# taz.de -- Sinti und Roma-Nennung bei der Polizei: „Vorurteile bestehen fort“
> Roma und Sinti wurden als einzige ethnische Gruppe in der
> Kriminalitätsstatistik erfasst. Zentralratspräsident Romani Rose traf
> Berlins Innensenator.
IMG Bild: Romani Rose: Am Montag traf er auf Innensenator Andreas Geisel
taz: Herr Rose, Sie haben am Montag mit Innensenator Andreas Geisel (SPD)
über die [1][Nennung von Sinti und Roma in der Kriminalitätsstatistik]
gesprochen. Wie kam es dazu?
Romani Rose: In der polizeilichen Kriminalitätsstatistik des Landes Berlin
wurden 2017 Sinti und Roma explizit genannt – als einzige ethnische Gruppe,
deren Abstammung hervorgehoben wird. Es gibt da eine Auflistung von
Straftaten mit Vorwürfen von Eigentumsdelikten oder Betrug, bei denen in 86
Fällen die Abstammung erwähnt wird. Das sind 0,6 Promille aller in Berlin
wegen Diebstahls verdächtigten Personen. Allein Sinti und Roma wurden als
Minderheit genannt, obwohl sie statistisch keinerlei Rolle spielten. Das
haben wir kritisiert.
Das Merkmal Sinti und Roma steht in keinem Pass. Wie wird es von der
Polizei erfasst?
Ich weiß nicht, wie die Polizei zu dieser Deklassierung und Etikettierung
als Sinti und Roma kommt. Wenn man jemanden fragt, ob er evangelisch oder
katholisch ist, muss man keine Aussage machen. Im Bericht wird auch
hervorgehoben, dass es sich um deutsche und polnische Staatsbürger handelt.
Herr Geisel hat gerade selbst erklärt, dass die Staatsangehörigkeit nur
erwähnt werden soll, wenn sie für das Verständnis einer Straftat wichtig
ist, etwa bei Terrorismus, nicht in Fällen von Kriminalität.
Welche Ergebnisse hatte das Gespräch?
Der Innensenator hat gesagt, dass diese Erfassung unzulässig und mit
rechtsstaatlichen Kriterien nicht vereinbar ist. Wir waren uns einig, dass
Straftäter ohne Ansicht der Person ermittelt werden müssen und dass, in
Anbetracht der Geschichte, Minderheiten nicht kriminalisiert werden dürfen.
Herr Geisel hat zugesichert, der Datenschutzbeauftragten Einsicht in die
Ermittlungsakten zu gewähren, um nachzuprüfen, was die Grundlage für die
Einstufung war. Außerdem soll der Online-Bericht von 2017 korrigiert
werden. Seit 2018 taucht das Merkmal der Abstammung bei Sinti und Roma
nicht mehr auf.
Glauben Sie denn daran, dass die Zugehörigkeit in Zukunft nicht mehr
erhoben werden wird?
Der Innensenator hat erklärt, dass er dieser Frage jetzt besondere
Bedeutung beimisst und er für eine adäquate Aufklärung Sorge tragen wird.
Wir waren noch skeptisch, weil es eine lange Geschichte dieser
Sondererfassung gibt. Nach dem Krieg gab es die Zigeunerpolizei. Da saßen
Beamte, die den Holocaust mitorganisiert haben und die versucht haben, sich
zu rehabilitieren und die Deportationen in die Vernichtungs- und
Konzentrationslager zu rechtfertigen, indem sie Minderheiten weiter
kriminalisierten. Später wurde sie in Landfahrerpolizei umbenannt. Daran
und an den speziellen polizeilichen Referaten gab es immer Kritik von
Seiten des Zentralrates. Man sprach dann in den 1980er Jahren von Personen
mit häufig wechselnden Aufenthaltsorten, dann von mobilen ethnischen
Minderheiten. Es wurden sich immer neue rassistische Begrifflichkeiten
ausgedacht.
Hat sich über die Zeit nichts verbessert?
Die Politik hat beispielhafte Zeichen gesetzt, vom Denkmal für die
ermordeten Sinti und Roma hin zu Staatsverträgen auf Augenhöhe. Viele
Sicherheitsbehörden haben das noch nicht ganz umgesetzt. Positiv
hervorzuheben ist das Bundeskriminalamt, das sich seiner Geschichte
gestellt hat. Deshalb ist für uns wichtig, dass Innensenator und
Polizeibehörden jetzt in der Fort- und Weiterbildung wie in der Ausbildung
von Polizeibeamten die Geschichte und Gegenwart von Sinti und Roma
aufnehmen. Wir werden dazu mit der Berliner Polizeiakademie kooperieren.
Was bedeutet ethnische Zuschreibung für Sie?
Wenn einzelne wegen ihrer Abstammung kriminalisiert werden, richtet sich
das gegen unsere gesamte Minderheit und gegen unsere kulturelle Identität.
Aber wir leben hier seit 600 Jahren als Deutsche. Immer noch, das haben
mehrere Umfragen ergeben, wollen 50 Prozent der Deutschen keine Sinti und
Roma als Nachbarn oder Arbeitskollegen. Tradierte Vorurteile bestehen fort.
Wir wollen aber mit Respekt wahrgenommen werden.
15 Jan 2020
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## AUTOREN
DIR Erik Peter
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