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       # taz.de -- Spanischer Fußball und Separatismus: Kein Platz für Nuancen
       
       > Der Katalonien-Konflikt erreicht die spanische Nationalmannschaft.
       > Barcelonas Abwehrstar Gerard Piqué wird wüst beschimpft.
       
   IMG Bild: Unterstützung erfährt Gerard Piqué aber auch
       
       Barcelona taz | Wohl dem, der dieser Tage maximaler Anspannung nicht in
       Barcelona ist. Gerard Piqué hat sich das natürlich nicht ausgesucht. Oder
       doch? Man kann es so sehen, der überzeugte Katalane könnte ja auch einfach
       aus der spanischen Nationalmannschaft zurücktreten. Aber er möchte weiter
       daran glauben, was in der aufgeheizten Stimmung immer mehr wie eine
       Quadratur des Kreises erscheint: dass ein stolzes Katalonien und ein
       stolzes Spanien vereinbar sind.
       
       Als er am Montagabend am Verbandsgelände in Las Rozas nahe Madrid ankam, wo
       sich die spanische Nationalelf auf die WM-Qualifikationspartie am Freitag
       gegen Albanien in Alicante vorbereitet, griff der Verteidiger des FC
       Barcelona zunächst mal zum Telefon.
       
       Einen Satz der spanischen Regierungsvizepräsidentin Soraya Saénz de
       Santamaría, die Polizei habe bei ihrem gewaltsamen Vorgehen gegen
       wahlwillige Bürger bei dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum
       „verhältnismäßig und mit verhältnismäßigen Mitteln“ gehandelt, retweetete
       er mit Fotos, wie eben diese Polizei die in Katalonien gesetzlich
       verbotenen Gummigeschosse einsetzte. Das Problem: Auch wenn es sich nach
       ziemlich übereinkommender Sichtweise in der westlichen Welt dabei um eine
       ungerechtfertigte Überreaktion handelte – in Spanien sehen das längst nicht
       alle so.
       
       Als es für Piqué dann raus zum Training ging, bekam er das zu hören. Gut
       1.000 Fans auf den Tribünen beleidigten ihn in einem Ausmaß, wie selbst der
       seit Jahren umstrittene und bei spanischen Heimspielen regelmäßig
       ausgepfiffene Abwehrmann das noch nie erlebt hatte. „Piqué cabrón, España
       es tu nación“, skandierte der Mob. „Piqué, Arschloch, deine Nation heißt
       Spanien.“ Piqué hat im Übrigen nie erklärt, wirklich für die Abspaltung zu
       sein. Er erklärte sich immer nur als Parteigänger des Rechts, darüber
       abzustimmen.
       
       Aber wo diese Nuance schon im großen Konflikt seltsam ungehört bleibt, kann
       sie das Ambiente in der Nationalelf erst recht nicht befrieden. „Die Luft
       im Team ist zum Zerreißen gespannt“, zitierte die Sportzeitung As einen
       namentlich nicht genannten Spieler. Öffentlich wollen sich die Kollegen
       bisher nicht äußern. Piqués Abwehrpartner und dialektischer Dauerrivale,
       Teamkapitän Sergio Ramos von Real Madrid, gab entgegen seiner Gewohnheit
       bei der Ankunft in Las Rozas kein Statement ab. Bayern-Mittelfeldmann
       Thiago, ebenfalls aus dem Barça-Nachwuchs, zog sich hingegen auf die
       klassische Floskel zurück: „Hier reden wir nur über Fußball, nicht über
       Politik.“
       
       ## Aus Prinzip abgelehnt
       
       Der FC Barcelona selbst hat es sich da noch nie so einfach gemacht. Er
       betrachte sich traditionell als Anwalt der katalanischen Sache, beschwört
       in Kommuniqués das Selbstbestimmungsrecht und trat gestern wie die größten
       Teile des Landes in den Streik. Schon der Tag des Referendums hatte den
       Verein vor eine Zerreißprobe gestellt. Ein Vizepräsident und eine weitere
       Führungskraft trat zurück, weil der Klub trotz der Gewaltexzesse zu seinem
       Spiel gegen Las Palmas angetreten war, wenn auch ohne Zuschauer.
       
       In die missliche Lage gebracht worden war der Verein von der spanischen
       Liga. Wegen des parallelen Referendums hatte er zwar seit Wochen um einen
       Spieltermin am Samstag gebeten, wie das bei Wahlen in Spanien sonst auch
       Praxis ist. Die Liga lehnte allerdings ab, nicht weil es Samstag keine
       Anstoßzeiten gegeben hätte, sondern aus Prinzip: wegen der Illegalität des
       Referendums. Nicht mal als die Gewalt an den Schulen ausbrach, war der
       spanische Fußballverband bereit, das Spiel abzusagen.
       
       Was andererseits vielleicht kein Wunder ist, wenn man bedenkt, was der
       Vorsitzende des Spielbetriebskomitees, Francisco Rubio, zur selben Zeit
       twitterte: „Wenigstens wissen einige jetzt, was eine Schule ist. Jetzt
       müssen sie nur noch Duschgel, Shampoo, Demokratie und Gesetzestreue
       kennenlernen.“
       
       Mehr Zynismus ist kaum denkbar, und so ist es kein Wunder, dass Spaniens
       größte Sportstars angesichts der verhärteten Fronten die Hände über dem
       Kopf zusammenschlagen. „Ich möchte heulen, wenn ich sehe, dass wir in
       unserem Land in so einer Situation angelangt sind“, sagt Tennisstar Rafael
       Nadal, und der katalanische Basketballkönig Pau Gasol fragt: „Musste es
       wirklich so weit kommen? Bis zur Gewalt?“
       
       3 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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