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       # taz.de -- Silvesternacht in Connewitz: Anwälte erheben Vorwürfe
       
       > Nach der Connewitzer Silvesternacht beklagen Anwälte ein überzogenes
       > Vorgehen: Festgenommene würden zu lange festgehalten, Beweise seien
       > mager.
       
   IMG Bild: Connewitz in der Silvesternacht
       
       Berlin taz | Nach der [1][Connewitzer Silvesternacht] erheben Anwälte von
       Festgenommenen Vorwürfe gegen Polizei und Justiz. Sein Mandat werde
       rechtswidrig in Untersuchungshaft gehalten, klagt der Leipziger Anwalt
       Daniel Werner. Die Umstände der Verhängung des Haftbefehls seien „sehr
       ungewöhnlich“. Auch Jürgen Kasek, der drei Festgenommene vertritt, spricht
       von „einem Eindruck, dass hier ein Exempel statuiert werden soll“.
       
       In der Silvesternacht in Connewitz war es zu Angriffen auf Polizisten
       gekommen. Ein Beamter blieb verletzt und bewusstlos zurück. Auch wenn die
       Polizei eine behauptete Not-OP nach einem taz-Bericht zurücknahm, ermittelt
       die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes. Tatverdächtige fehlen hier
       bis heute. Zu Straftaten im Nachgang nahm die Polizei 12 Personen fest.
       Drei sitzen bis heute in U-Haft, einer wurde bereits in einem
       Schnellverfahren verurteilt. Augenzeugen berichten indes auch von
       Übergriffen von Polizisten, die ebenfalls zu Bewusstlosen geführt hätten.
       
       Anwalt Daniel Werner vertritt einen 30-Jährigen, der bis heute in Haft
       sitzt. Laut Staatsanwaltschaft wird ihm ein tätlicher Angriff, vorsätzliche
       Körperverletzung und Gefangenenbefreiung vorgeworfen – rund 45 Minuten nach
       der Tat, die als versuchter Mord eingestuft wird. Werner hält die
       Beweislage indes für dürftig. Es gebe bislang nur die Aussage zweier
       Polizisten. Und diese seien nach den „Unwahrheiten“ der Polizei über die
       Silvesternacht „mit gebotener Skepsis zu beurteilen“.
       
       Zudem kämen die Beamten selbst als Tatverdächtige in Betracht, weil sie
       seinen Mandanten bei der Festnahme verletzt hätten, so Werner. „In dieser
       Konstellation gibt es wohl ein Sonderinteresse an der Verurteilung meines
       Mandanten.“ Denn auch der 30-Jährige sei bewusstlos gewesen, musste im
       Krankenhaus behandelt werden. „Er sah sehr lädiert aus. Auf seiner Kleidung
       war ein riesiger Blutfleck.“ Auch die behauptete Fluchtgefahr sieht der
       Anwalt nicht: Sein Mandat befinde sich in einer Ausbildung und sei
       chronisch krank.
       
       ## Nicht rasch genug dem Haftrichter vorgeführt
       
       Werner hält den Haftbefehl auch formell für rechtswidrig. Denn der Mann sei
       erst 40 Stunden nach der Festnahme einem Richter vorgeführt worden. „Ein
       Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot.“ Zudem sei der Richter „von
       Anfang an überzeugt gewesen, dass mein Mandant in Haft geht“. Werner
       stellte inzwischen einen Befangenheitsantrag gegen den Richter. Zudem hat
       er eine Haftprüfung beantragt und einen Freilassungsantrag eingereicht.
       Beides aber werde seit Tagen verzögert, sagt Werner. „Mein Mandant ist aber
       sofort freizulassen.“
       
       Ein Sprecher der Leipziger Staatsanwaltschaft beteuerte, bei dem
       30-Jährigen werde in „Übereinstimmung mit den einschlägigen
       strafprozessualen Vorschriften“ vorgegangen. Diese erlaubten ein Festhalten
       eines vorläufig Festgenommenen bis zum Folgetag. Im konkreten Fall sei eine
       frühere Vorführung wegen „notwendiger Ermittlungen“ nicht möglich gewesen.
       Auch die Fluchtgefahr sieht die Staatsanwaltschaft weiter. Diese sei
       durchaus weiter gegeben, deshalb habe der Haftbefehl Bestand, so der
       Sprecher.
       
       ## Dürftige Beweislage
       
       Auch der Anwalt Jürgen Kasek, der für die Grünen aktiv ist, erhebt indes
       Vorwürfe. Er vertritt drei Personen, die in der Silvesternacht
       vorübergehend festgenommen wurden. Auch hier sei die Beweislage sehr
       dürftig, teils gehe es wohl schlicht um Verwechslungen, sagt Kasek. Auch
       vorbestraft sei das Trio nicht. Dennoch seien seine Mandanten bis zu 38
       Stunden festgehalten worden, isoliert in Einzelzellen. Ihre Handys seien
       bis heute beschlagnahmt.
       
       Kasek hat inzwischen Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft eingelegt. „Ich
       habe bis heute keine Begründung, warum meine Mandaten so lange festgehalten
       wurden“, kritisiert der Anwalt. „Damit bleibt der Anfangsverdacht einer
       Freiheitsentziehung im Amt.“
       
       Neben einigen Festgenommenen [2][hatten auch weitere Anwesende in der
       Silvesternacht den Polizeieinsatz kritisiert]: Sie seien von Beamten
       geschlagen, getreten oder umgerannt worden. Die Staatsanwaltschaft prüft
       auch dazu nun von Amts wegen, ob ein Anfangsverdacht auf Straftaten
       vorliegt. Die Behörde rief Betroffene auf, Anzeigen zu erstatten.
       
       16 Jan 2020
       
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