URI: 
       # taz.de -- Slowakei: Aufregung über Ficos Kreml-Besuch
       
       > Der slowakische Premier Fico reist überraschend zu Putin, um über die
       > slowakische Gasversorgung zu sprechen. Die Opposition protestiert.
       
   IMG Bild: Nicht nur in der Slowakei ist die Empörung groß über den Besuch von Robert Fico bei Putin
       
       Wien taz | Robert Fico, der slowakische Ministerpräsident, ist am Sonntag
       überraschend nach Moskau gereist, um den russischen [1][Präsidenten
       Wladimir Putin] zu treffen. Hauptgrund für den kontroversen Besuch ist das
       bevorstehende Ende der slowakischen Versorgung mit russischem Gas. Mit
       Jahresende wird aller Voraussicht nach der Transit über die Ukraine enden.
       
       Die innenpolitischen Reaktionen auf Ficos Reise fielen scharf aus. Die
       Opposition verurteilte Ficos Moskau-Reise als Affront gegen die europäische
       Einheit. Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei Progressive
       Slowakei, Michal Šimečka, warf dem Regierungschef vor, die Interessen des
       Landes zu verraten.
       
       Statt in Moskau hätte Fico die Gastransitfrage in Kiew verhandeln sollen,
       sagte Šimečka. Noch deutlicher wurde der Chef der liberalen SaS-Partei.
       „Robert Fico ist eine Schande für die Slowakei. Er verhält sich nicht wie
       ein Regierungschef eines souveränen Landes, sondern wie ein gewöhnlicher
       Kollaborateur“, sagte SaS-Vorsitzender Branislav Gröhling.
       
       Der slowakische Premier verteidigte seinen Besuch in sozialen Medien. Er
       betonte die Souveränität seiner Entscheidung und berichtete von der
       russischen Bereitschaft, [2][weiter Gas zu liefern]. Fico räumte aber ein,
       dass dies ohne Zustimmung der Ukraine praktisch unmöglich sein würde.
       
       ## Slowakei abhängig von russischem Gas
       
       Die Slowakei bezieht einen Großteil seines Gases aus Russland, das bisher
       auch über ukrainische Pipelines fließt. Der aktuelle Transitvertrag endet
       2024 und soll nicht verlängert werden. Der ukrainische Präsident Selenskyj
       begründete dies damit, dass Russland mit den Einnahmen – es geht um viele
       Milliarden – seinen Angriffskrieg finanziert.
       
       Während einer Pressekonferenz am Rande des EU-Gipfels am vergangenen
       Donnerstag äußerte Selenskyj scharfe Kritik an Ficos Forderungen, den
       Gastransit weiterhin zuzulassen. Es sei „beschämend“, dies von der Ukraine
       zu verlangen. Die Ukraine werde auch keine Gaslieferungen aus Russland, die
       aus anderen Ländern, etwa Aserbaidschan, erlauben.
       
       Bratislava hat vorsorglich begonnen, sein Energieportfolio zu
       diversifizieren: Ein Pilotprojekt für Gasimporte aus Aserbaidschan wurde
       initiiert, auch soll amerikanisches Flüssiggas (LNG) künftig über Polen
       bezogen werden. Zusätzlich existieren Pipeline-Transportmöglichkeiten über
       das österreichische, ungarische und tschechische Netz. [3][Auch Österreich
       war bis zuletzt von russischem Gas abhängig.] Mittlerweile sei die
       Versorgung aber aus anderen Quellen gesichert, heißt es von der Regierung.
       
       Ficos Kreml-Besuch ist erst der dritte eines EU-Regierungschefs seit
       Kriegsbeginn. Zuvor hatten nur der ungarische Premier Viktor Orbán und
       Österreichs Kanzler Karl Nehammer Putin getroffen – beide Besuche lösten
       heftige internationale Kritik aus. Vor seiner Moskau-Reise hatte Fico beim
       EU-Gipfel vergeblich um Unterstützung in der Transitfrage geworben. Den
       Besuch selbst hielt Fico jedoch geheim. Entsprechend überraschend traf er
       die Entscheidungsträger in Brüssel.
       
       ## Fehlende Abschlusserklärung
       
       Die EU-Führung reagierte zunächst diplomatisch zurückhaltend. Aus Brüssel
       hieß es lediglich, dass EU-Ratspräsident Antonio Costa über den Besuch
       vorab in Kenntnis gesetzt worden war. Eine offizielle Bewertung des
       Treffens durch die EU-Kommission steht noch aus. Bemerkenswert war auch das
       Fehlen einer gemeinsamen Abschlusserklärung nach dem Gespräch.
       
       Der Zeitpunkt des Besuchs ist brisant: Russland meldet aktuell militärische
       Erfolge in der Ostukraine und hat nach eigenen Angaben in diesem Jahr
       bereits über 190 ukrainische Ortschaften erobert. Die ukrainischen
       Streitkräfte leiden unter Munitionsmangel und Personalengpässen.
       
       Ursprünglich hatte die Slowakei, nicht zuletzt ihr Nachbarland, fest an der
       Seite der Ukraine gestanden. Seit Ficos Wahlsieg im Oktober 2023 fährt die
       von seiner Smer-Partei angeführte Regierung einen russlandfreundlichen
       Kurs. Fico will etwa jede finanzielle Unterstützung für die Ukraine beenden
       und spricht sich gegen weitere Russland-Sanktionen aus.
       
       23 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wladimir-Putin/!t5008686
   DIR [2] /Gaslieferungen-durch-die-Ukraine/!5918296
   DIR [3] /Oesterreich-kuendigt-Gasvertrag/!6037895
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Bayer
       
       ## TAGS
       
   DIR Slowakei
   DIR Robert Fico
   DIR Wladimir Putin
   DIR Energiekrise 
   DIR Gasknappheit
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Russland
   DIR Slowakei
   DIR Rechtspopulismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Russische Gaslieferungen nach Europa: Kein russisches Gas mehr durch die Ukraine
       
       Seit Beginn des Jahres fließt kein Gas aus Russland mehr durch die Ukraine.
       Damit verliert Gazprom Einnahmen in Milliardenhöhe. Welche Konsequenzen
       drohen Europa?
       
   DIR Fragestunde mit Wladimir Putin: Ein Krieg aus Langeweile?
       
       Russlands Präsident zeigt sich selbstbewusst und hält an seiner Position
       zur Vernichtung der Ukraine fest. Nordkorea oder Verluste in Kursk bleiben
       unerwähnt.
       
   DIR Kulturabbau in der Slowakei: „Sie will alles vernichten“
       
       Die rechtspopulistische Ministerin Martina Šimkovičová demontiert in der
       Slowakei den Kulturbetrieb. Es zeigt, was auch in Deutschland droht.
       
   DIR Autor über slowakische Regierung: „Rechtspopulisten regieren lassen? Lieber nicht!“
       
       Der Schriftsteller Michal Hvorecký spricht über Rechtsruck und
       kulturpolitischen Umbau in der Slowakei. Ein mahnendes Beispiel auch für
       Deutschland.