch im Ausschuss
       antworten, was da passiert ist“, sagte Striegel. Durch die Veröffentlichung
       sieht er eine deutlich erhöhte abstrakte Gefahr sowohl für die Gefangenen
       als auch für die Bediensteten des Gefängnisses.
       
       Betrieben wird die JVA Burg vom Justizministerium Sachsen-Anhalt in einer
       Partnerschaft mit einer privaten Sicherheitsfirma. Das Gefängnis liegt
       etwas außerhalb der Stadt Burg zwischen der Autobahn A2 und einem
       Waldstück. 2009 wurde der neu gebaute Komplex mit 658 Haftplätzen eröffnet.
       Die Hafthäuser für männliche Untersuchungsgefangene, Strafgefangene,
       Sicherungsverwahrte sind panoptisch angeordnet: Von einem langen Haus an
       der Stirnseite gehen die vier Gebäudetrakte wie Gliedmaßen ab. Die Anstalt
       hat einen eigenen Hubschrauberlandeplatz, von dem Straftäter ins Gericht
       geflogen werden können. Außerdem gibt es eine Sporthalle, Arbeitsstätten
       und Besuchsräume.
       
       Der kursierende Plan ist nicht der erste sicherheitsrelevante Vorfall in
       der JVA Burg: [2][2022 versuchte der rechtsextreme Attentäter von Halle aus
       dem Gefängnis zu fliehen.] Er saß zu dem Zeitpunkt bereits seit etwa zwei
       Jahren in dieser Haftanstalt. Der Attentäter bastelte eine Waffe und nahm
       zwei Geiseln. Er bedrohte die Justizvollzugsbeamten, zwang sie, Türen zu
       öffnen und schaffte es bis kurz vor die Autoschleuse. Dort scheiterte er an
       den Sicherheitsmaßnahmen und gab auf.
       
       Der Halle-Attentäter saß einen Teil seiner lebenslänglichen Haftstrafe in
       der JVA Burg ab, weil er [3][2019 zwei Menschen bei einem antisemitischen
       und rassistischen Anschlag am jüdischen Feiertag Jom Kippur getötet hatte].
       Er wurde nach der Geiselnahme nach Bayern verlegt.
       
       22 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sean-Elias Ansa
       
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       2022.